Kahlschlag in geschützten Arealen

Transelectrica, private Holzschlagunternehmen und Romsilva gegen Buchen in Naturparks

Selbst in streng geschützten Wäldern findet man unzählige Baumstümpfe von alten Buchen.

Der Wissenschaftliche Beirat des Nationalparks Semenik – Karasch-Schluchten hat das Ansuchen von Transelectrica, die neue Hochspannungsleitung für den Stromexport ins serbische Pantschowa/Pancevo quer durch das geschützte Areal anzulegen, abgelehnt. Der Direktor des Nationalparks, Sorinel Tudorescu, hat das Ansuchen genehmigt. Das hat in sozialen Netzwerken im Internet einen Proteststurm ausgelöst, doch dieser neuerliche Eingriff durch Kahlschlag in den größten Buchenwald Europas wird nicht verhindert.

Direktor ignoriert Beirat

Der vom staatlichen Forstunternehmen Romsilva bestellte Direktor des Nationalparks begründet seine Entscheidungen unzureichend und ignoriert buchstäblich den schriftlich vorliegenden Negativbescheid der Wissenschaftler und Hochschullehrer. Diese schlagen in ihrer Stellungnahme dem Konzern für Energietransport sogar Alternativrouten vor: „Ich habe die Dokumentation untersucht, die der Verwaltung des Nationalparks Semenik – Karasch-Schluchten vorgelegt wurde, in dem Wissen, dass auch den Verwaltungen von drei anderen National- und Naturparks der Region derartige Gesuche von Transelectrica vorlagen: dem grenzüberschreitenden Naturpark Eisernes Tor/Djerdapp, dem Nationalpark Domogled – Cerna-Tal und dem Naturpark Nera-Klamm – Beuşniţa-Wasserfälle. Ich habe festgestellt, dass es im nationalen Interesse ist, die Hochspannungsleitung vom Eisernen Tor nach Pantschowa auf der vorgeschlagenen Trasse zu verlegen. Zudem existiert ein Naturschutzgesetz, demzufolge in geschützten Arealen gewisse Aktivitäten entfaltet werden können.

Trauriger ist es“, so der Nationalparkdirektor Sorinel Tudorescu, der gemeinsam mit Romsilva seinen wissenschaftlichen Beirat in diesen Tagen liebend gern auswechseln würde (ADZ/BZ berichtete), „dass die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats mit diesem Projekt nicht einverstanden waren. Ich beziehe mich in erster Linie darauf, dass für das Aufstellen der Strommasten nicht mehr als 400-500 Quadratmeter Wald geopfert werden, und dies in einem Bereich der nachhaltigen, nicht jedoch der strikten Konservierung – und nur bei letzterer sind Wirtschaftsaktivitäten streng verboten. Trotzdem, und obwohl die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats entgegen dem nationalen Interesse mit der Trassenführung nicht einverstanden waren, habe ich diesen Beschluss ignoriert. Dazu hat beigetragen, dass die Verwaltungen der anderen drei geschützten Areale bereits zuvor ihr Einverständnis gegeben hatten. Wir sprechen nun über das letzte Areal, welches noch durchquert werden muss, und es erscheint mir daher normal, hierfür einen positiven Bescheid zu erteilen. Ich sehe keine Gefährdung des Parks, zumal die geplante Trassenführung kein streng geschütztes Areal betrifft.“

„Nationales Interesse“ vorgeschoben

Da die Kahlschläge bereits begonnen haben, kursieren im Internet zahlreiche, von Naturschützern geschossene Fotos. Auf diesen sind riesige Buchenstämme zu sehen, die von den Holzschlagunternehmen – wie ersichtlich mit wohlwollender Genehmigung der Verwaltung des Nationalparks, die sich hinter dem „nationalen Interesse“ verschanzt – mit schweren Gelenktraktoren aus dem Naturpark in Richtung Sägewerke gekarrt werden (wobei dem Schaden am Waldboden, den diese Gelenktraktoren bei jeder Fahrt anrichten, überhaupt keine Beachtung geschenkt wird). Dass der Wissenschaftliche Beirat gerade auch auf solche „Kollateralschäden“ aufmerksam gemacht hat, wird einfach ignoriert. „Jede Entscheidung für einen Kahlschlag, und sei er auch noch so beschränkt, schädigt die lokale Flora und Fauna“, besagt der Negativbescheid des Beirats.

Nationalparkdirektor Tudorescu tröstet sich derweil mit den Versprechen von Transelectrica: „Transelectrica hat uns interessante Varianten der späteren Zusammenarbeit versprochen. Wir haben bereits gemeinsame Projekte im Rahmen der künftigen Zusammenarbeit angesprochen, zum Beispiel die finanzielle Unterstützung beim Anlegen von Wanderwegen“, erläutert der verantwortliche Leiter des Nationalparks blauäugig. Inzwischen hat eine der Umweltschutzorganisationen, die sich dem zusätzlichen Schutz und der zivilen Überwachung der Natur- und Nationalparks in den Karpaten verschrieben hat, Agent Green, durch ihren Koordinator Gabriel Păun Alarm geschlagen, weil die Kahlschläge am Rand und offensichtlich auch im Nationalpark Semenik – Karasch-Schluchten ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht haben: Agent Green hat ein Filmfragment ins Netz gesetzt, als Resultat seiner Beobachtungen in diesem Nationalpark, „Raub im Nationalpark Semenik – Karasch-Schluchten“ betitelt.

Konkrete Daten von Umweltschützern

Gezeigt wird, wie die Motorsägen im Nationalpark hunderte Jahre alte Buchen fällen, die nach Bănia im Almăj-Tal transportiert und dort zu Schnittholz zersägt werden, um ans Schwarze Meer befördert und aus Konstanza nach Syrien verschifft zu werden. Dazu Gabriel Păun: „In den vergangenen Jahren hat Romsilva zunehmend eine Politik der aggressiven Ausbeutung im Nationalpark Semenik – Karasch-Schluchten betrieben. Zwischen 2009-2014 sind dort mindestens 366.422 Kubikmeter Holz geschlagen worden, von deren Verkauf Romsilva 8,14 Millionen Euro kassiert hat – von denen allerdings in der selben Zeitspanne 2009-2014 nur 770.000 Euro der Verwaltung des Nationalparks zugute kamen. Dadurch haben die Hänge des Semenik-Massivs einen beachtlichen Teil der schützenswerten Bestände der letzten Reste des europäischen Buchenurwalds verloren.

Hier wuchsen bis vor Kurzem noch die einzigen kompakten und naturbelassenen Bestände der gemeinen europäischen Buche, ein anschauliches Beispiel dafür, wie Europa nach der letzten Eiszeit ausgesehen haben mag.“ Gabriel Păun zeigte sich auch unangenehm berührt von der Interessen- und Teilnahmslosigkeit der Regierung bezüglich dieses Raubbaus, der praktisch unter aller Augen passiert. Seiner Meinung nach ist die einzig mögliche Lösung dieses Problems die „Entmachtung“ des streng profitorientierten staatlichen Forstunternehmens Romsilva bezüglich der Verwaltung der geschützten Areale und deren Überantwortung an eine „Nationale Agentur der Geschützten Areale“ (ANAP), deren Hauptaufgabe Schutz und Bewahrung der Naturschutzgebiete sein muss.

Raub wird verallgemeinert

In den Sozialisierungsnetzwerken des Internet meinte dazu der Blogger Florian Coita: „So lange wir zulassen, dass die Wölfe die Schafe hüten, also Romsilva verantwortlich sein lassen für den Schutz der Wälder in den Natur- und Nationalparks, so lange wird der Raub und der Kahlschlag in diesen Arealen nicht nur fortgesetzt, sondern er wird sich immer mehr verallgemeinern.“ Ştefan Stănescu, der Leiter der Forstdirektion Reschitza (und vorher über mehrere Jahre Direktor bei Romsilva Karasch-Severin), reagierte (natürlich) gereizt, als er auf den Film im Internet und die Reaktionen der Blogger angesprochen wurde: „Ich habe die Reportage gesehen. Ich werde dazu eine schriftliche Stellungnahme der Nationalen Forstverwaltung  Romsilva verfassen. Die Behauptung von den Hunderttausenden Kubikmetern Holz, die in geschützten Arealen geerntet werden, ist eine glatte Übertreibung. Dort sind 366.000 Teufel geschlagen worden, keine Buchen. Das sind Forstschläge, wo man gar nicht hingelangen kann, erst recht kann man dort kein Holz schlagen!“
Daraufhin kam das Kommuniqué von Romsilva. Wo erst mal unterstrichen wurde, was eh alle wissen müssten, wenn alles mit rechten Dingen zugehen würde: „Romsilva ist die einzige Institution in Rumänien, die sich bewusst die Verwaltung der Natur- und Nationalparks aufgebürdet hat.“

Diskreditierung der Umweltschützer

Dass dies, wie von allen kritischen Beobachtern vermerkt, ein Interessenskonflikt ist, und zwar zwischen profitorientierter Forstwirtschaft und der Bewahrung von schützenswerten Waldbeständen, darauf geht das Kommuniqué selbstverständlich nicht ein. Aber es gibt zu: „Gemäß der Forstregelungen wird im Falle der Buche das Fällen von mehr als 100 Jahre alten Bäumen – im Alter zwischen 110 und 140 Jahren und sogar mehr – erlaubt.“ Und dann kommt der Angriff auf Green Agent: „Wir finden, dass die Mitarbeiter von Green Agent, denen die Fachkenntnisse im Bereich fehlen, einige Informationen von unautorisierten Personen in persönlicher Weise und empirisch interpretieren.“ Man versteht: ausschließlich Romsilva verfügt über Fachwissen im Forstbereich und hat deshalb jedwelche Interpretationshoheit des Geschehenen, Gesehenen und Gefilmten... .

Das bezieht sich auf die Aussagen der Holzschläger, die von Agent Green bei der Arbeit gefilmt und anschließend befragt wurden. Also sei es eine Falschinformation, wenn dort von 200 bis300-jährigen Buchen gesprochen wird, die gefällt werden. Schließlich gäbe es am Semenik nur im Raum der Nera-Quellen 200 bis 300-jährige Buchen, im Herzen des Buchenurwalds, und dorthin gäbe es keine Forststraße, also können diese auch nicht wirtschaftlich genutzt werden. „Dort gibt es keine Beweise über eine Nutzung“, schreibt Romsilva in seinem Kommuniqué, was leicht interpretierbar ist... „Kein Beweis“ heißt noch lange nicht: „keine Tatsachen“! Nicht zuletzt sei Romsilva kein ausschließlich profitorientierter Regiebetrieb, sondern „ein verantwortungsvoller Verwalter der Forste“. Was man auch zu glauben bereit wäre, wären da nicht die Bilder vom Transport riesiger Buchenstämme mittels Gelenktraktoren aus dem geschützten Wald in Richtung Sägewerke.

Green Agent schreibt deshalb trocken: „Die Zeit ist gekommen, dass dort, wo die Entscheidungsmacht sitzt, also beim Premierminister, mit dem Saubermachen begonnen wird. Der Premierminister muss dem Umweltministerium Grünlicht geben, damit die Verwaltung der Natur- und Nationalparks Romsilva weggenommen und ANAP überantwortet wird. Dort wieder müssen die besten Fachleute zur Bewahrung der Natur angesiedelt werden, über die Rumänien verfügt. Und das alles darf nicht im kommenden Jahr, sondern muss sofort geschehen, so lange es noch etwas Schützenswertes gibt in unseren Forsten!“