Im Gespräch: Verkehrsader in die Obere Vorstadt

Stadtplan Kronstadts von 1702. Ersichtlich sind die Wehranlagen, welche die Stadt umgeben, deren Errichtung nach und nach erfolgte. Kaiser Sigismund von Luxemburg war einer der Befürworter und Unterstützer des Baues dieser Anlagen.

Über Jahrhunderte war sie geschützt, seitlich von mehr oder weniger steilen Berghängen, nach Osten hin von der Inneren Stadt. Es handelt sich um die Obere Vorstadt oder Şchei-Viertel, der malerische Stadtteil, der eine neue Zufahrt bekommen soll, weil die vorhandenen nicht mehr ausreichen. Diese soll, laut einer Initiative des Bürgermeisteramts, in etwa von der  Kreisbibliothek zu der Geburtenklinik, entlang der Graft führen. Auf Antrag des Bürgermeisteramtes wurde von dem Kulturminister dafür eine Zusage für die Planung (NICHT Ausführung!) einer Trasse von 220 Meter, davon 80 und 62 Metern in Tunnels erteilt. Unter strengen Auflagen: eine topografische Erfassung des Geländes, eine geotechnische Studie des Berghangs sowie eine Statik-Studie, da sich über der Tunneltrasse zwei Wehrtürme befinden. Demnach ist der jetzige Stand nur ein Lösungsvorschlag, ohne Ausführungs- und Machbarkeitsstudie, ohne Ausführungsplan und ohne Kostenberechnung, geschweige denn Vorhandensein der Finanzierungsmittel. 

Die Idee, die Verbindungsstraße in dieser Form entlang der Graft anzulegen, wird hauptsächlich von den Vertretern des Bürgermeisteramts verteidigt und von einem erheblichen Anteil der Bürger zurückgewiesen. Das alleine wirft schon die Frage auf, wer eigentlich die Verbindungsstraße wünscht: die Stadtverwaltung oder die Bürger.

Erklärtes Ziel des Projektes ist die Entlastung des Fahrzeugverkehrs vor allem in der Klostergasse, die Hauptverkehrsader, welche in die und aus der Oberen Vorstadt führt bzw. kommt. Beide Straßen in der Inneren Stadt haben ihre Belastbarkeitsgrenze erreicht. Angelegt wurden beide jedoch nicht, um die Verbindung zur Oberen Vorstadt herzustellen. Diese Funktion ergab sich durch die Stadtentwicklung, insbesondere jene der Oberen Vorstadt welche ausschließlich Wohnviertel ist und nur um den Angerplatz von  Touristen besucht wird. Doch diese Ausbreitung der Oberen Vorstadt erfolgt zuzeit in mehrere Richtungen für welche die vorgeschlagene Lösung gar nichts oder sehr wenig bringt. Denn anstelle den Zugang irgendwo in die Mitte der Oberen Vorstadt anzulegen, würde die Zufahrt entlang der Graft den Verkehrsstau aus der Klostergasse an das obere Ende des Rossmarkts verlegen.

Zeitgleich mit dem Tauziehen um das Projekt „Graft Zufahrt“, ist in dem Bereich der Neubauten, die zwischen der Oberen Vorstadt und der Straße in die Schulerau entstanden sind, ein neues Straßennetz entstanden. Zum Teil als Verbindung zwischen vorhandenen älteren Straßen, zum anderen Teil vollständig neu angelegt. Das Anlegen einer zweispurigen Verbindung zwischen der Straße in die Schulerau und der Oberen Vorstadt wäre in diesem Entwicklungsstadium des Viertels sinnvoller als die ominösen Tunnels entlang der Graft.

Was beim Bau der Verbindung entlang der Graft verloren ging, fasste Thomas [indilariu, Vorsitzender des Lokalforums Kronstadt, bei einer Pressekonferenz ironisch zusammen: „Der Kronstädter Stadtrat bemüht sich seit mehreren Jahren um eine lobenswerte Städtepartnerschaft mit Nürnberg. Was verbindet Kronstadt mit Nürnberg? Na, die Persönlichkeit von Kaiser Sigismund von Luxemburg, derjenige, welcher fast zeitgleich Wehranlagen für Nürnberg und Kronstadt ausbauen ließ. Von denen unserer Stadt stehen heute die Stadtmauern entlang der Zinne und die entlang der Graft. Verbrüdern wir uns also indem wir ein Erbe dessen, der uns auf diese Weise verbunden hat, zerstören?“

Thomas [indilariu wiederholte auch die Ankündigung für die Initiative des Lokalforums Kronstadt, am 28. April, um 18 Uhr, beim Forumssitz (Schützenwiesengasse/Baiulescu-Str. 2 eine öffentliche Debatte zu diesem Thema zu veranstalten  – eine Diskussion, zu welcher vor allem die Bewohner der Oberen Vorstadt, als „Hauptinteressenten“ des Projekts geladen sind.