„Hymnen in Siebenbürgen“ mitgesungen

Vortrag von Prof. Kurt Philippi ein besonderes kulturgeschichtliches Ereignis

Kurt Philippi präsentierte und sang auch zum Teil Hymnen in Siebenbürgen.

Die Klavierbegleitung des Vortrages besorgte Ursula Philippi.
Fotos: Lucia Sevestrean

Übersicht der von Kurt Philippi vorgestellten Hymnen im Siebenbürgen der letzten 200 Jahre.

Mirela Kulin sang die ungarische Hymne in ungarischer Sprache bei dem Vortrag.
Foto: Lucia Sevestrean

Als ein besonderes kulturgeschichtliches Ereignis ist der Vortrag, den Prof. Kurt Philippi über „Hymnen in Siebenbürgen“ am Dienstag, dem 5. April , im Festsaal des Kronstädter Forums gehalten hat, zu werten. Das zahlreiche Publikum, darunter auch mehrere Klassenkollegen des Musikers und Referenten, wurde von dem Vorsitzenden des Deutschen Kreisforums, Wolfgang Wittstock, herzlich begrüßt. Dabei betonte er auch, dass  Kurt Philippi  seinen musikalischen Werdegang in Kronstadt mit dem Kleinen Chor der Honterusschule eingeleitet hat, bevor er Mitte der 1980er Jahre nach Hermannstadt zog, wo er eine schöne Karriere  als Leiter des Bachchores, als Musikwart der Evangelischen Kirche A.B. verzeichnete.

Nach Antritt seines Ruhestandes kehrte er nach Kronstadt zurück, um da gemeinsam mit seiner Frau Ursula Philippi weiterhin zum Kulturleben wesentlich beizutragen. Der äußerst interessante Vortrag, bei dem Kurt Philippi es nicht scheute, manchmal sogar Gesangeinlagen als Solosänger zu bieten, am Klavier seine Gattin, die musikalischen Beispiele bot und Sohn Andreas Philippi  mit  Archivbildern und Tonaufnahmen den Vortrag illustrierte,  riss das Publikum regelrecht mit: es sang Teile jeweiliger Hymnen mit, gleich ob diese auf die Periode der österreichisch-ungarischen Monarchie, der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit, oder nach der politischen Wende von 1989 zurückgingen.

Eine Hymne ist  ein feierlicher, vor allem religiöser Gesang, betonte Philippi einführend, während  die  Nationalhymne  als musikalischer Ausdruck des National- und Staatsbewusstseins zu werten ist. Im Vortrag bezog er sich auf die Hymnen, die seit 200 Jahren im Umlauf in Siebenbürgen, abhängig auch von der staatlichen Zugehörigkeit, waren. Dabei ging er von  der  Hymne „Gott erhalte Franz den Kaiser“ aus - die Staatshymne von 1797 – 1867, als Siebenbürgen eine Provinz der Habsburgermonarchie war. Joseph Haydn vertonte den Text des Dichters  Lorenz Leopold Haschka, der vom Regierungspräsidenten Niederösterreichs bestellt worden war, und der bei den Bürgern Einigkeit und patriotische Begeisterung auslösen sollte.

Nach deren Vorführung im  Wiener Burgtheater in Anwesenheit  des Kaisers am 12. Februar 1797 wurde diese im ganzen Kaiserreich verbreitet, in die Sprachen dessen Völkerschaften – Ungarisch, Italienisch, Kroatisch, Rumänisch, Tschechisch, Slowenisch, Polnisch - aber auch ins Lateinische, Hebräische und Griechische übersetzt. Nach dem 1867 erfolgten österreichisch-ungarischen Ausgleich  hatten die Ungarn eine Hymne, die nach einem Gedicht von Ferenc Kölcsey, der dieses 1823 gedichtet hatte, angenommen und von 1867 bis 1920  zur  offiziellen Hymne wurde. „Aus den stürmischen Jahrhunderten des ungarischen Volkes“ (Isten áldd meg a magyart), von Ferenc Erkel vertont, und nun bei dem Vortrag gekonnt von Mirela Kulin ungarisch gesungen, war ein weiteres bezeichnendes Beispiel dieses Nachmittags.

Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Vertrag von Trianon von 1920, durch den Siebenbürgen an Rumänien fiel, wurde zur Landeshymne von Großrumänien die Melodie von Eduard Hübsch nach einem Text von Vasile Alecsandri, die königliche Hymne „Imnul regal român“, die erstmalig bei der Krönung des ersten rumänischen Königs Carol I. 1884 interpretiert wurde. Bekannt als „Trăiască regele“ (Es lebe der König) war diese bis 1947 im Umlauf, als König Mihai I. zum Abdanken gezwungen worden war. Die neuen Machthaber benötigten eine Hymne für die neugegründete Rumänische Volksrepublik.  Für diese lieferte Aurel Baranga den Text und Matei Socor besorgte die Vertonung. Als „Zdrobite cătuşe“ (Gesprengte Fesseln) wie diese genannt wurde, war sie bis 1953 gültig. Eugen Frunză und Dan Deşliu lieferten den Text für eine neue Hymne, und ebenfalls Matei Socor die Melodie für „Te slăvim Românie“ die  bis 1975 die Staatshymne bleiben sollte. Die deutsche Fassung, die in Lehrbüchern zu finden war, stammte von Alfred Margul Sperber. Diese wurde an alle Chöre und Blaskapellen geschickt, um bei offiziellen Gelegenheiten gespielt zu werden.

Eine neue Hymne wünschte sich Nicolae Ceauşescu, nachdem er auch zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Doch diese, bekannt als „Pe al nostru steag e scris unire“ (Auf unserer Flagge steht Vereinigung) von Ciprian Porumbescu hatte nicht ein langes Leben, nur bis 1977. Ab 1977 wurde ebenfalls von Ciprian Porumbescu als Staatshymne  „Trei culori cunosc pe lume“ (Drei Farben kenne ich in der Welt)  bestimmt und war bis zum Sturz des Diktators 1989 im Umlauf. Die nach der politischen Wende bestimmte Hymne „Deşteaptă-te române“ (Erwache Rumäne), die als solche in der Verfassung von 1991 festgeschrieben wurde,  hat ihren Ursprung in einem alten psalmischen Gesang.

Andrei Mureşanu hatte während der Revolution von 1848/1849 den Text gedichtet und war unter dem Titel „Un răsunet“ (Ein Echo) bekannt. Das Lied verbreitete sich sehr schnell auch jenseits der Karpaten, wurde im Unabhängigkeitskrieg von 1877 gesungen, aber auch bei der Arbeiterrevolte der Kronstädter Lastkraftwagenbauer, 1987. Hinzu kommt seit 2007, als Rumänien in die EU aufgenommen wurde, die Hymne der Europäischen Union „Ode an die Freude“ nach Friedrich Schiller und der Musik von Beethoven aus der 9. Sinfonie. Die EU-Hymne ersetzt keine der Nationalhymnen der Mitgliedstaaten.

Kurt Philippi  unterstrich, dass die kleineren Völker der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, die nie ein Staatsgebilde besaßen, wie die Szekler oder Sachsen, zwar eine Fahne, doch keine Hymne hatten, aber ihre Heimatlieder. „Siebenbürgen, Land des Segens“ ist, so wie die gegenwärtige Landeshymne, ebenfalls in Kronstadt entstanden. Leopold Moltke (Text) und Johann Lukas Hedwig (Melodie) haben sich möglicherweise mit Adrei Mureşanu  gekannt. Doch „dieses Lied unterscheidet sich in seiner Aussage ganz wesentlich von all den Hymnen, über die wir  gesprochen haben. Da ist nicht von einem Kaiser oder einem König die Rede, auch nicht von einem bestimmten Volke oder einer bestimmten Staatsform. Anders rauscht es in diesem Heimatlied...Sind in diesem Lied aus dem Jahr 1846 nicht die Werte vorweggenommen, auf die sich heute die Europäische Union gründet?“, schloss er seinen viel beachteten Vortrag, an dem die Zuhörer ihre wahre Freude hatten.