Kein Pardon mehr für Verkehrssünder

Debatte zu Straßenverkehrsgesetz weiter verlängert

Rumänischer Verkehrsalltag: Die undisziplinierten Fahrer und das Polizeiauto an der Ecke
Foto: Zoltán Pázmány

Wo sind die guten alten Zeiten des Vaterlandes hin? Die Zeiten ohne Autobahnen, ohne verwirrende Verkehrszeichen, Radar und stressige Kontrollen, ohne Geschwindigkeits- und allerhand andere Limits, sondern mit den schlechten, löchrigen, aber völlig sicheren, weil ruhigen und verkehrsarmen Straßen? Damals konnte sich ein Fahrer noch mit seinem Dacia richtig austoben. Radfahrer und Pferdewagen störten da niemanden. Fußgänger, die noch nach Gutdünken auf der Fahrbahn spazierten oder sie an allen möglichen Stellen überquerten, wurden grinsend oder mit einem volkstümlichen Ausruf begrüßt (d. h. verflucht). Traf man einen Kollegen, so konnte man sogar halten und ungestört ein Viertelstündchen auf der Straßenmitte plaudern. Dass da auch mal ein Unfall passierte, war verdammtes Pech und doch nur blöder Zufall.

Für dieses idyllische Verkehrsbild vor der Wende hatte, wie für alles Übrige hierzulande, der beliebteste Sohn des Volkes wie ein strenger aber weiser Vater gesorgt: Der Sprit war rationiert (Ja, sollten nur die Lebensmittel rationiert sein?), an jedem Wochenende durfte laut Gesetz nur die Hälfte der Fahrer losziehen, je nachdem ob ihre Autonummer eine gerade Zahl war oder nicht, und jeder Bürger, der doch nichts anderes als ein pflichtbewusster Werktätiger war, hatte allein mit dem Volksautomobil Dacia zu verkehren. Viel unnötiges Gesetzesdrumherum wie in der kapitalistischen Welt war da gar nicht mehr erforderlich, u. a. auch kein striktes Geschwindigkeitslimit. Und die Verkehrsmiliz? Die war da, hatte jedoch praktisch bitter wenig mit Verkehr und Fahrern zu tun, eher, wie die ganze restliche Volksmiliz, mit etwaigen undisziplinierten, vaterlandsschädigenden Elementen.

Die falsch verstandene Freiheit

So war es, so wird es niemals mehr sein: Die liebe Demokratie packte sofort mit der errungenen Freiheit auch die Fahrerschaft am Genick. Gebrauchtwagen aller Art, vor allem vom deutschen Markt, überfluteten jahrelang nach der Wende das Land. Die Straßen blieben viele Jahre die gleichen, doch der Fuhrpark wuchs mit alten und neuen Wagen bis zum Gehtnichtmehr. Die Fahrer nahmen sich selbstverständlich immer mehr Freiheiten heraus. Die Verkehrspolizei war und blieb bis heute überfordert. Da konnte auch die periodische Abänderung des Verkehrsgesetzes nichts ausrichten. Im Volksmund wird diese Gilde sowieso, zum Teil auch mit Recht, gewissermaßen als Luxus, also als unnütz und überdies korrupt betrachtet.

Dieses programmierte Verkehrschaos hatte schwerwiegende Folgen: Offene Disziplinlosigkeit im Verkehr, fast täglich schwere Unfälle mit Todesopfern und beträchtlichen Sachschäden platzierten die rumänische öffentliche Verkehrsszene in den Keller der EU- und europaweiten Verkehrsstatistik. Das rumänische Innenministerium musste zähneknirschend diese unrühmliche Situation mit ihrer besorgniserregenden Jahresbilanz 2012 öffentlich machen: Im Vorjahr wurden nahezu 30.000 Verkehrsunfälle mit Opfern verzeichnet, darunter 805 Verkehrstote, nahezu 4000 Schwerverletzte und 10.000 Personen erlitten leichte Verletzungen. Drei Hauptursachen wurden auch ausgemacht: 10.000 Opfer gab es allein wegen zu hoher Geschwindigkeit, Nichtgewährens des Fußgängervorrechts und wegen Alkoholmissbrauchs am Lenkrad.

Die übliche Schwierigkeit, Strafen durchzusetzen

Ein neues, vom Innenministerium erarbeitetes Verkehrsgesetz, das von den Fahrern – vor allem aber auch von Fachleuten – als allzu hart und benachteiligend und sowieso als drastischstes Reglement für Fahrer in ganz Europa angesehen und abgelehnt wird, soll es nun endlich richten. Der Gesetzesentwurf, der zurzeit einer heftigen, öffentlichen Debatte im Lande unterliegt, die gerade um eine Woche verlängert wurde, möchte allgemein mit ungewöhnlich hohen Geld- und Freiheitsstrafen alle Verkehrsteilnehmer wieder zu Ordnung und Disziplin führen. Erstens soll jedoch das Erzübel aus der Welt geschafft werden: Wenn alle Verkehrsteilnehmer, vor allem die Fahrer, zukünftig kräftiger zur Kasse gebeten werden, möchte man den harten Kern der Verkehrssünder gar für länger oder gänzlich aus dem Verkehr ziehen. Dass ein solches Gesetz erstens den Berufsfahrern und Transportgesellschaften, aber auch den Fahrern von Nobelfahrzeugen aus der führenden Gesellschaftsschicht und sogar den Gesetzesgebern selbst nicht so recht in den Kram passt, zeigt treffend die streitähnliche Diskussion zwischen Innenministerium, Regierung, Parlament und Medien.

Es kursieren selbstverständlich auch schon Witze im Volksmund über dieses Vorhaben: Nach dem neuen Gesetz, heißt es da, sollten in jeder Verkehrssituation Wagen mit dunklen Fenstern Vorrecht genießen!
Spaß beiseite: Der Landesverband der Transporteure UNTRR protestierte von Anfang an gegen dieses als „widerrechtlich“ bewertete Gesetz. Vor allem das vorgeschlagene nie dagewesene Höchstmaß der Geldstrafen von maximal 16.000 Lei wurde angeprangert. Das würde nämlich die Gesamtsumme von 20 Arbeitslöhnen ausmachen, denn der Mindestlohn in Rumänien liegt bei 800 Lei. Desgleichen wäre der vorgeschlagene 5-jährige Führerscheinentzug ebenfalls viel zu drastisch, da es für viele Berufsfahrer mit einem Berufsverbot zu vergleichen wäre. In dem neuen Gesetzesentwurf wird außerdem fast gar nichts Wesentliches über die Bestrafung der anderen Verkehrsteilnehmer, wie der Radfahrer oder Fußgänger, gesagt.

Für die derzeitige Verkehrsmisere könnte man doch nicht allein die Autofahrer verantwortlich machen und zur Kasse bitten. Die Behörden müssten durch das Gesetz und dessen Anwendung vorbeugend und nicht strafend handeln. Viel zu wenig wäre in dem Projekt auch über die Verantwortlichkeit und die wichtigen Aufgaben der Lokalbehörden und öffentlichen Institutionen festgelegt, denen die Verwaltung der Straßen, Gehsteige, Brücken, Eisenbahnüberführungen usw. obliegt.

Nach langen Diskussionen, die wahrscheinlich noch einige Zeit laufen werden, gab die USL-Regierung durch die Sprecher des Innenministeriums, allen voran Innenminister Radu Stroe, höchst präsent im Abendfernsehen, den aus allen Richtungen kommenden Kritiken nach. Einer der USL-Leader, Crin Antonescu, bekannte, dass die PNL-Führung ihren eigenen Minister Radu Stroe zu einer Besänftigung der Gesetzesvorschriften angehalten habe. Minister Stroe gehorchte selbstverständlich, kommentierte aber trotzdem: „Klar, wir werden durch dieses Gesetz etwas an Popularität einbüßen. Man sollte trotzdem alle Meinungen anhören, doch vor allem sollte man nicht vergessen, dass zu viele Menschen auf den Straßen sterben und es noch immer zu viele Leute gibt, die ihre Geldstrafen nicht begleichen.“ Regierungschef Victor Ponta zu der Debatte: „Lasst euch nicht beeinflussen oder gar weich machen. Das Gesetz hat vor allem der Realität zu entsprechen.“

Die geplante Maximalstrafe von 16.000 Lei (150 bis 200 Verkehrspunkte) für schwerwiegende Unfälle mit Todesopfern wurde auf 9600 Lei heruntergeschraubt. Der für gleichartige Vergehen vorgesehene Führerscheinentzug bis zu maximal fünf Jahren (21 bis 120 Verkehrspunkte) wurde auf zwei Jahre zurückgestuft.
Geplant war auch, die Rot-Sünder mit einer Höchststrafe zu verdonnern und diese für zwei Jahre aus dem Verkehr zu ziehen. In der abgeänderten Fassung fällt sie nun viel sanfter aus, mit 60 Tagen Entzug des Führerscheins und einer Geldstrafe von sechs bis acht Verkehrspunkten.