Im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen

Vertreter von MIDAS-Tageszeitungen kamen in Brüssel zusammen

Bei der MIDAS-Preisverleihung in Eupen: die schwedische Abgeordnete Walburga Habsburg-Douglas, die Preisträgerin Dolors Altarriba von der katalanischen Tageszeitung „El9Nou“ und der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, Karl Heinz Lambertz

Ganz auf die am 25. Mai anstehenden Europawahlen war die diesjährige Generalversammlung der Mitglieder der Europäischen Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (MIDAS) ausgerichtet. Folgerichtig fand sie in diesem Jahr in Brüssel statt, und zwar versammelten sich die Journalisten im Europa-Viertel in unmittelbarer Nähe von Europarat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament. Die dreitägige Veranstaltung fand im Gebäude der Europaregion Nordtirol-Südtirol-Trentino statt, deren Direktorin Vesna Caminades die Gäste willkommen hieß. In ihren Begrüßungsworten bezog sich die Präsidentin von MIDAS, Edita Slezakova, auf das Projekt „Citoyen – European Citizen Corner“, welches MIDAS in Kooperation mit dem Europäischen Parlament und mit Unterstützung der Europäischen Akademie in Bozen (EURAC) durchgeführt hat. Mehrere Monate verfassten sieben MIDAS-Mitglieder regelmäßig Berichte zur Europäischen Union und leisteten in ihren Publikationen wichtige Aufklärungsarbeiten für Minderheitenangehörige in ihren jeweiligen Sprachen. Die Ergebnisse von EU-Quiz, Umfragen und Interviews werden dem Europäischen Parlament als Grundlage für künftige Kommunikationsstrategien dienen, erläutert Günther Rautz, Generalsekretär von MIDAS.

Im Zusammenhang mit diesem Projekt stand auch der MIDAS-Journalismus-Preis. Der mit 1000 Euro dotierte Preis ging an die Katalanin Dolors Altarriba von der Zeitung „El9Nou“ aufgrund ihrer fundierten Berichterstattung im Rahmen des Projekts „Citoyen – European Citizen Corner“. Hingegen wurde der von Otto von Habsburg gestiftete und ebenfalls jährlich von MIDAS vergebene Preis der französischen Journalistin Laure Equy von „Libération“ zugesprochen. Sie setzt sich in ihren Artikeln für die Unterstützung der Lokalsprachen in Frankreich ein, das die ethnischen Minderheiten nicht anerkennt und weder das Rahmenabkommen zum Schutz der Minderheiten noch die Sprachencharta ratifiziert hat. Walburga Habsburg-Douglas konnte der Siegerin den Preis leider nicht persönlich übergeben, weil diese aus gesundheitlichen Gründen an der Veranstaltung nicht teilgenommen hat, doch nahm die Abgeordnete im schwedischen Parlament die Gelegenheit wahr, in bewegenden Worten an ihren Vater Otto von Habsburg zu erinnern. Sicherlich stand auch die Frage im Raum, wie das nächste Europaparlament aussehen wird. Darauf versuchte Philipp Schulmeister, Berater im Kabinett des Generalsekretärs des Europaparlaments, eine kompetente Antwort zu geben.

Interessant für Journalisten, die von Tageszeitungen in Minderheitensprachen kommen, ist sicherlich die Sprachsituation in Belgien. Zu diesem Thema sprach Johan Häggman, Informations- und Kommunikationsleiter, Teamkoordinator für mehrsprachige Veranstaltungen bei der Europäischen Kommission. Die Mehrsprachigkeit in Belgien ist nicht unproblematisch. Bekannt ist der anhaltende Konflikt zwischen den zwei großen Bevölkerungsgruppen – den Flamen und den Wallonen, manchmal wird gar von der Trennung zwischen Flandern und Wallonien gesprochen. Belgien ist heute ein Bundesstaat, bestehend aus je drei Regionen und Gemeinschaften: die Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt sowie die flämische, französische und deutschsprachige Gemeinschaft. Die Sprachgemeinschaften decken sich nicht mit den Regionen, sie sind überregional. In ihre Kompetenz fällt etwa das Bildungswesen und auch das Gesundheitswesen. Auch Wahlen erfolgen aufgrund von Sprachgemeinschaften. Die Mehrheit stellt die flämische Bevölkerung, allerdings entschieden nicht im französisch geprägten Brüssel, das – um die Situation zu komplizieren – in Flandern liegt. Um dem Sprachenstreit in Brüssel die Spitze zu nehmen, ist im öffentlichen Raum Zweisprachigkeit oberstes Gebot. Das Flämische wird über die Sprachgemeinschaft kräftig unterstützt, u. a. erhalten Lehrer an flämischen Schulen in Brüssel ein höheres Gehalt.

Wenn es um Johan Häggman geht, wird Belgien nicht in das flämischsprachige Flandern und das französischsprachige Wallonien zerfallen, ein guter Grund dafür ist die Hauptstadt Brüssel, die als Sitz der wichtigsten Institutionen der Europäischen Union und der Nato auch als wirtschaftlicher Faktor nicht zu unterschätzen ist. Hingegen fallen nach EU-Standpunkt Bildung, Kultur und Sprachpolitik in die Kompetenz der Mitgliedstaaten. Das hat zur Folge, dass manche EU-Staaten Minderheiten nicht anerkennen. Und selbst die neu entwickelten EU-Programme fördern die Minderheitensprachen nicht und konzentrieren sich auf die fünf großen Srachen Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch, betont Johan Häggman. Die deutsche Sprachgemeinschaft mit etwa 77.000 Mitgliedern lebt in einem geschlossenen Siedlungsgebiet im Osten des Landes, an der Grenze zu Deutschland. In Eupen, dem Hauptort, tagt ein eigenes Parlament, es gibt eine eigene Regierung. Die Vertreter der MIDAS-Zeitungen ließen es sich nicht nehmen, der deutschen Minderheit einen Besuch abzustatten, sie besuchten die Tageszeitung „Grenzecho“ und wurden vom Ministerpräsidenten Karl Heinz Lambertz empfangen. Beim Regierungssitz der Deutschsprachigen Gemeinschaft von Belgien fand auch die feierliche Überreichung der Preise statt.

Die MIDAS-Generalversammlung war, wie üblich, auch eine Gelegenheit, sich über neue Entwicklungen im Zeitungswesen allgemein und bei den 25 von der Vereinigung vertreten Publikationen im Besonderen auszutauschen. Der Schwerpunkt fiel auf innovative Online-Redaktionssysteme, die dem Leser die Inhalte der Zeitung als Ergänzung zur gedruckten Ausgabe in unterschiedlichen elektronischen Formaten anbietet.