Hurduzeu im Fettnäpfchen

Kreisratspräses sandte insgeheim einen Brief an die Agentur für Regionalentwicklung West / Senator Marcel Vela hat ihn dabei erwischt

Ein Brief, mit Briefkopf des Kreisrats Karasch-Severin, Unterschrift des Kreisratspräsidenten und offiziellem Stempel des Kreisrats (letzterer angeblich neuerdings in Rumänien nicht mehr unbedingt nötig, um ein Dokument auszuweisen) ist ein offizieller Akt des Kreisrats. Egal, ob der Kreisrat in seinem Plenum davon in Kenntnis gesetzt wurde, den Auftrag dazu erteilt hat und mit seinem Inhalt einverstanden ist oder nicht. Wenn der Brief aber des Inhalts ist, einen Beschluss des Kreisrats bezüglich der Finanzierung eines Investmentprojekts abzuändern und mit einem anderen Projekt zu ersetzen – über dessen Aktualität und Nützlichkeit der Kreisrat nicht konsultiert wurde –, kann so ein Brief zum Politikum werden. Vor allem, wenn eine Kopie davon der Opposition in die Hände gespielt wird...
So geschehen in Reschitza, als „jemand“ aus dem Apparat des Kreisrats Senator Ion Marcel Vela (PNL) einen Brief des Kreisratspräsidenten Silviu Hurduzeu (PSD) an die Regionalentwicklungsagentur West zuspielte.

Darin fordert Hurduzeu die Beamten der Vermittlungs- und Kontrollorganisation für EU- und Regierungsgelder auf, ein vom Kreisrat abgesegnetes Vorhaben – die vorrangige Asphaltierung der Kreisstraße DJ 684 Ruschkitza/Ruşchiţa – Voislova (über Deutsch-Ruskberg/Rusca Montană) bis zur Grenze zum Verwaltungskreis Temesch (wo die Asphaltstraße aus Richtung Temesch brüsk aufhört) durch die Modernisierung der Kreisstraße DJ 608 Plugova - Globu Rău - Teregova - Luncaviţa - Cruşovăţ zu ersetzen, die von lokaler Bedeutung ist. Der Wunsch von Kreisratspräses Silviu Hurduzeu widerspricht aber einem länger zurückliegenden Beschluss des Verwaltungsrats der Regionalentwicklungsagentur, als die Kreisratsvorsitzenden einstimmig entschieden, bei künftigen Straßenbauvorhaben die Verbindungen zwischen den Verwaltungskreisen zu favorisieren, bzw. auf die Prioritätenliste zu setzen. Aber: die Familie des Kreisratsvorsitzenden kommt aus der Gegend, wo die Kreisstraße DJ608 durchführt, sagt der Reschitzaer Mundfunk. Doch nicht der letztgenannte Aspekt wird dem Kreisratsvorsitzenden zum Vorwurf gemacht, sondern die Art und Weise seines Vorgehens: insgeheim, hinterrücks, einen Kreisratsbeschluss ignorierend und aushebelnd, „nach der altbewährten PSD-Methode: bei Nacht und Nebel“, mit Hinterlist.

Dass Senator Vela auch persönliche Ressentiments gegenüber Hurduzeu haben könnte, dürfte stimmen. Man erinnere sich: Hurduzeu hat nach den Kommunalwahlen von 2016 mittels Ränkespiel, ziemlich dreckigen Manövern und schmierigen Allianzen die Absicht (und Chance) seines Landsmanns aus Karansebesch, Vela, hintertrieben, den Kreisratsvorsitz zu übernehmen. Er hat sich selber auf den begehrten Stuhl gehoben, was Vela per Gerichtsbeschluss als illegales Vorgehen öffentlich nachwies – allerdings erst nach den Parlamentswahlen vom Herbst des vergangenen Jahres, worüber die ADZ berichtete. Hurduzeu schreibt im Dokument des Kreisrats an die Regionalentwicklungsagentur in Temeswar als Begründung für das Ersetzen auf der Prioritätenliste der zu modernisierenden Straße: „Dieses Projekt, DJ 608, hätte größere Wirkung, wenn nach der viel höheren Zahl der von dieser Kreisstraße bedienten Bewohner und nach der längeren Strecke des Wegs geurteilt wird.“

Das stimmt auch. Völlig. Nur: Der Kreisrat hatte in demokratischer Abstimmung anders entschieden und niemand hatte dessen Vorsitzenden das Recht zugestanden, nachträglich einzugreifen und einen Kreisratsbeschluss hinterhältig abzuändern. Senator Vela fordert nun „eine öffentliche Berichtigung des Fehltritts“. Ion Marcel Vela setzt sich nicht zum ersten Mal öffentlich für die Modernisierung der Kreisstraße DJ 684 ein und Hurduzeu hat dazu jedes Mal zustimmend genickt. Das Argument Velas ist hieb- und stichfest: Die Modernisierung dieser Kreisstraße wäre eine Öffnung im Norden des Banater Berglands, ein Zugang zum Poiana Ruscă-Gebirge und ins Marosch-Tal und der Schlüssel zur Erschließung des Nordteils des Banater Berglands, was auch einen Ausgleich in den Entwicklungschancen der Täler des Banater Berglands schaffen würde – hier konkret des Bistra-Tals, das ansonsten bloß eine der Durchfahrtstraßen nach Siebenbürgen ist.

In die Enge getrieben, bemüht sich Hurduzeu auch diesmal krampfhaft um Beschwichtigung: Das Vela so sehr am Herzen liegende Projekt sei nicht definitiv von der Prioritätenliste der zu modernisierenden Straßen gestrichen. Mit diesem Argument trat er auch jüngst auf der Tagung des Kreisrats auf, als das PNL-Mitglied Daniel Surdu ihn diesbezüglich befragte und von ihm eine Rechtfertigung für sein briefliches Vorgehen forderte. Hurduzeu verneinte vor den Kreisratsmitgliedern, dass er ein Ersetzen der Straße im Norden des Verwaltungskreises auf der Prioritätenliste gefordert habe, verneinte auch heftig, dass es den Brief Nr.5444/23.03.2017 überhaupt gäbe – jener, den Senator Vela öffentlich gemacht hat und dessen Kopien die Kreisratsmitglieder in den Händen hielten – und wo genau das drin steht, was er öffentlich verneinte, gefordert zu haben. Vela hatte den Brief in Faksimile auch an alle Medien verschickt, und darauf kann sehr klar die Unterschrift Hurduzeus identifiziert werden, was den Kreisratspräses auf der Kreisratstagung ziemlich jämmerlich dastehen ließ.

Vela: „Ein Angestellter des Kreisrats hat mir das Schreiben vom 23. März d. J. zugeschickt, durch welches der Kreisrat, durch seinen Vorsitzenden, von der Regionalentwicklungsagentur fordert, dass die Kreisstraße DJ 684 von der Prioritätenliste für Straßenmodernisierungen entfernt wird. Schwerwiegend ist, dass dieses Schreiben ohne Wissen der Kreisratsmitglieder abgesendet wurde. Und: Es ist vom Kreisratssekretär nicht gegengezeichnet – von dem, der die Legalität solcher Dokumente zertifizieren muss. Deshalb mein Glückwunsch an Kreisratssekretär Darian Ciobanu, dass er offensichtlich die Unterschrift auf dieses Papier verweigert hat. Unterzeichner sind nur der Herr Kreisratsvorsitzende und einer seiner Dienststellenleiter. Das finde ich sehr schlimm. Ein administrativer Fehler, der dringend ausgebügelt werden muss – auch wenn das nun fast unmöglich ist, weil die Prioritätenlisten bereits in Bukarest abgeschlossen wurden. Große Leistungen vollbracht hat die gegenwärtige Leitung des Kreisrats im abgelaufenen Jahr eigentlich nicht, aber wer hätte erwartet, dass sie auch noch zerstört, was irgendwie in Ordnung war?!“

Auffallend war aber auch, dass Senator Vela während seiner Pressekonferenz es peinlichst vermied, die PSD zu erwähnen: Es handele sich um einen persönlichen Fehltritt des Kreisratsvorsitzenden, suggerierte er, damit hätte die Partei, der dieser angehört, nichts zu tun. Vela unterstrich auch, dass selbst die PSD-Bürgermeister des Bistra-Tals von der Notwendigkeit der Modernisierung der DJ 684 überzeugt sind. „Einziger Grund für die Streichung der Straße von der Prioritätenliste kann sein, dass ich es war, der seine Priorisierung gefordert habe.“ Womit Vela selbst den Faux Pas Hurduzeus mit dem schon lange schwelenden persönlichen Konflikt zwischen den beiden Lokalpolitikern begründet.
Inzwischen versucht der Kreisratspräses ziemlich ungeschickt und für seine Verhältnisse auch recht chaotisch, zu beschwichtigen: „Im Augenblick ist die Kreisstraße DJ 684 noch auf der Prioritätenliste. Es gibt sowohl die Möglichkeit, dass sie dort bleibt, als auch jene, dass sie tiefer gerückt und hinten angestellt wird auf der Liste und durch eine andere Straße ersetzt wird. Änderungen können aber nur aufgrund einer Tagung des Verwaltungsrats der Agentur für Regionalentwicklung geschehen. Die gab es zwischendurch noch nicht. Wir haben ein Schreiben geschickt, in dem wir unseren Standpunkt dargelegt haben. Ein Schreiben kann eine Prioritätenliste nicht ändern. Dazu bedarf es der Abstimmung im Verwaltungsrat. Dazu reichen aber obskure Interessen des einen oder des anderen nicht, einen Weg durch die Berge zu haben. Die Analyse der Opportunität solcher Vorhaben ist viel komplexer. Als ich Kreisratspräses wurde, war die DJ 684 auf der Reserveliste. Danach wurde sie prioritär. Dazu haben wir Teile anderer, bereits als prioritär erklärter Straßen geopfert, um das Geld dazu zusammenzubekommen. Letztlich wird aber die Nationale Investitionsgesellschaft (CNI) entscheiden.“

Das Tüpfelchen auf das i setzte Hurduzeu allerdings in typischer PSD-Manier, indem er alles als eine Verschwörung darstellte: „Mir scheint, mit dieser Straße wird etwas ganz anderes verfolgt!“ Was – das dürfte PSD-Geheimnis sein.