Junges deutsches Kino

Das Goethe-Institut veranstaltete auch in diesem Jahr Deutsche Filmtage

Vergangenen Freitag gab es den Auftakt zu den 9. Deutschen Filmtagen in Bukarest. Die diesjährige Auflage wurde von Alexander Nanau kuratiert. Der in Bukarest geborene Regisseur studierte an der Film und Fernsehakademie Berlin und pendelt nun zwischen beiden Städten. Sein jüngster Film „Toto und seine Schwestern“ ist ein bewegendes Porträt dreier Roma-Kinder und läuft derzeit sehr erfolgreich auf internationalen Festivals wie San Sebastian, Leipzig und Zürich. Seine Auswahl begründete Nanau folgendermaßen: „Die Geschichten der diesjährigen Spiel- und Dokumentarfilme verbindet die Suche nach Zugehörigkeit, nach Lebens- und vor allem nach Familienmodellen im heutigen Deutschland und der Welt. Es ist junges, mutiges, persönliches, sympathisches, schlagkräftiges, intelligentes, deutsches Kino auf höchstem Niveau.“

Das Filmangebot wurd edurch die Gelegenheit, Gespräche mit den Regisseuren, Produzenten, Autoren oder Darstellern zu führen, ergänzt.

Zur Eröffnungsveranstaltung wurde der mit dem Silbernen Bären ausgezeichnete Film „Kreuzgweg“  von Dietrich Brüggemann vorgeführt. Ein intensives Filmerlebnis: Als Zuschauer empfindet man Mitleid mit der jungen Maria. Man möchte ihr helfen. Gleichzeitig ihre herzlose Mutter schütteln. Man ist wütend, dass Marias Vater tatenlos herumsitzt, statt ihr gegen die Mutter beizustehen. Und auch auf den Pfarrer, der zwar freundlich und einfühlsam wirkt, aber den Kindern eintrichtert, sich für Gott opfern zu müssen.

Maria lebt mit drei jüngeren Geschwistern und einem französischen Au-Pair einen streng religiösen Alltag nach den Regeln der Pius-Bruderschaft. Sie glaubt fest an Gott und möchte alles richtig machen. Eine große Herausforderung, da ihr Schulalltag in Kontrast zu den strengen Glaubensregeln steht. So kann das Mädchen nicht am Sportunterricht teilnehmen, um sich nicht zu satanischen Rhythmen zu bewegen, den Keks während des Firm-Unterrichts nicht essen als Opfergabe für Gott und schon gar nicht der Einladung ihres Schulkameraden folgen und im Kirchenchor einer anderen Gemeinde satanische Lieder, also Gospel und Soul, singen. Statt dessen soll sie beichten und opfern. Was sie sehr ernst nimmt.

Das Anliegen der Filmemacher ist offensichtlich. Der seelische Missbrauch durch ein starres ideologisches System, dem es an gesundem Menschenverstand mangelt. Für meinen Geschmack allerdings etwas überdeutlich. Der Aufbau des Films erfolgt ein wenig wie im Theater. 14 Akte, welche die Stationen des Kreuzwegs vom Todesurteil bis zur Grablegung darstellen. Dies muss nicht interpretiert werden, sondern wird im Film betitelt. Alle 14 Stationen haben nur eine Kameraeinstellung. Im ersten Akt gibt es zunächst einmal Religionsunterricht. Fast 15 Minuten lang. Nicht nur für die Kinder im Film sondern auch für den Zuschauer. Man erfährt also, warum Maria keine Kekse essen soll, weshalb „Bravo“ lesen verboten ist und welche die Sieben Sakramente sind. Mit dem erworbenen Wissen bedarf es keiner geistigen Anstrengung mehr, dem Rest des Films zu folgen. Die formale Strenge durch die unbewegliche Kamera provoziert zusätzlich. Ebenso wie die überzogene Darstellung der Mutter. Fazit: Trotz der aufdringlichen Intention ist der Film ein sehr emotionales Erlebnis und sehenswert.
Der Film läuft ab heute in den rumänischen Kinos.