Ignoranz als nationaler Standard

Eine gesunde Gesellschaft verträgt Exzentrizität. Auch das provokante Nummernschild eines Fahrzeugs aus Schweden. Wenn repressive Institutionen deshalb eine Strafakte wegen Exzentrizität anlegen, sind sie Handlanger der Schuldigen an der Krankheit der Gesellschaft. Dann kommt es zu brutalen Ausfällen der repressiven Institutionen gegen friedliche Demonstranten, wie vergangenen Freitag.

Die Schwäche der „Diaspora“-Proteste, die seit Mai für den 10. August angekündigt waren, bestand in deren Organisations- und Führungslosigkeit, ja in der Feigheit der (selbsternannten?) Führer der rumänischen Diaspora. Sonst hätten sie die Provokateure isoliert, die sich unter sie gemischt hatten und die vermutlich auf den Zahlungslisten der PSD standen. Dass die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen, auf eine Autokratie der Straffälligen zusteuernde Parlaments- und Regierungsführung zu Ausschreitungen führen kann, war klar – daher der Zuspruch für die Demo und die Verbissenheit der Teilnehmer („Wir gehen erst, nachdem die gehen!“) – aber ebenso, dass klare Konzepte einer entschlossenen Führung nötig sind, um solcherlei Demos zum Dauererfolg zu bringen.

Die Erklärungen der Innenministerin Carmen Dan waren – wie immer – jämmerlich und stereotyp: Die Gendarmen seien herausgefordert worden und sie hätten „entsprechend” reagiert, verteidigte die Ministerin ihre Leute (reagiert hatten die Gendarmen auf ausdrückliche Order der Ad-Interim-Präfektin der Hauptstadt, Speranța Cliseriu, vor Kurzem noch persönliche Beraterin der Oberbürgermeisterin von Bukarest, Gabriela Firea). Wir haben es auch im Fall der Hauptstadtpräfektin mit jemand zu tun, die aus dem Nichts des PSD-Reservoirs kommt und in Positionen sitzt, die ihre Fähigkeiten überschreiten. Genau wie Innenministerin Carmen Dan. Die kam aus dem teleormanschen Nichts des PSD-Chefs Dragnea, dient diesem untertänigst und vertritt auf dem wichtigen Posten des Innenministers eine dem Parteichef total unterwürfige Position. In jedem sich ernst nehmenden Staat wäre sie bereits im Februar 2017 gefeuert worden, als sie, ignorant und stupide, mit einer Liste von Journalisten an die Öffentlichkeit trat, die schuld seien an den Protesten gegen die Eilverordnung der Regierung Nr. 13 (des genauso stupiden damaligen Justizministers Florin Iordache), ein offensichtlicher Versuch der Knebelung des freien Wortes. Dieselbe Carmen Dan brachte mit Hilfe ihres Schöpfers und Beschirmers, Daddy Dragnea, die Tudose-Regierung zu Fall, indem sie sich weigerte, eine Verordnung des Premierministers ihrer Regierung umzusetzen.

Es bleibt das Geheimnis der PSD, wie Personen des Schlags einer Carmen Dan oder Speran]a Cliseriu in höchste Ämter gelangen, ohne vorher auch nur die geringste Beschäftigung mit der Thematik ihres verantwortungsvollen Amtes oder irgendeine Eignung dafür gezeigt zu haben. So wie diese Leute sind, so funktioniert der Staat, den sie führen: amateurhaft, schlecht, devot im Angesicht einer Führung, die andere Ziele verfolgt als das Wohl des Landes. Was das das Land kostet – mal abgesehen vom innen- und außenpolitischen Imageschaden – kümmert keinen.

Diese Personen sind ein Ausdruck des Zynismus der Politiker, die Demokratie mimen und jede Legitimität durch Ignoranz pervertieren. So kommt es, dass das Zitieren der Versprecher und der Bildungslücken der Premierministerin Vasilica Dăncilă zum Volkssport wurde, dass sich die Botschaft Russlands öffentlich freut, wenn „der Verteidigungsminister endlich die Wahrheit über die amerikanische Raketenbasis Deveselu” („ballistische Raketen”, statt Abfangraketen) sagt, wenn die Bildungsminister öffentliche Erklärungen in fehlerhaftem Rumänisch abgeben.
Nur: Sich darüber amüsieren ist gut. Dagegen öffentlich protestieren ist besser.
Sonst glauben die noch, ihre Dummheit ist nationaler Standard.