„Ich betrachte mich als Vertreterin einer pragmatischen Generation von rumänischen Diplomaten“

Gespräch mit der Botschafterin von Rumänien in Wien, Silvia Davidoiu

Seit 2009 vertritt Frau Silvia Davidoiu, geboren am 30. März 1967 in Bukarest, Rumänien als Botschafterin in Wien. Als Wirtschaftsfachfrau, Absolventin der Fakultät für Handelsbeziehungen der Wirtschaftsakademie Bukarest (1989) und nach einem Magisterstudium in Irland an der Limerick Universität (1992) war sie zwischen 2004 und 2008 schon Botschafterin von Rumänien in Irland. Die Diplomatin, die verheiratet ist und ein Kind hat, spricht mehrere Sprachen, ist belesen und sehr engagiert. Ihr ist es gelungen, die Botschaft in Wien salonfähig für Wirtschaftsbosse der namhaftesten österreichischen Investoren in Rumänien zu machen. Dem ADZ-Korrespondenten in Wien, Dr. Alex Todericiu, erlaubte sie einen Blick hinter die Kulissen und beantwortete auch Fragen zu ihrem Alltag und ihrer Position als erste Frau am Ruder der Botschaft in Österreich.

Am 19. Januar fand in den Räumlichkeiten der Botschaft ein Treffen verschiedener Vertreter der in Österreich ansässigen Auslandsrumänen mit einem Abgeordneten der in Rumänien regierenden PDL-Partei statt. Sollte die Veranstaltung in einer diplomatischen Vertretung der besseren Kommunikation unter den Teilnehmern dienen? War das der Grund, warum Sie zu diesem Treffen eingeladen haben?

Ich möchte am Anfang ein paar Bemerkungen zu dem Treffen machen, das zu vielen Beschuldigungen und Interpretationen geführt hat. Das Treffen zwischen den verschiedenen Vereinen der rumänischen Diaspora, Vertretern der Kirchen und Kulturvereine, Vertretern der Auslandsfilialen der rumänischen Parteien (der beiden Oppositionsparteien) und dem Abgeordneten William Brânză, hat am 19. Januar in der Botschaft in Wien stattgefunden. Der rumänische Abgeordnete hat den Dialog mit den anwesenden Vertretern ausschließlich – und ich unterstreiche das – als Vorsitzender des Ausschusses für die Auslandsrumänen in der Abgeordnetenkammer des Parlaments von Rumänien geführt. Die Botschaft hat das Treffen aus einem institutionellen Grund organisiert – auf eine offizielle Anfrage des Vorsitzenden eines parlamentarischen Ausschusses hin, und nicht eines Abgeordneten in seiner Eigenschaft als Vertreter einer politischen Partei.

Ich betone, dass die Botschaft von Rumänien in Wien neutral in der Beziehung zu allen politischen Parteien ist. Aber sie ist eine Institution, welche den rumänischen Staat vertritt. Sie hat auch zur Aufgabe, Forderungen rumänischer Beamter bezüglich der Erfüllung ihrer offiziellen Aufgaben zu unterstützen.
Die Anwesenden bei dem Treffen, und es waren ungefähr 30 Personen, die 12 verschiedene Vereine und Organisationen vertraten, können bestätigen, dass die Gespräche sich ausschließlich auf die Probleme der Rumänen in Österreich bezogen haben, auf Projekte im Kulturbereich und die Verbesserung des Rumänienbildes in Österreich.

Nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich leben Rumänen. Rumänische Studierende besuchen österreichische Universitäten. Finden die in Wien lebenden Rumänen oft den Weg in die Botschaft? Welche Ihrer Tätigkeiten sprechen besonders die Studierenden an?

Wir betreuen unsere Landsleute, die bei uns eine Lösung für vielfältige Probleme suchen. Die Mitglieder der rumänischen Gemeinschaft in Österreich wenden sich regelmäßig an die Konsularabteilung der Botschaft in Sachen konsularische Unterstützung. Aber mir ist klar, worauf sich Ihre Frage bezieht! Von unseren vielen Kooperationsformen mit Vertretern der Auslandsrumänen möchte ich vor allem unsere Zusammenarbeit mit dem Verein der Rumänischen Studierenden im Ausland, Filiale Österreich, erwähnen. Es handelt sich um eine Gruppe von sehr begabten und motivierten Studierenden, deren kulturelle und wissenschaftliche Projekte wir mit großer Begeisterung unterstützen. Wir sehen uns als Vermittler zwischen den Studierenden und den österreichischen Behörden: Wir haben die österreichischen Behörden auf verschiedene diskriminierende Gesetzgebungen aufmerksam gemacht, die die rumänischen Studierenden im Vergleich zu anderen EU-Studierenden benachteiligen.

Unsere Türen sind aber natürlich für alle Mitglieder der rumänischen Gemeinschaft in Österreich offen. Wir sind da, um zuzuhören, gemeinsam nach Lösungen für Probleme zu suchen sowie um Projekte zu betreuen und nach unseren Möglichkeiten zu unterstützen. Leider haben die negativen Wirtschaftsentwicklungen der letzten Jahre viele unserer Projektideen durchschnitten. Ich bin mir aber sicher, dass unsere Landsleute die Situation verstehen und uns auch in Zukunft nahe stehen werden.

Das „Gender Mainstreaming“ nimmt sich eine Änderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Sinne einer Gleichstellung von Mann und Frau vor. Vor Jahren fand im Österreichischen Institut für Internationale Politik ein Seminar mit dem Thema „Frauen in der Diplomatie – ist Diplomatie weiblich?“ statt. Sie sind die erste Frau im Amt der rumänischen Botschafterin nach der politischen Wende von 1989. Wie würden Sie diese Frage heute beantworten?

Tatsächlich bin ich die erste Frau, die in der Republik Österreich das Amt des rumänischen Botschafters bekleidet. Aber ich bin bei Weitem nicht die einzige Botschafterin im rumänischen diplomatischen Dienst. Persönlich habe ich keinen Zweifel daran, dass Vertreter beider Geschlechter für diesen Beruf bestens und genauso gut geeignet sind. Die wichtigsten Eigenschaften, die für die gute Ausübung dieser Funktion erforderlich sind, wie etwa Zuneigung zu dem Beruf, Geduld, Anpassungs- und Kommunikationsfähigkeit, sind keine geschlechtsspezifischen Merkmale. Die findet man sowohl bei Frauen, als auch bei Männern. Tatsache ist aber auch, dass wir Frauen die „Newcomerinnen“ in diesem Beruf sind, der lange Zeit nur von Männern ausgeübt wurde.

Viele Frauen bekleiden in Rumänien unter Staatspräsident Băsescu hohe politische Funktionen, sowohl in der Regierung, als auch im Parlament. Wie hoch ist der Frauenanteil unter den Angestellten des rumänischen Außenamtes (MAE)? Gibt es derzeit auch andere rumänische Botschafterinnen im Amt?

Es wurde öffentlich viel zu wenig darüber gesprochen, dass das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten von Rumänien mehrheitlich (über 50 Prozent) von Frauen besetzt ist. Das ist Resultat einer natürlichen Entwicklung, ohne dass positive Diskriminierungspolitiken durchgeführt wurden. Zurzeit haben wir etwa 15 Botschafterinnen, die als Karrierediplomatinnen ihre Berufung zu Missionschefinnen nach vielen Arbeitsjahren und „systematisch“ absolvierten Karrierestufen erworben haben. Ganz spontan, ohne dass ich jemanden absichtlich vergesse, möchte ich die folgenden Staaten erwähnen, in denen die diplomatische Vertretung von Rumänien durch Frauen gewährleistet wird: Kanada, die Tschechische Republik, Schweden, die Schweiz, Luxemburg, Mexiko, Argentinien, Indien, wie auch unsere ständigen Vertretungen bei der UNO (New York oder Genf) usw.

Beim Empfang in den historischen Prunksälen der alten Börse anlässlich des rumänischen Nationalfeiertages am 1. Dezember 2011 ist es Ihnen gelungen, Top-Vertreter aus der österreichischen Wirtschaft, dem Bankenwesen und der Politik als Gäste zu gewinnen. Die Geschäftsführer der namhaftesten österreichischen Investoren in Rumänien, wie z. B. die OMV, die Verbundgesellschaft oder die Raiffeisenbank waren dabei. Hochrangige Vertreter Österreichs waren nicht immer bei den öffentlichen Empfängen der rumänischen Botschaft in Wien anzutreffen. Der Qualitätssprung der öffentlichen Beziehungspflege auf diplomatischer Ebene ist erstaunlich, meinen viele der österreichischen Gäste. Was ist Ihr Erfolgsrezept? Was machen Sie anders als ihre Vorgänger?

Ich halte mich zurück, mit vergangenen Perioden Vergleiche zu ziehen, da die Zeiten verschieden waren, sie waren geprägt von einer anderen Dynamik. Ich betrachte mich als Vertreterin einer pragmatischen Generation von rumänischen Diplomaten, denen bewusst ist, dass die öffentliche globale Agenda heutzutage von der Verfolgung der wirtschaftlichen und finanziellen Interessen geprägt ist. Die moderne Diplomatie muss Wege finden, um sich an diese geänderte Realität anzupassen. Wie wahr diese  Feststellung ist, sieht man vor allem an der Intensität der rumänisch-österreichischen Beziehungen. Vom allerersten Tag meines Amtsantritts an war es mein persönliches Vorhaben, möglichst viele Vertreter der großen österreichischen Banken und Firmen, die in Rumänien tätig sind, kennen zu lernen, um dadurch eine ausgeglichene und pragmatische Basis für Gespräche sichern zu können.

Es ist meine Hoffnung und Überzeugung, dass es mir in den letzten drei Jahren gelungen ist, die Botschaft als ernsthaften Gesprächspartner vorzustellen. Weiterhin verfolgen wir mit größtem Engagement unsere Rolle als Vertretung der rumänischen Interessen in Österreich, wie auch als Drehscheibe für eine effiziente Kommunikation zwischen den Institutionen und den verschiedenen Partnern unserer Länder. In diesen letzten Jahren haben wir zahlreiche Veranstaltungen organisiert, deren Zielsetzung es war, Rumänien als Wirtschaftsstandort für zukünftige Investitionen zu präsentieren und dadurch Wirtschaftspartnerschaften zu fördern.
Es war mein Hauptanliegen, Rumänien im Fokus der wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Investoren zu behalten, als einen der attraktivsten regionalen Märkte, dessen Potenzial noch nicht ausgeschöpft wurde, ein Land, das verlässliche und ernsthafte Partner braucht, um sich entfalten zu können.

Inwiefern hat diese für Rumänien gewinnbringende Entwicklung der letzten Jahre auch mit der Beherrschung der deutschen Sprache durch Botschaftsvertreter und den Gepflogenheiten am Wiener Parkett zu tun? Wie helfen Ihnen dabei die Honorarkonsulate?

Die guten Deutschkenntnisse helfen uns sicherlich, besser mit unseren österreichischen Ansprechpartnern zu kommunizieren. Die Zusammenarbeit basiert aber nicht nur auf der Beherrschung der deutschen Sprache durch Botschaftsvertreter, sondern auch auf Flexibilität, Offenheit und Dialog.
Bezüglich der Beziehung zu den Honorarkonsuln von Rumänien in Österreich kann ich behaupten, dass wir eine gute Zusammenarbeit pflegen.

Wie sieht ein normaler Tagesablauf für Sie aus? Wie funktioniert bei Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Finden Sie noch genug Zeit für Ihre Tochter?

Ein normaler Arbeitstag fängt um 9 Uhr an, nachdem ich meine Tochter auf dem Weg zur Botschaft in den Kindergarten gebracht habe. Entsprechend der Tagesagenda nehme ich dann meinen ersten Termin wahr, schaue die Korrespondenzen durch oder verfolge die Titel der österreichischen und rumänischen Presse. Meistens habe ich mindestens einen Termin pro Tag und/oder eine Teilnahme an einer Konferenz/Seminar zur Außenpolitik oder Wirtschaft. Gewöhnlich finden diese Veranstaltungen am Abend statt, sodass ich gegen 21 Uhr wieder nachhause zurückkehre. Ich habe manchmal Gewissensbisse gegenüber meiner Tochter, da es mir so vorkommt, dass ich mehr Zeit mit ihr verbringen könnte. Aber ich versuche das am Wochenende oder so oft es möglich ist wieder gutzumachen.

Am 5. Januar 2012 feierten Sie das dreijährige Jubiläum Ihres Amtsantritts in Wien. Womit sind Sie als höchste diplomatische Vertreterin Rumäniens noch nicht zufrieden? Was macht Ihnen Kummer?

Ja, es ist schwer zu glauben, dass die Zeit seit meinem Amtsantritt so schnell vergangen ist, weil ich noch ein paar Zukunftspläne und Projekte im Visier habe, die ich noch nicht vollendet habe. Ich kann nicht behaupten, dass ich Gründe zur Unzufriedenheit habe, aber ich hätte mir gewünscht, dass Rumäniens Image in Österreich ein besseres wäre, als es heute ist – obwohl es nicht so negativ ist, wie noch vor einigen Jahren. Ich hätte gerne die Möglichkeit gehabt, mehrere große Kulturveranstaltungen zu organisieren, aber die finanzielle Lage hat es uns nicht ermöglicht.

Den Lesern des „Society“-Magazins gaben Sie am Jahresende 2011 interessante Meinungen preis und erlaubten sogar Einblicke in ihre Arbeitsräumlichkeiten in der Botschaftsresidenz in der Prinz Eugen-Straße. „Um die schwierigen Zeiten zu , sollte man an einem der EU-Grundwerte – der Solidarität – sehr festhalten“, werden Sie dort zitiert. Österreich wurde unlängst der „triple–A“-Status aberkannt. Das Engagement von Österreichs Banken und Finanzinstituten in Ost- und Mitteleuropa könnte daran Schuld sein, meinen Experten. Plant Rumänien, das von Ihnen sehr treffend erwähnte Gebot der Solidarität gegenüber österreichischen Investoren irgendwie zum Ausdruck zu bringen? Welche Schritte, eventuell auch auf Regierungsebene, sind zu erwarten?

Die Behauptung, die Sie aus dem „Society“-Magazin zitieren, habe ich vor einem „Spannungsmoment“ Anfang Dezember ausgesprochen. Damals hat die Österreichische Nationalbank den in Zentral- und Osteuropa engagierten österreichischen Großbanken empfohlen, die Kreditvergabe an den örtlichen Kapitaleinlagen zu orientieren und die lokale Refinanzierung zu stärken. Solidarität bedeutet, dass Partner untereinander sowohl in Boomphasen, als auch in schwierigen Zeiten zueinander stehen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich keine Tendenz seitens der österreichischen Partner bemerkt, ihre Präsenz in Rumänien zu reduzieren, und ich hoffe, dass das auch nicht passieren wird. Ein aktuelles Beispiel sind die Aussagen gegenüber dem Präsidenten von Rumänien der größten in Rumänien tätigen österreichischen Banken (Erste und Raiffeisen), dass sie ihr Engagement in Rumänien im selben Maß aufrecht erhalten werden.

Spätestens seitdem die Erste Bank AG die rumänische Handelsbank BCR übernommen hat, kann die österreichische Bundeshauptstadt nicht unpassend als „wirtschaftliche Hauptstadt Rumäniens“ bezeichnet werden. Sind Sie mit dieser Bewertung einverstanden?

Ich muss gestehen, dass ich nicht an diese Formulierung glaube, da sie nicht ganz der Realität entspricht. Mit meiner ganzen Achtung vor österreichischen Investoren, einschließlich der Erste Bank, die als enger Partner gilt, muss ich das etwas korrigieren. Ich würde Wien eher die „wirtschaftliche Partnerstadt Rumäniens“ nennen.