Im Himmelbett unter der Hohen Pforte

Schloss Daniel in Tălișoara: Urlaub machen wie ein Szeklerfürst

Das Schlösschen in Tălișoara mit riesigem Garten – selbst bei Schmuddelwetter ein aparter Anblick
Fotos: George Dumitriu

Schlossherrin Lilla Rácz führt Besucher durch die Geschichte des alten Gemäuers. Hier: Tafeln mit historischem Abriss im Flur.

Zahlreiche Wandmalereien in Secco-Technik sind erhalten geblieben

Rustikal trifft edel: Alte Bausubstanz wurde für das Innendesign wiederverwertet und mit modernen Materialien ergänzt.

In einer Nische steht eine weiße Wanne auf metallenen Löwenfüßen. Der Wasserhahn hängt am knorrigen Baumstamm. Ein Badezimmer? Mitnichten. An den Wänden sind Reste einer historischen, einst bunten Secco-Malerei zu erkennen. Über die Zeit sind nur die stärksten Farben erhalten geblieben. Die Szene beschreibt die Aufwartung des Szeklerfürsten Mihály Daniel an der Hohen Pforte: Truhen voller Geldsäcke, Pferde, der Abgesandte Siebenbürgens vor dem Sultan, in der Ferne die Türme von Konstantinopel. Dies alles kann man sich von der Badwanne aus ansehen. Oder aus dem Bett.

Ob die historische Szene der Tributzahlung an das Osmanische Reich süße Träume beschert, wird sich zeigen. Man kann es ausprobieren: Das Konstantinopel-Zimmer ist nur eines von acht Gästezimmern des Daniel-Schlosses in Tălișoara (Covasna). Doch vorher muss man einige Lektionen Geschichte über sich ergehen lassen...
Lilla Rácz, die junge Schlossherrin in Jeans und Steppjacke, führt durch sämtliche Räume. Erzählt von der Idee, dieses eher wie ein Herrenhaus wirkende Schlösschen – immerhin ein A-Klasse Baudenkmal – restaurieren und als touristische Unterkunft einrichten zu lassen. In jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken: hier ein altmodischer Kinderwagen, dort ein uralter Lederschuh, der wie vergessen auf einem Original-Gewölbebogen liegt. Man kann darüber hinweg laufen und durch die Glasbrücke einen Blick in den Keller wagen, wo sich Marmeladengläser türmen. Historische? Nein, die nicht.

Vom Tor-Zimmer zum roten Salon

Antik küsst modern. Genau dies ist der Charme des Hauses, doch stets mit erkennbarer Abgrenzung. Das Tor-Zimmer – so benannt, weil sich dort die alte Wageneinfahrt befand, betritt man über einen glasbedeckten Sandkasten, in dem wie verloren Kachelscherben und mit Ornamenten verzierte Steinsäulenfragmente liegen. Weil die Originalmöbel des Schlosses nicht erhalten geblieben sind, wurde die Einrichtung aus bei der Restaurierung entfernter, alter Bausubstanz realisiert, ergänzt mit modernen Materialien: ein grob behauener Holzblock als Fuß für den Glastisch, den Spiegel rahmen rustikale Balken. Im Schwanen-Zimmer lädt ein massives Himmelbett mit karminroter Matratze und beige verschleiertem Holzbaldachin zur Ruhe ein. Erholung von den purpurnen Wänden bietet die mit himmelblauen floralen Motiven übersäte Kassettendecke aus hellem Holz. Dem Renaissance-Stil nachempfunden, wurde sie zusammen mit Kindern eines Kunstlyzeums entworfen. Jedes der Zimmer ist ein Unikat, hat seine eigene Geschichte, betont Lilla Rácz.

Über den Flur mit Wandmalereien aus dem Leben der adligen Szeklerfamilie, die das heutige Hotelschloss einst bewohnte, gelangt man in Küche und Speisesaal. Dort duftet es verführerisch. Gleich gibt es Essen!

Erster Gang: Geschichte

Doch das will verdient sein! Wer in einem „Museum“ einkehrt, bekommt als Vorspeise Historiensuppe mit Kulturerbe-Klößchen. Der Magen muss warten, während erst Augen und Ohren schmausen. So hören wir, dass es noch ein weiteres Daniel-Schloss im Nachbarort Vârghiș gibt – das eigentliche, erste Wohnschloss der Familie, die auf Mihály Daniel zurückgeht, dem Verwalter der Drei Stühle (ungarisch: szek). So bezeichnete man die Gerichts- und Gebietskörperschaften der Szekler, die sich bis zum 14. Jahrhundert herausgebildet hatten und weitreichend Autonomie genossen. 1622 ernannte Graf Gábor Bethlen ihn zum obersten königlichen Richter der Drei Stühle. 1625 steigt er dann zum Seneschall der Fürstin Katharina von Brandenburg, Ehefrau von Gábor Bethlen, auf. 1638 wird er mit der Leitung einer Delegation für die jährlichen Tributzahlungen an die Hohe Pforte betraut, wie im Konstantinopel-Zimmer festgehalten.

Weil Mihály Daniel zwei Söhne hatte, musste der Familienbesitz geteilt werden, der jüngere János erhielt die Ländereien in Tălișoara. Auch er bekleidete das Amt des obersten Richters und galt als bekannter Diplomat der Fürstenfamilie Racoczi. János Daniel starb 1654 und hinterließ drei Söhne, Mihály, Ferenc und Peter.
Bei der Aufteilung des Erbes erhielt Mihály das noch im Bau befindliche Schloss und begann sogleich mit dessen Erweiterung. Sein gruseliges Familienwappen, ein Schwan mit durchbohrtem Hals, ziert noch heute die Außenmauer. Die Initialen darin verweisen auf den Schlossherrn und dessen Gemahlin, Judit Haller, deren Mitgift den Ausbau erst erlaubte.

Im Rahmen der Restaurierung stellte sich heraus, dass der Längsflügel des Baus als einziger, riesiger Ballsaal mit bemalten Wänden gedacht war, erzählt Lilla Rácz. Die einzelnen Szenen, in Fragmenten erhalten, stellen Details aus dem Leben der Familie Daniel dar. Etwa der Menschenzug, der die Reise von Fürst János nach Europa beschreibt, wo er für den Prinzen Sigismund Rácóczi eine Braut aus würdigem Hause suchen sollte. Die Anforderungen waren in einer langen Liste festgehalten: protestantisch sollte sie sein, Kunst, Sprachen und Musik beherrschen. Erst ganz am Ende war angefügt: auch dem Auge soll sie nicht allzu unangenehm sein. Die Wahl fiel auf Henriette Marie von der Pfalz.

„Komm, wir kaufen uns ein Schloss!“

Nach mehreren Generationen verkaufte das letzte Mitglied der Familie, Gábor Daniel, im 20. Jh das Schloss an Lokalbewohner in Tălișoara. Kurz darauf wurde es nationalisiert und fungierte zur Zeit des Kommunismus als Lager, Kindergarten, Milchsammelstelle und Sitz der Genossenschaft. Nachdem es 20 Jahre lang durch das defekte Dach geregnet hatte, wurden 1988 notdürftige Reparaturen vorgenommen. Nach 1989 wurde das Schloss rückerstattet, in stark degradiertem Zustand, doch nutzbar. Die Besitzer verkauften es 2008 an Lilla und Attila Rácz, die es 2011 mit EU-Fonds restaurierten und 2014 für den Tourismus öffneten.
„Wir hatten 120.000 Euro und überlegten, ob wir uns in Bukarest eine Wohnung kaufen sollten. Dann sahen wir die Anzeige: 120.000 Euro für ein Schloss in T˛li{oara - derselbe Preis wie für ein Appartment in Floreasca“, erzählt die junge Schlossherrin. „Wir schauten beide Anzeigen an. Was sollten wir nehmen? Dann sagte ich: Komm, wir kaufen uns ein Schloss!“

Schließlich kommen wir doch in den Genuss der fürstlichen Küche: traditionelle Gerichte, modern inspiriert, lecker. Während einer aus unserer Gruppe schon seinen Urlaub bucht, drängt unser Zeitplan zur Weiterfahrt. Was man im abgelegenen T˛li{oara alles unternehmen kann – Wandern und Radfahren, Kirchen und Herrenhäuser, Kohlenmeiler oder eine alte Schmiede besichtigen, an kreativen Workshops oder Offroad-Touren teilnehmen – verrät die Webseite des Daniel Schlosses auf www.danielcastle.ro.