Im rumänisch-deutschen Kulturraum

Zur Tagung der Hermannstädter Germanistikabteilung in Kooperation mit dem IKGS

Nora Iuga, Dr. Maria Sass, Dr. Peter Motzan, William Totok, Ernest Wichner und Dr. Maria Trappen (v. l.) gehörten zu den Teilnehmern an der Tagung in Hermannstadt.
Foto: Hannelore Baier

„Das Thema lag regelrecht in der Luft. Die Begegnungen im deutsch-rumänischen Kulturraum sind stark von den Übersetzern geprägt worden und die rumäniendeutschen Schriftsteller haben einen wichtigen Beitrag zur Rezeption der rumänische Literatur geleistet“, sagte Dr. Stefan Sienerth, der Direktor des Instituts für  deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS). Die Einrichtung an der Ludwig-Maximilians-Universität München war Partnerin der Germanistik-Abteilung an der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt/Sibiu bei der Tagung „Schriftsteller versus Übersetzer. Begegnungen im deutsch-rumänischen Kulturfeld“, die am 24. und 25. Mai stattgefunden hat.

Einen Forschungsschwerpunkt der Hermannstädter Germanistik stellt die Interkulturalität in der Literatur und der Sprache dar, aber auch die deutsch-rumänischen Begegnungen, sagte Dr. Maria Sass, die Direktorin des Departements für Anglo-Amerikanische und Germanistische Studien der Lucian-Blaga-Uni. Ein Treffen von Dichtern und Schriftstellern mit ihren Übersetzern und darüber hinaus das Übersetzen als Forschungsgegenstand war also ein naheliegendes Tagungsthema. Dass gleich mehrere der namhaftesten Literaten und Übersetzer des deutsch-rumänischen und rumäniendeutschen Raumes für die Tagung gewonnen werden konnten, machte die Veranstaltung besonders interessant und gehaltvoll. Ko-Organisatorin Dr. Sass meinte in ihrem Schlusswort gar, es sei die gelungenste der drei mit dem IKGS gemeinsam organisierten Veranstaltungen gewesen.

Für Laien – und solche wohnten der Tagung leider wenige bei – mögen die zweisprachigen Lesungen den Attraktionspunkt dargestellt haben. Geboten wurden derer am Freitagabend und am Samstagnachmittag jeweils zwei: Nora Iuga und Joachim Wittstock lasen aus ihren Werken und den Übersetzungen der/des anderen und sodann stellte Dr. Maria Trappen Franz Hodjak vor, der aus seinen Gedichten vortrug, während Dr. Trappen die von mehreren Übersetzern verfasste rumänische Version las. Ursprünglich sollte Georg Aescht, der Übersetzer von Filip Florian, zur Tagung kommen, da dies jedoch nicht möglich war, las Dr. Rodica Miclea die von Aescht verfasste Übertragung aus Florians letztem Roman „Alle Eulen“ (Toate bufniţele) vor, dem Beststeller in der Kategorie Belletristik der Bukarester Buchmesse 2012. Zuvor hatte sie den Autor anhand seines eigenen Textes „Mein Leben auf knapp eineinviertel Seiten“ vorgestellt. Aus der Werkstatt der Hermannstädter Germanistik entstammt ein Buch mit Übersetzungen von Joachim Wittstock ins Rumänische, nun entsteht unter Federführung von Dr. Nora Căpăţână ein Band mit Übertragungen von Gedichten des Hermannstädters Radu Vancu aus dem Rumänischen. Vancu las sie im Original und Dr. Căpăţână in Deutsch.        

Aus der Geschichte der Übersetzungen von rumänischen Texten ins Deutsche und dem Literaturbetrieb im kommunistischen Rumänien plauderte Dr. Peter Motzan in seinem Vortrag mit dem Titel „Zwischen Kür und Pflichtübung, Freundschaftsdienst und Opportunismus“, in dem er auf die Präsenz der rumänischen Gegenwartsliteratur in der 1949 gegründeten Zeitschrift „Banater Schrifttum“, die ab 1956 unter dem Namen „Neue Literatur“ erschien, einging. Ihre Legitimationsbasis hatte sie im „Brücken-Standort einer deutschen Literaturzeitschrift im rumänischen Sprachraum“, deren wesentliche Aufgaben darin bestanden, der deutschsprachigen Literatur des Landes Gehör im Land und im binnendeutschen Raum zu verschaffen, durch gediegene Übersetzungen dem deutschen Leser und Wissenschaftler die rumänische Literatur zu erschließen und den deutschen Lesern in Rumänien Zugang zum literarischen Geschehen allgemein zu ermöglichen. Die Tatsache, dass die meisten der rumäniendeutschen Schriftsteller nach Deutschland ausgereist sind, hat jedoch auch dazu beigetragen, dass niemals vorher im deutschen Sprachraum und in keinem anderen westeuropäischen Kulturbetrieb „ein so zahlreiches und kompaktes Team von Vermittlern, von Schriftstellern und Kritikern, von profunden Kennern der rumänischen Sprache und Kultur wirkte ...“, zitierte Dr. Motzan den Schriftsteller Alfred Kittner und den Jassyer Germanisten Andrei Corbea. 

Die Reihe der insgesamt 15 Vorträge, die bei der Tagung von Referenten aus Deutschland und Rumänien gehalten wurden, leitete Prof. Dr. Jürgen Lehmann (Erlangen-Nürnberg) mit einem Grundsatzreferat zur Theorie und Geschichte der literarischen Übersetzungen ein. Die wissenschaftlichen Beiträge beinhalteten sowohl Einblicke in Übersetzer-Werkstätten als auch in die dank Übersetzung vermittelte Rezeption von rumänischen Dichtern im deutschsprachigen Raum. Einen Vergleich zwischen drei jüdischen Schriftstellern aus Mittelosteuropa – Franz Kafka, Bruno Schulz und Max Blecher – zog Ernest Wichner und bot einen Blick über den deutsch-rumänischen Tellerrand. Von der Securitate erarbeitete Unterlagen stellten den Ausgangspunkt für zwei mit Spannung verfolgte Vorträge dar: Der Sprache der Akten widmete sich William Totok, der aber auch auf neuere Forschungsergebnisse einging und vor kurzschlüssigen Folgerungen aus den Akten warnte. Dr. Stefan Sienerth teilte erste Betrachtungen aus der Securitate-Akte des Schriftstellers und Übersetzers Harald Krasser mit, der mit auf der Liste der im Schriftsteller-Prozess verurteilten Autoren gestanden hatte, in Untersuchungshaft gesessen war, jedoch nicht verurteilt wurde.