Internationalisierung der Universitäten ist gefordert

ADZ-Gespräch mit dem Rektor der Universität Bukarest, Mircea Dumitru

Der Rektor der Universität Bukarest, Mircea Dumitru, nahm im Juli an einer Rektorenkonferenz in Hamburg teil. Für ihn ist die Einbindung des rumänischen Hochschulsystems in die internationalen Strukturen der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem müsse jeder Studieninteressierte Zugang zu höherer Bildung haben – unabhängig von der sozialen Herkunft.
Foto: Aida Ivan

Anfang Juni nahm der Rektor der Universität Bukarest, Mircea Dumitru, an einer Zusammenkunft in Hamburg teil: Beim Hamburg Transnational University Leaders Council debattierten ungefähr 60 Hochschulpräsidenten aus der ganzen Welt über ein globales Verständnis von Universität. Das zentrale Anliegen der Konferenz war es, den Prozess der weltweiten Hochschulentwicklung, der bislang getrieben vom globalen Wettbewerb erfolgt, bewusst zu gestalten. Welche sind also die Herausforderungen, mit denen die Hochschulsysteme konfrontiert werden? Was waren die Hauptthemen, die im Rahmen des Kongresses diskutiert wurden? Welche Lösungen wurden vorgeschlagen? Das Gespräch mit dem Rektor der Universität Bukarest, Mircea Dumitru, dem einzigen Vertreter bei dem Council aus Mittel- und Osteuropa, führte ADZ-Redakteurin Aida Ivan.

Herr Rektor, was ist die Sichtweise des Rates in Hamburg, an dem Sie im Juni teilgenommen haben?

Es ist interessant zu bemerken, dass es allgemeine, globale Herausforderungen gibt, die sehr ähnlich sind, egal zu welcher geografischen Region, kulturellen oder historischen Tradition oder wirtschaftlichen Macht die Universitäten und die Länder gehören. Es geht um Probleme, die aus den Herausforderungen der Globalisierung entstehen. Die Universitäten sind einerseits kulturelle Institutionen, die eine bestimmte Symbolistik entwickeln, um die Kultur und die Bildung der jungen Leute zu fördern. Andererseits agieren sie als Akteure in einem globalisierten Umfeld. Das größte Problem für alle Hochschulwesen besteht im nationalen und internationalen Wettbewerb zwischen den Universitäten. Der Schlüssel für die vorteilhafte Lösung dieses Wettbewerbs ist in den Zeiten eines globalisierten Schulwesens die Verstärkung der internationalen Kooperation. Der Entwicklungsansatz für die Universitäten heißt also Internationalisierung: Die lokalen Ressourcen reichen nicht aus, um die Universitäten und gleichzeitig einen Kontroll- und Feedbackmechanismus zu entwickeln. Doch nur so kann man feststellen, wie man im globalen Wettbewerb bei der Entwicklung des Hochschulwesens und in der Forschung rangiert. Ohne einen ständigen Vergleich mit dem, was in anderen Universitäten aus dem Ausland geschieht, hat man keinen selbstständigen Blick auf die eigenen Verdienste oder den nötigen Nachholbedarf.

Welche sind die Schritte in Richtung Internationalisierung?

In dieser Hinsicht hat die Universität eine sehr gute Position - wir haben Kooperationsverträge mit mehr als 300 Universitäten aus der ganzen Welt. Davon sind ungefähr 100 aktiv.

Wie sehen diese konkret aus?

Wir haben europäische Programme, Promotionsprogramme, die in Partnerschaft mit anderen Universitäten abgeschlossen werden, Studenten- und Professorenaustausch, Erasmus oder Erasmus Plus. Hinzu kommt die Teilnahme der Lehrkräfte und der Studierenden an internationalen Tagungen. Vor Kurzem hat die Universität Bukarest eine Tagung für Informatiker und Mathematiker veranstaltet, die jedes Jahr stattfindet: Die Konferenz „Computing in Europe” wurde von der Mathematikfakultät organisiert. Darüber hinaus hat vor ein paar Monaten die Philosophiefakultät einen europäischen Kongress über analytische Philosophie abgehalten. Die Kollegen von der Geschichtsfakultät bereiten derzeit eine internationale Tagung vor, die für das kommende Wintersemester geplant ist. Vor etwa drei Wochen fand eine internationale Tagung auch bei der Journalistikfakultät statt. Es gibt tatsächlich keine Fakultät oder keine Abteilung, die eine solche Aktion auf nationaler oder internationaler Ebene nicht organisiert. Und wir haben 19 Fakultäten. Es ist sehr wichtig, dass die Universität Bukarest nicht nur auf nationaler Ebene sichtbar ist.

Der Rat in Hamburg hatte also nicht das Ziel, ein überstaatliches System zu bauen?

Nein, weil die Universitäten dezentralisierte Strukturen sind - jede von ihnen stützt sich auf ihre akademische und funktionelle Autonomie. Eine länderübergreifende Struktur, die solche Sachen regelt oder überprüft, steht außer Frage. Ziele sind stattdessen eine Intensivierung der Beziehungen zwischen den Universitäten und eine echte Zusammenarbeit. Es ist wichtig, dass diese Zusammenarbeit „bottom up” stattfindet, also vom niedrigen Niveau zur Spitze der Hierarchie, und nicht „top down”. Wenn es keine Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und zwischen Professoren gibt, dann können wir nicht von einer realen Kooperation und auch von keiner Entwicklung der Universität sprechen.

Welche anderen Themen wurden diskutiert? Mit welchen Problemen werden die Universitäten konfrontiert?

Es gab fünf Hauptthemen und fünf Gesprächsforen. Die Organisatoren haben darum gebeten, dass ich einen Vortrag halte. Darin ging es um den Zugang zum Universitätsstudium. Das erste Thema war die Hauptmission der Universität, das zweite rückte die akademische Freiheit und die universitäre Autonomie in den Mittelpunkt. Hinzu kam die Differenzierung des Lehrbetriebs in den nationalen Hochschulwesen, und der vierte Themenkomplex war der Zugang zum Universitätsstudium. Abgerundet wurde dies durch Fragen zur Finanzierung der universitären Forschung. Bei jedem Thema gab es Probleme, die sehr ähnlich sind, auch wenn sie auf verschiedene Art und Weise in Erscheinung treten.

Bezüglich des ersten Problems, die Hauptmission der Universität – habe ich festgestellt, dass es sehr viele Organisationen gibt, die Forschung und Bildung auf hohem Niveau anbieten. Es ist gut, wenn man kein einziges Modell aufdrängt, sagen wir, das nordamerikanische Modell - wenn dieses stark eindringt. Fast alle Universitäten versuchen, sich damit untereinander zu vergleichen und mit den amerikanischen Universitäten zu wetteifern. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Universitäten bestimmten kulturellen Bedürfnissen und dem spezifischen Arbeitsumfeld eines Landes entsprechen sollen. Was für den nordamerikanischen Kontinent gilt, gilt nicht für die Länder aus Asien, Afrika oder Europa. Das zweite Thema – die akademische Freiheit und die universitäre Autonomie - ist die Lösung für das Hochschulwesen. Wenn es keine Meinungsfreiheit in den Universitäten gibt, dann kann man nicht von einem Hochschulwesen sprechen.

Was ist die Situation der Universität Bukarest in dieser Hinsicht?

Es ist ziemlich gut. Es ist manchmal schwierig, bestimmte Gelder einzusetzen, die wir angespart haben, weil das Gesetz es nicht erlaubt. Die großen Universitäten in Rumänien haben zu diesem Zeitpunkt eine relativ hohe Autonomie.

Was wurde im Rahmen des Kongresses noch diskutiert?

Einerseits wurde über den Erweiterungsprozess und die wachsenden Dimensionen des Hochschulwesens gesprochen. Es ist ein globaler Prozess. Die Anzahl der Studenten steigt überall. Das ist sehr gut – auch wenn sich so mancher beklagt, es gebe zu viele Studenten. In Rumänien gibt es prozentual betrachtet gar nicht so viele Studenten. Es stimmt, es sind mehr als noch vor 25 Jahren. Es kann auch sein, dass manche von ihnen nicht so gut vorbereitet sind, um sich den Anforderungen des Hochschulwesens anzupassen. Anderseits ist der Vorteil groß für die Gesellschaft. Ich und die anderen, die am Rat in Hamburg teilgenommen haben, glauben, dass es gut für die Gesellschaft ist, wenn eine junge Person bereit ist, sich zu bilden. Je mehr, desto besser - auch wenn das Niveau nur mittelmäßig ist oder manchmal unter dem Mittelmaß. Vorher gab es hierzulande sehr wenige Studenten. Die Aufnahme an die Universität war sehr schwierig und diejenigen, die aufgenommen wurden, waren sehr gut vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt ist die Anzahl der Studenten viel größer, man kann natürlich erwarten, dass der Durchschnitt ihrer Bildung etwas niedriger ist. Auf der anderen Seite es ist mittel- und langfristig gut für die Gesellschaft.

Gibt es viele Studenten in Rumänien?

Wenn wir uns mit den europäischen Ländern vergleichen, dann rangieren wir auf einer niedrigen Position. Im Vergleich zu 1990 gibt es wesentlich mehr Studenten, auch wenn ihre Anzahl momentan sinkt: Diejenigen, die die Abiturprüfung nicht bestehen, können nicht weiter an die Uni gehen. Die jungen Leute müssen jedoch Zugang zur Ausbildung nach ihrem Abitur haben. Genau deshalb sollte diese differenziert sein – in mehreren Arten von Institutionen. Außerdem soll der Zugang nicht selektiv sein: Wir dürfen kein Modell bewahren, in welchem nur Kinder aus wohlhabenden Familien auf die Uni gehen. Die Idee der sozialen Inklusion ist heutzutage in Europa und in den USA verbreitet. Hat ein junger Mensch Potenzial, dann soll er auch Zugang zur Bildung haben, egal ob er über die finanziellen Mittel verfügt oder nicht.
Sehr viele amerikanische Universitäten betonen die Internationalisierung und die Idee, ausländische Studenten zu haben. Es gibt verschiedene Stipendien, die lobenswerten Studenten aus weniger wohlhabenden Ländern oder Familien helfen. Das ist wichtig - auch für ein Land wie Rumänien. Wir bemerken, dass noch sehr wenige sozial benachteiligte Kinder oder junge Leute aus dem ländlichen Raum Zugang zu Hochschulen haben. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es in benachteiligten Umfeldern keine talentierten und intelligenten Kinder gibt. Die Gesellschaft verliert sehr viel, weil sie diese nicht unterstützt, damit sie ihre Studien abschließen können. Manche von ihnen brechen die Schule ab, bevor sie die achte Klasse erreichen. Dieser große Verlust muss durch soziale und bildungserzieherische politische Maßnahmen aufgefangen werden. 

Ein letztes Problem ist die Finanzierung der Universitäten. Diese sollte viel vielfältiger und nicht nur von Haushaltsmitteln abhängig sein – das war ein Problem aller Universitätspräsindenten, die am Forum teilgenommen haben. In Asien wurden institutionelle Mittel gefunden, um Fonds von Unternehmen für Forschung und Bildung zu bekommen. In Europa gibt es diese Tradition nicht, erst jetzt entsteht sie. In Deutschland gibt es vielleicht schon Interesse seitens der Unternehmen, in das Bildungswesen zu investieren, aber in Rumänien gibt es ein solches System nicht. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass es eine Pflicht der Gesellschaft und der Unternehmen ist, zur Entwicklung des Bildungswesens beizutragen.

Welche Maßnahmen werden jetzt nach dem Rat in Hamburg getroffen?

Wir werden erstens mit den Partnern des Konsortiums Universitaria sprechen. Daran beteiligen sich die Babe{-Bolyai Universität aus Klausenburg, die Universität in Jassy, die Akademie für wirtschaftliche Wissenschaften in Bukarest, die Westuniversität in Temeswar und die Universität Bukarest. Wir wollen diese Botschaft auch den anderen Universitäten unterbreiten. Der Ausgangspunkt ist die optimistische Idee, dass unsere ausländischen Partner eines Tages das, was in den rumänischen Universitäten passiert, viel positiver beurteilen als wir selbst. Da wir für die ganze Gesellschaft arbeiten, müssen mittel- und langfristige Lösungen gefunden werden.

Wie gestaltet sich die Beziehung der Universität Bukarest zu den Universitäten im deutschsprachigen Raum?

Wir haben Lektorate für rumänische Sprache und Kultur an mehreren Universitäten in Deutschland. Vor ein paar Monaten habe ich an einer Diskussion teilgenommen, die an der Universität Jena abgehalten wurde: Diese Universität hat eine lange Tradition in diesem Bereich - hier hat es Professoren gegeben, die die rumänische Sprache und Kultur unterrichtet haben. Zur Universität in Freiburg haben wir ebenfalls gute Beziehungen. Zukünftig nehmen wir uns vor, auch gemeinsam mit der Humboldt-Universität in Berlin einige Programme in den Bereichen Mathematik, Geschichte, Philosophie und natürlich auch in rumänischer Sprache und Kultur zu entwickeln. Wir wollen auch ein Projekt mit einem Institut für kulturelle Diplomatie in Berlin entwickeln, die Masterstudenten und Doktoranden aufnehmen soll. Auf diese Weise können diese direkt in Kontakt mit Universitäten in Deutschland treten. Außerdem bietet auch der DAAD Stipendien. Es gibt noch die Humboldt-Stiftung, die sehr daran interessiert ist, Forschungsstipendien an junge, engagierte Leuten aus Rumänien zu vergeben. Wir wollen, dass die jungen Wissenschaftler von der Universität Bukarest dort Zugang haben.

Vielen Dank für Ihre Ausführungen!