„Ich bin vom Donaubazillus infiziert“

Seit Wolfgang Limbert in Rente ist, hat er endlich Zeit für sein Lieblingsprojekt: die Donauraumstrategie

Wolfgang Limbert

Die Donau auf der Höhe von Sviniţa (Rumänien) am Eisernen Tor, vom Donauradweg aus betrachtet
Fotos: George Dumitriu

„Ein Freund sagt immer, ich sei vom Donaubazillus infiziert, der lässt einen nie wieder los”, schmunzelt der Mann mit dem Schnauzbart und gesteht: „Ich bin fasziniert von diesem Strom, der zehn Länder berührt. An der Donauraumstrategie sind mit den Zuflüssen 14 Länder beteiligt. Weder der Amazonas noch der Jangtse kann das bieten!” Der Busmotor brummt und im morgendlichen Nebel ziehen mit Herbstzeitlosen übersäte Wiesen vorbei. Keine Donau weit und breit - doch als Teil Rumäniens, das zweitgrößte Strom Europas durchfließt, gehört auch das Szeklerland im weitesten Sinne zum Donauraum...
 

Es war die vierte vom Departement für Interethnische Beziehungen an der rumänischen Regierung (DRI) organisierte Journalistenreise auf der Suche nach dem touristischen Potenzial der Minderheiten (siehe ADZ vom 22.10.2017: „Im Reich des Sternenprinzen Csaba“). Wolfgang Limbert begleitete die Gruppe zum ersten Mal. Der ehemalige Unternehmensberater will sich einsetzen für das vom DRI geplante und zu koordinierende Projekt, „Das Blaue Buch zur multikulturellen Identität an der Donau“. Darin sollen alle Minderheiten länderübergreifend vorgestellt und für den Tourismus erschlossen werden.

Erfahrung und Leidenschaft

Nach langjähriger Tätigkeit als Programmkoordinator für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung der deutschen GTZ (mittlerweile GIZ; Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) kennt der Baden-Württemberger Ost-europa und insbesondere Rumänien, nicht nur als Tourist. Acht Schwerpunkte aus Wirtschaft und Industrie gehörten 1994 zu seinem Kompetenzbereich, als es darum ging, Rumänien für den EU-Beitritt fit zu machen – darunter auch Tourismus. Investoren mussten angeworben, der Handel angekurbelt, mit der Weltbank über Privatisierung verhandelt und Schlüsselbranchen mit hohen Beschäftigungszahlen auf Vordermann gebracht werden. Limbert hat die Gründung des deutschen Wirtschaftsclubs miterlebt, für deutsche Investoren wie Continental oder Dräxlmaier Lobby gemacht, Unternehmen wie Metro oder Praktiker nach Rumänien gelockt, die den überteuerten Produkten der kleineren Handelsfirmen aus Nahmittelost Konkurrenz machen sollten – und weitere Retailer nachzogen. Wolfgang Limbert knüpfte Fäden, kennt Zusammenhänge, kann Geschichten erzählen...

Nach Rumänien wurde Serbien sein neues Einsatzfeld im Rahmen der GTZ. Heute ist er im Ruhestand und hat endlich Zeit für sein Lieblingsthema: die Donauraumstrategie. Als Mitglied im Rat der Donaustädte zum Thema Tourismus, als Redakteur der überregionalen Zeitschrift “Danube Connects” oder als einziges Nichtregierungsmitglied der EU-Arbeitsgruppe zur Donauraumstrategie im Prioritätsgebiet PA3 „Tourismus, Kultur und Kontakte zwischen den Menschen” kann er seine frühere berufliche Erfahrung einbringen und mit seiner Leidenschaft zu reisen verbinden.

Erste Partner

Als Limbert vom Projekt des DRI erfuhr, zeigte er sich sofort begeistert: “Wenn wir überzeugte Europäer sind, ist es wichtig, die Minderheiten und ihre Sprachen zu kennen, sie bei der Pflege ihres Brauchtums zu unterstützen und international bekannt zu machen.“ Und fügt an: „Das, was wir zum Beispiel jetzt im Szeklerland gesehen haben, kennt in Deutschland kein Mensch!” Umgehend ließ er seine Kontakte in sein letztes Einsatzland spielen: „Die autonome Provinz Voivodina – sechs Sprachen und mehrere Minderheiten – war sofort an einer Kooperation interessiert! Nun hat auch Rest-Serbien nachgezogen“, strahlt er. Außerdem sind Kroatien und Ungarn mit im Boot und von deutscher Seite die Europäische Donauakademie in Ulm - weitere Partner willkommen, auch wenn die Anzahl wegen des Verwaltungsaufwandes überschaubar bleiben soll.

Wichtig sind aber auch praktische Dinge: „Für dieses Projekt brauchen wir interaktive Karten, wo man sehen kann, wo ist welche Minderheit, was sind Gegebenheiten.“ Mit besonderer Leidenschaft erzählt er immer wieder von einem Projekt aus seiner Zeit in Serbien, dem Eurovelo-6 Donauradweg von der Quelle bis zum Schwarzen Meer. Viele Erfahrungen daraus lassen sich auch auf andere Bereiche der Tourismusentwicklung übertragen. Man musste Radwege und Schilder entwickeln, GPS-basiertes Kartenmaterial im richtigen Maßstab für Radfahrer erstellen, Pensionsbetreiber ausbilden, Werbung betreiben, Messen besuchen. Aber auch Synergieeffekte nutzen, etwa für Finanzierung und Wissenstransfer, und Ländergrenzen überwinden, denn darum geht es schließlich in der Do-nauraumstrategie.

Schlüsselelemente

Startpunkt für ein länderübergreifendes Tourismusprojekt ist die Bestandsaufnahme: „Da geht es darum, in den Ländern an der Donau die Minderheiten zu besuchen und ihre Spezifika zu erfassen, wie der DRI das derzeit macht“, meint Limbert. Welche Sehenswürdigkeiten gibt es, welche Events? „Wunderbar ist zum Beispiel das traditionelle Fischsuppenkochen an den ungarischen Donaustränden oder in Serbien” schwärmt er und erzählt von einem vom Rathaus Golubac koordinierten Wettbewerb, an dem jährlich ca. 60 Familien teilnehmen, die am Donaustrand kochen und grillen. „Ein malerisches Event!” Auch das jährliche „Fischsuppen-Festival“ im Donaudelta (ADZ vom 15.9.2013: „Mit Blende 8 auf Schlemmerkurs“), wo besonders viele Minderheiten leben, könnte entsprechend vermarktet werden.

Dann müssen Medienkonzepte erstellt und Termine rechtzeitig angekündigt werden, damit auch internationale Besucher kommen. „Es muss international bekannt gemacht werden, das ist ganz wichtig“, insistiert der Experte. „Für den Donauradweg haben wir jährlich sechs Konferenzen besucht.“

Ein weiterer, oft vernachlässigter Schlüsselfaktor ist eine professionelle Beschilderung. „In der Voivodina gibt es Weltkulturerbe – aber keine Schilder, oder nur auf Kyrillisch“, kritisiert er. Auch auf dem rumänischen Teil des Eurovelo-6, immerhin seit 2004 existent, gibt es bis heute keine Beschilderung. „Dabei ist vor allem die Strecke bis Or{ova zauberhaft und es gibt mittlerweile viele kleine Pensionen.“

Auch diese Region war 2016 Ziel einer Journalistenreise des DRI (ADZ vom 17.7.2016: „Auf den Spuren der Minderheiten an das Eiserne Tor“): Im Banater Bergland säumen malerische Dörfer, ethnische Enklaven mit tschechischer, serbischer und kroatischer Minderheit, das Donauufer. Doch was Infrastruktur betrifft, glänzt die serbische Donauseite: „Dort gab es enorme Investitionen, die Festung von Golubac, mit EU-Mitteln aufwändig ausgebaut, mit Anlegestelle für Schiffe und Tourismuszentrum. Oder Lepenski Vir mit einem modernen Museum zu den neolithischen Funden. Da tut sich was! Das vermisse ich auf der rumänischen Seite.“

Als Musterbeispiel für eine länderübergreifende Maßnahme erwähnt er ein Cross-Border-Projekt zwischen Rumänien und Bulgarien. Weil man festgestellt hatte, dass die überwältigende Mehrzahl der Fahrradtouristen zu den über 55-Jährigen gehört, die Natur und Kultur lieben, werden dort Elektrobikes angeboten, was dieser Altersgruppe hilft, sich zwischen den Sehenswürdigkeiten fortzubewegen.

Mit dem Fahrrad gegen Armut

Überhaupt seien Radfahrer als Touristen nicht zu unterschätzen, weiß Limbert aus der Arbeit am Eurovelo-Projekt. „In Serbien haben wir mittlerweile über 15.000 Radtouristen – und obwohl Rumänien leichtere und schönere Radwege hat, nutzt es diese Chance nicht!“ Der Radfahrer investiert pro Tag zwischen 70 und 100 Euro für Übernachtung und Verpflegung, erklärt der Experte. Der enorm gewachsene Kreuzfahrttourismus hingegen lässt kein Geld in der Region, weil die Leute auf dem Schiff essen und alles vorgebucht ist.
„Serbien hatte das ganz schnell begriffen“, fährt er fort. „Dort ist es gelungen, den Donauradweg nicht nur für einzelne Radler informativ aufzuarbeiten. Auf einer speziellen Webseite wurden sehr konkrete Informationen für Individualreisende und Kontaktadressen geboten sowie der Vorverkauf organisiert. „Allein in Dona Milanovac sind durch den Eurovelo-6 in kurzer Zeit an die 50 Pensionen aus dem Boden geschossen - mit Verdiensten von 3000 bis 8000 Euro pro Saison, was dort viel Geld ist“, fügt er an.

Die Donauregion in Südost-europa gehört zu der ärmsten mit der höchsten Rate an Migration, erklärt der ehemalige Unternehmensberater. Der Donauradweg oder auch andere Formen von Tourismus könnten hier enorm viel Abhilfe schaffen. „250.000 Radler befahren den Eurovelo-6 zwischen Passau und Wien. Doch die Donau endet ja nicht in Wien oder in Budapest, sondern im Schwarzen Meer. Warum sollten wir nicht mindestens 10 Prozent dorthin bringen?“ Sicher ließen sich auch die Minderheiten entlang der Donau hervorragend mit dem Rad oder sogar auf Schusters Rappen entdecken.

Synergieeffekte

Der Donauradweg ist nur ein Beispiel, wie Projekte länderübergreifend vernetzt werden können und Synergieeffekte liefern: Die Radler, die von Serbien begeistert sind, strampeln vielleicht weiter bis ans Schwarze Meer. Auch Erfahrung und Projektarbeit lässt sich teilen: „Wir haben damals Fachleute vom ADFC eingeladen, dem deutschen Radwegverband, die Radwegentwickler in Serbien und Bulgarien trainiert haben. Unseren Spezialisten aus Serbien haben wir dann nach Montenegro geschickt. Der hat dort mit den Montenegrinern erste Radwege entwickelt und denen alles beigebracht.“ In Kroatien hatte man sich an der Leiterin eines Fahrradvereins inspiriert, die ein Netz an Unterkünften, wo man Räder abstellen und abschließen kann, ins Leben gerufen hatte. In der Voivodina und Ostserbien teilte man sich die Kosten: „Die einen haben die Schilder entwickelt, die anderen die Dokumente für die Straßenverwaltung erstellt, wo man die Schilder aufstellen muss“, erzählt Limbert. „Und Serbien fand das so gut, dass man die Schilder später für das ganze Land übernommen hat.“

Vom Donaubazillus infiziert, hat sich der Deutsche auch noch mit dem Rumänien-Virus angesteckt: „Siebenbürgen, die Bukowina, die Maramuresch, das Delta oder die Walachei sind alle eine eigene Reise wert! Umso schöner, wenn man sie verbindet.“ Er erinnert an eine gelungene Tourismuswerbung vor Jahren, die erst diese Vielfalt betonte und dann den Bogen spannte. Slogan: „Das alles ist Rumänien!“ Der könnte auch für die Völkervielfalt entlang des großen Stroms angepasst werden: „Das alles ist die Donau!“