„Kein Diskurs über Sieger und Besiegte“

Nachstellen des Weltkriegsjahres 1916 am Kronstädter Marktplatz

Am Marktplatz fand die erste Auflage des Kronstädter Festivals zu historischen Nachstellungen statt.

Feldkanone und Wachen vor dem Eingang zum alten Rathaus

Objekte, die zur Ausstattung eines Soldaten gehörten.
Fotos: Ralf Sudrigian

Eine französische Feldkanone (Modell 1897) befindet sich vor dem Eingang zum Kronstädter Geschichtsmuseum. Bewaffnete Soldaten stehen auf den Treppen Wache. Vom Band ertönt Blasmusik einer Militärkapelle. Touristen drehen sich neugierig um die Bretterstände einiger Vereine, die Utensilien ausstellen, wie sie vor hundert Jahren von den Soldaten genutzt wurden: Blechgeschirr, eine alte Taschenlaterne, aber auch Spielkarten, alte Fotos, Medaillen können gesehen werden. Bei einem Stand steht „Jandarmeria Română“. Bei einem anderen wird die Post abgefertigt, zuerst aber werden die mit Federstiel und Tinte geschriebenen Postkarten von der Zensur durchgelesen.

Das alles soll an die letzten Tage des August 1916 erinnern, als Kronstadt als erste große Stadt von den rumänischen Truppen erobert wurde. Oder befreit? Bei der Wortwahl kann man leicht ins Fettnäpfchen treten, denn Geschichte wird schnell mit Emotionen und Politik verbunden.

Darum soll es aber bei der ersten Auflage des Kronstädter internationalen Festivals zum Nachstellen historischer Ereignisse nicht gehen. Der Direktor des Kronstädter Geschichtsmuseums, Nicolae Pepene, hat Erfahrung mit solchen Veranstaltungen. In Rosenau laufen sie seit längerer Zeit. Dort ging es um Römer und Daker, um die Napoleonischen Kriege. Diesmal geht es um die jüngere Vergangenheit, genauer gesagt um Ereignisse bei denen unsere Urgroßeltern oder, für ältere Semester, die Großeltern, Zeitzeugen waren. Für den Historiker Pepene soll dabei nicht das Disput über Sieger und Besiegte, über Verbündete und Feinde ausschlaggebend sein. Es geht um militärtechnische Details wie Uniform, Waffen, Auszeichnungen, Flaggen. Dafür gibt es viele Fans. Und die kommen an diesem letzten August-Wochenende auf ihre Kosten, denn bei diesem „Historical Reenactment“ wie diese Festivals international bezeichnet werden, beteiligen sich außer rumänischen Vereinen auch Kollegen aus Tschechien und Großbritannien. Sie geben bereitwillig Auskunft über ihre Uniform und deren Geschichte; sie stellen sich gerne zu einem Erinnerungsfoto zur Verfügung.

Es soll „lebendige Geschichte“ sein, was man da als Tourist oder als Kronstädter erleben soll, wünscht sich der Museumsdirektor Pepene. Das schließt aber nicht aus, dass im Museum eine Sonderausstellung eröffnet wurde zum Thema Kronstadt im Kriegsjahr 1916 – eine Ausstellung, die bis Jahresende zu sehen ist.

Bei allem Interesse für Waffentechnik, Uniformdetails und Kriegsgeschichte sollte man nicht vergessen, was damit verbunden ist, erinnert Nicolae Pepene: „Andrerseits ist es ein ausgewogener äquidistanter Diskurs über all das, was der Krieg, jenseits der politischen Folgen, bedeutet: Gräueltaten, Leid, Opfer, Helden.“

Vor dem alten Rathaus stellen sich die rund 70 Teilnehmer in Uniform für die Frontinspektion auf. Laute kurze Befehle in Rumänisch und Deutsch übertönen das Stimmengewirr am Marktplatz. Fahnen werden vorgezeigt, den rumänischen und ausländischen Vertretern (unter ihnen auch Roman Baron von Gamotha aus Österreich) wird Bericht erstattet. Von der Tonanlage werden die Hymnen abgespielt: die alte königliche rumänische Hymne, jene Österreich-Ungarns und die des deutschen Kaiserreiches. Rumänien ist Republik; die beiden Kaiserreiche sind zerfallen – geblieben sind ihre Hymnen: die österreich-ungarische wurde zur deutschen – die des deutschen Kaiserreiches ist heute allen als „God Save the Queen“ – Großbritanniens Hymne wohlbekannt.

Das von dem Kronstädter Geschichtsmuseum, dem Kreisrat und dem Bürgermeisteramt Kronstadt in Zusammenarbeit mit der Kronstädter Transilvania-Hochschule und der 2. Gebirgsjägerbrigade veranstaltete Festival soll weiter geführt werden – allerdings nicht ausschließlich zum Thema Erster Weltkrieg.