Herr Willi und Herkulesbad

Ein Temeswarer Josephstädter aus Deutschland wurde Pensionsbesitzer am Cerna-Ufer

Wilhelm Hadik

Ileana Hadik

Beispiele gelungener Renovierungen: das alte Thermalbad und im Hintergrund das Cerna-Hotel

Beipiel einer misslungenen Renovierung: die Villa Elisabeta, der Aufenthaltsort der Kaiserin Elisabeth/Sissi bei ihrem Herkulesbad-Aufenthalt, heute (seit Jahren geschlossenes) Kulturhaus und Bibliothek
Fotos: der Verfasser

„Să trăiţi, domnu Willi!“ grüßt jemand von der anderen Straßenseite. „Să trăieşti!“, antwortet der Gegrüßte aus dem Sommergarten seiner Pension „Safrane“ rechterhand der Zufahrtsstraße Richtung Zentrum von Herkulesbad/Băile Herculane. Der gebürtige Josephstädter Wilhelm Hadik – ursprünglich Lehrer für Geschichte und Geografie als Absolvent des dreijährigen Pädagogischen Studiengangs an der heutigen West-Universität Temeswar, bald darauf auch Absolvent eines Wirtschaftsstudiums, um Buchhaltung führen und ein Restaurant in Temeswar leiten zu können – ist in Herkulesbad ein bekannter und geachteter Mann.

Der am 14. August 1944 in der Temeswarer Josephstadt zur Welt gekommene Willi Hadik, der sich bereits als 32-jähriger in der Elisabethstadt ein Haus gekauft hat, ist 1985 nach Deutschland ausgewandert. Zusammen mit seiner Frau Ileana („Wenn ich Gäste frage, wer von uns beiden der/die Deutsche ist, haben sie noch nie gesagt, der Willi sei das – alle meinen, ich bin die Deutsche!“) hat er sich in Süddeutschland, im Raum Gersthofen, eine Existenz aufgebaut und eigentlich nie ernsthaft daran gedacht, mal wieder nach Rumänien zurückzukommen. Nostalgie war da („Heute noch klingt mir aus meiner Kindheit in den Ohren, wie die Freidorfer uns Josephstädtern zugerufen haben: `Heerisches, närrisches Gsindlbagasch/leckt`s die Schwobn alli am Arsch!`“), aber den Wunsch, wirklich zurückzukommen hatte er nie.

Versuchung billiges Grundstück

In Deutschland arbeitete Willi Hadik vorwiegend im Logistikbereich, später in der Papierfachkunde, im Bereich der Qualitätsprüfung. Von dort ging er 2004 – „mit Abschlägen“ – in Rente. Auch wegen Herkulesbad.

Denn anlässlich eines Besuchs 2001 im Bade- und Luftkurort – während eines Urlaubs in seiner Geburtsstadt Temeswar – fielen ihm die damals niedrigen Grundstückspreise in Herkulesbad auf: „5-6 Euro pro Quadratmeter, also ein bebaubares Grundstück zu einem Spottpreis, das konnte man nicht ignorieren! Wir haben uns kurz entschlossen 3000 Quadratmeter zwischen der Zufahrtsstraße ins Zentrum des Badeorts und dem Ufer der Cerna gekauft.“ Und unter ziemlich abenteuerlichen Umständen für jemand, der aus dem überregulierten Deutschland kommt, mit dem Bau einer 15-Zimmer-Pension (mit Wohntrakt für die Besitzer) begonnen. Später hat Willi Hadik dann 1000 Quadratmeter seines Grundstücks an einen Nachbarn verkauft, der eine Pension im Bau hat und dem sein Grundstück für seine Vorhaben zu klein war.

Ausbaupläne und guter Ruf

Finanziert hat die Familie Hadik ihr Vorhaben durch Hypotheken, die sie auf ihre Wohnung in Gersthofen aufgenommen haben. „Praktisch hab ich mir mit den Hypotheken die Arbeit in der Rente erkauft“, schmunzelt Willi Hadik, nicht gerade unglücklich, wie mir scheint. Die Pension „Safrane“ ist mit ihrem Restaurant und dem Sommergarten „noch nicht ganz fertig“, wie Willi Hadik zugibt. „Deutsche und ungarische Küche“ bietet Frau Ileana an, die mit einer einzigen Küchenhilfe auskommt und vor allem nach alten, konsekrierten Rezepten kocht – was ihr bereits eine treue Stammkundschaft eingebracht hat, einschließlich von den vielen neuen Pensionen und Hotels aus dem ganzen Kurort. Denn neben Ausbauplänen („Herkulesbad hat mit Sicherheit Zukunft, weil es von allen mir bekannten Kurorten das meiste von dem hat, was andere nicht haben!“) hegt Willi Hadik auch Verbesserungspläne. Etwa sucht er nach der besten Lösung zum Ersetzen der Holzheizung („Ich habe mich noch nicht entschieden zwischen Solar und Wärmeaustauschern“), die ihn jeden Morgen vor fünf aus dem Bett jagt, manchmal auch nachts, damit u. a. das Wasser der Duschen nicht zu stark abkühlt. Und er will zwischen der Hinterfront der Pension und dem Cerna-Ufer ein Schwimmbecken („eventuell mit Thermalwasser“) bauen und auch die Pension soll noch in diese Richtung „um wenigstens fünf Zimmer“ ausgebaut werden. „Wär` doch schade, nicht noch anzubauen, zumal wir inzwischen über Mundpropaganda einen so guten Ruf haben, dass wir fast ausschließlich über Vorbestellungen und Reservierungen arbeiten – ausgenommen mal die Extremsituationen, wie im Februar 2012 der hohe Schnee und der grimmige Frost, als wir erstmals einen Monat lang ohne Gäste waren, aber den Betrieb voll fahren mussten, um nicht noch größeren Schaden zu erleiden.“

Finanziell sind Willi und Ileana Hadik zufrieden: Sie können ihr Personal bezahlen, Frau Ileana hat kein schlechteres Einkommen als in Deutschland („nur muss ich hier viel mehr und unregelmäßiger arbeiten!“), die Hypotheken können mit Regelmäßigkeit abgezahlt werden, ohne dass Willi Hadiks Rente angegriffen werden muss. 

Harte Nuss Bürokratie knacken

Unzufrieden ist Willi Hadik, wenn er die Pension nach außen repräsentiert, auch im Alltagskampf mit der rumänischen Bürokratie und der Unzuverlässigkeit der Beamten und deren abenteuerlichen Anwendung von Gesetzen und Vorschriften. Trotzdem: „Außer kleinen Episoden des Bedauerns während der Bautätigkeit, als man mich – ich glaube, bewusst und gezielt – gegen Wände anrennen ließ, bereue ich die Entscheidung nicht, hier zu investieren.“

Inzwischen hat Willi Hadik auch wieder gelernt, sich im Verhältnis mit der Öffentlichkeit und deren bestellten Vertretern so zu benehmen, wie es jedermann/-frau im heute stark oltenisch unterwanderten Herkulesbad tut (gut 80 Prozent der Fahrzeuge, die man hier sieht, haben die Kennzeichen DJ, MH, oder GJ). „Die Leute verlangen, wenn sie zu bauen beginnen, einfach keine Genehmigungen, haben irgendwelche Teilgenehmigungen, gehen einfach weiter, so lange es irgendwie geht, holen dann – nicht selten mit Schmiergeld, nehme ich an – Genehmigungen nach, lassen den Dingen ihren Lauf und den Herrgott einen guten Menschen sein. Mit dem man reden kann. Die Topografen machen Vermessungen der Grundstücke, geben Papiere heraus, zuletzt weiß keiner so recht und konkret, wo ein Grundstück anfängt und wo es aufhört, aber macht nichts, Geld regelt alles und jedermann ist zuletzt irgendwie zufrieden und glücklich.“

Da werden Genehmigungen eingefordert, die ursächlich voneinander abhängen, aber die oft kaum in der Reihenfolge ihrer bürokratisch geforderten Abhängigkeit zu erlangen sind. „Dann kommst du vor den Büromenschen, der deine causa zu erledigen hat, kriegst eine Liste mit Papieren, die du einzureichen hast, und wenn du die dann seufzend vermeintlich alle (nach der ursprünglichen Liste) zusammenhast, gehst du glücklich zurück zum Büromenschen, der während der Überprüfungsdurchsicht des Papierstapels sofort bemerkt: „ja, aber...“ und das löst dann den nächsten Anlauf zur Sisyphusarbeit der Eindeckung mit Papieren aus, die für eine Genehmigung nötig sind...“

Effiziente Mundpropaganda 

Frau Ileana trauert ihrem „stabilen Posten“ in Deutschland nicht wirklich nach. Willi: „Einen stabilen Posten hast du auch jetzt! Und zumindest so gut bezahlt wie in Deutschland! Der beste Beweis: Du kannst von hier nicht weg, wenn nicht alles zusammenstürzen soll! Und wenn ich dir mal kündigen sollte, kriegst du eine anständige Abfindung!“

Willi und Ileana Hadik haben die Pension „Safrane“ 2007 eröffnet. Willi: „Als ich die Firma beim Handelsregister registrierte, fragten die mich nach dem Firmennamen. Ich war ratlos. Da fiel mir ein, dass mein Auto, das ich damals gerade fuhr, ein Renault Safrane war. Das war dann mein Firmenname!“ Sie haben zuerst das Ganze jemand anvertraut, sahen aber recht bald ein (bis zur Eröffnung des Restaurants im Juni 2010), dass ihre permanente Anwesenheit nötig war, wenn sie nicht pleitegehen wollten. 2010 entschlossen sie sich dann „zum Domizil-, aber nicht zum Staatsbürgerschaftswechsel“. Und mit Pension und Restaurant ging es sichtbar aufwärts, auch durch Gruppen. Zuerst waren es Gruppen aus Ungarn, wo der Nostalgietourismus in die Territorien des historischen Ungarreichs blüht. „Wir sind schnell draufgekommen“, erzählt Willi Hadik, „dass die Reiseleiter im Gruppentourismus eine Schlüsselrolle spielen, auch in der Mundpropaganda für einzelne Unterkünfte.“

Die zweitgrößte Gruppe ihrer Gäste sind Dienstreisende, etwa die Russen, die bei Mehadia den Braunkohlenbergbau wieder betreiben, Handelsreisende und Angestellte der Energiewirtschaft, die mit den Wasser- und Windkraftwerken der Umgebung zu tun haben. Dann die Yogins des Gregorian Bivolaru, die sich in Herkulesbad zur Sommer- und Wintersonnenwende zu ihren Spiralen treffen und die die Adresse von „Safrane“ mehr bewerben als jede professionelle Werbung. Dann viele Bukarester auf der Durchfahrt von und nach Westeuropa.

„Bei einer permanenten Auslastung von bis zu 80-85 Prozent dürfen wir nicht klagen. Und Herkulesbad ist wirklich im Kommen. Da werden sich so manche noch wundern, was in einigen Jahre hier los sein wird, vor allem, wenn der Aquapark eingeweiht ist!“
Willi Hadik schmunzelt dabei wie ein Sieger.