Historische Ereignisse in Einzelschicksalen

Zu „Germanii din Banat prin povestirile lor“, koordiniert von Doz. Dr. Smaranda Vultur

Doz. Dr. Smaranda Vultur von der West-Universität Temeswar koordinierte die Herausgabe des Bandes mit erzählten Lebensgeschichten der Banater Deutschen.
Foto: Zoltán Pázmány

Das Buch „Germanii din Banat prin povestirile lor“ wird kommende Woche in Temeswar vorgestellt: Am 13. März, um 16 Uhr, im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus, sowie am 21. März, um 18.30 Uhr, in der Buchhandlung „La Două Bufnițe“.

Lebensgeschichten können beeindrucken, betrüben, belehren oder inspirieren. Gleichzeitig geben sie aufschlussreiche Einblicke in die Geschichte; denn oft fehlt das Geschriebene, das Dokument, das bestimmte historische Ereignisse bestätigt – oder auch nicht. Auf erzählten Lebensgeschichten basiert auch der jüngst im Polirom-Verlag Jassy erschienene Band „Germanii din Banat prin povestirile lor“ (Die Deutschen im Banat und ihre Geschichten), koordiniert von Dozentin Dr. Smaranda Vultur von der West-Universität Temeswar. Zur Entstehung dieses Buches, das mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung gedruckt werden konnte, haben 23 Autorinnen und Autoren beigetragen – in ihrer Mehrheit sind es Unterrichtende an Universitäten in Temeswar und Klausenburg, Forscher, Schriftsteller und Soziologen.

Bei dem Buch handelt es sich um eine ergänzte Neuauflage des 2000 im Paideia-Verlag Bukarest erschienenen Bandes von Smaranda Vultur. Im Mittelpunkt stehen auch diesmal Einzelschicksale von Banater Deutschen, die eines verbindet: Sie umreißen eine gewisse Identität der Banater Deutschen in der plurikulturellen und -ethnischen Region des Banats. Die ergänzte Neuauflage stützt sich auf das Oral-History-Archiv, das sich heute an der Universitätsbibliothek „Eugen Todoran“ der West-Universität in Temeswar befindet. Die Interviews sind unter anderen von der Gruppe für Kulturanthropologie und mündlich überlieferte Geschichte im Rahmen der Stiftung „Das Dritte Europa“ (1997 – 2008) entstanden. Das Archiv wurde zwischen 2009 und 2015 am Fächerübergreifenden Zentrum für Regionalstudien der West-Universität Temeswar ergänzt. Viele der Interviews wurden im vergangenen Jahr aufgenommen, sodass praktisch die Hälfte des Bandes neu ist, was auch den Verzicht auf einige Interviews oder Interviewabschnitte von 2000 zur Folge hatte, unterstreicht die Koordinatorin des Bandes, Smaranda Vultur, im Vorwort.

Das Buch ist mit einer Einleitung versehen, zu der der Universitätsprofessor und Prorektor der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg Dr. Rudolf Gräf, wie auch der verstorbene Historiker Valeriu Leu, Universitätsprofessor an der West-Universität in Temeswar und an der Eftimie-Murgu-Universität in Reschitza, beigetragen haben. „Die Deutschen im Banat oder die Geschichte zwischen zwei Auswanderungen. Der Kreis, der sich geschlossen hat“ heißt der geschichtliche Abriss, in dem der aus Reschitza stammende Historiker Rudolf Gräf sehr genau auf die Einwanderung der Deutschen ins Banat zu Beginn des 18. Jahrhunderts und deren dreihundertjährige Geschichte auf diesem Gebiet eingeht. „Das Bild des Deutschen bei den Rumänien im Banat“ skizziert Dr. Valeriu Leu, angefangen von den ersten Kontakten der deutschen Kolonisten mit der einheimischen Bevölkerung, die sich – es mag heute verwundern, wenn im Banat fast ausschließlich vom friedlichen Neben- und Miteinander der Ethnien die Rede ist – zunächst als überhaupt nicht so friedlich und freundlich erwiesen haben. Die beiden historischen Artikel verhelfen dem Leser dazu, sich einen Einblick in die Geschichte der Deutschen im Banat und deren Verhältnis zur Mehrheitsbevölkerung zu verschaffen. Durch eine „identitäre Anekdote“ von der Katze des Deutschen und der Katze des Rumänen aus dem Band „Scrisori și schițe bănățene“ (Editura Poporului Român, 1943) von P. Nemoianu, eine lustige Anspielung auf die Charakterzüge der beiden Nationalitäten, wird die Einführung abgerundet.

Prominente Vertreter der Banater Deutschen wie auch Menschen wie du und ich kommen in diesem Band zu Wort. Das erste Interview aus dem Buch hat der Soziologe Adrian Onica im Jahr 1999 mit dem römisch-katholischen Bischof Sebastian Kräuter geführt. Der deutschen Gemeinschaft sind viele der Menschen, die in dem Buch zu Wort kommen, bekannt. Jedoch sind vor allem für die Leser außerhalb dieser Gemeinschaft die Vorstellungen der Interviewten zu Beginn der transkribierten Gespräche hilfreich – derartige Kurzvorstellungen hätten alle Befragten nötig gehabt. Dass einige der Interviews auf Rumänisch geführt wurden und andere wiederum aus dem Deutschen ins Rumänische übersetzt wurden, ist daran zu erkennen, dass manche der Interviewpartner Interferenzen benutzen, wenn sie rumänisch sprechen, was allerdings die Sprache umso authentischer und lebendiger klingen lässt.

Die erzählten Lebensgeschichten sind nicht allesamt glücklich. Ganz im Gegenteil: Die meisten von ihnen, wie beispielsweise die von Ignaz Bernhard Fischer, Ronald Wiest oder Carol Bereznyak, schildern traurige Episoden aus der Geschichte der Banater Deutschen, wie etwa die Deportation in die ehemalige Sowjetunion. Die Repressalien durch das kommunistische Regime werden beispielsweise im Gespräch mit Ștefan Boleraz deutlich. Auch von der Deportation in die Bărăgan-Steppe wird berichtet – im Gespräch mit Margareta Oglindă oder Margareta Docea, zum Beispiel. Persönliche Familienfotos, die die Interviewten zur Verfügung gestellt haben, ergänzen auf glückliche Weise das Erzählte. Flucht, Gefangenschaft, Vertreibung, Enteignung sind nur einige der Stichworte, deren das Buch versucht gerecht zu werden. Zwei Sonderkapitel sind den „französischen Deutschen aus Triebswetter“ bzw. den „Deutsch-Böhmen aus Wolfsberg“ gewidmet. Von der Heide und Hecke bis hoch ins Banater Bergland: Befragt werden Vertreter der Deutschen aus allen Ecken des Banats. Über deutsche Feste, wie etwa das Kirchweihfest oder Fasching, informieren Roxana Pătrașcu Onica, Adrian Onica und Adela Lungu-Schindler. Ein besonderes Kapitel gilt dem Demokratischen Forum der Deutschen im Banat. Interviews mit dem ehemaligen Vorsitzenden, Dr. Karl Singer (geführt im Jahr 2000), mit seiner Gattin Edith Singer (geführt im Jahr 2000, mit Ergänzungen in 2017), wie auch mit dem amtierenden Vorsitzenden des DFDB, Dr. Johann Fernbach, wurden geführt. Einen gemeinsamen Nenner haben die drei: Sie berichten vom Rückgang der Zahl der Deutschen im Banat, gleichzeitig aber auch über die Wichtigkeit, den kulturellen Nachlass wie etwa Sprache, Sitten und Bräuche für die nächste Generation zu erhalten. Die zahlreichen Fußnoten mit Erklärungen tragen entschieden zum besseren Verständnis des Erzählten bei.

Bei der großen Mehrheit der Gespräche handelt es sich nicht nur um Treffen der Generationen (die Fragesteller sind meist Jahrzehnte jünger als die Befragten), sondern auch um Treffen zwischen Rumänen (die Interviewer) und Deutschen (die Interviewten). Eine glückliche Konstellation, könnte man im Nachhinein behaupten, denn schließlich schaffen es die Fragesteller, ihren Interviewpartnern das Herz zu öffnen. Die Menschen erinnern sich an Gegebenheiten, die nicht nur rührend, sondern auch äußerst intim sind. Als Leser fragt man sich manchmal, wie wohl der Gemütszustand der Antwortgeber zu dem Erzählzeitpunkt gewesen war.

Das Buch in der Koordination von Smaranda Vultur ist äußerst wertvoll, zumal die Erzählungen der Zeitzeugen, die dabei zu Wort kommen, die geschichtlichen Ereignisse erst recht nachvollziehbar machen, auch wenn aus subjektiver Perspektive berichtet wird. Dieser Band bekräftigt einmal mehr den Gedanken, dass die besten Geschichten das Leben selbst schreibt. An uns liegt es, diese für die Ewigkeit festzuhalten. Zudem ist das Buch ein gutes Beispiel dafür, wie die „Geschichte des kleinen Mannes“, des Normalbürgers, als Ergänzung und Illustration der „großen Geschichte“ funktionieren kann.