Klaus Johannis und die Rumänen in Deutschland

Beobachtungen am Tag nach der rumänischen Präsidentschaftswahl

Es war ein deutscher Prinz, der vor 148 Jahren aus dem württembergischen Sigmaringen ziemlich weit weg, in eine geheimnisvolle Stadt namens Bukarest, gerufen wurde. Und kaum traf er ein, wurde er auch schon zum Fürsten, wenig später dann zum König erkoren: Karl I. aus der Dynastie Sigmaringen-Hohenzollern wurde seinerzeit erster König des neu gegründeten Staates Rumänien, eigentlich der vereinigten Donaufürstentümer, nachdem die Vertreter der beiden rumänischen Fürstentümer so zerstritten waren, dass sie sich auf keinen Kandidaten aus ihren Reihen einigen konnten. Der Fürst aus Süddeutschland sollte es richten.
Ist das, was derzeit in Rumänien geschieht, ein klein wenig eine Wiederholung der Geschichte? Erstmals wählten die Bürger einen Rumäniendeutschen ins Präsidentenamt, nämlich den Bürgermeister von Hermannstadt, Klaus Johannis. Groß sind die Hoffnungen, die sich in dem von  endlosen Korruptionsskandalen geschüttelten Land auf den Rumäniendeutschen mit seinen angeblich ‚ur-deutschen‘ Tugenden fokussieren.

Johannis weckt Heimweh

„Haben Sie kein Heimweh nach Rumänien?“ – „Ja, ich hab manchmal heftiges Heimweh nach Rumänien. Aber ich muss ehrlich sagen: Seit gestern hab‘ ich richtig Heimweh…“ Das war am Montag nach der Wahl.
Plötzlich muss sie so viel über ihr Heimatland erzählen wie noch nie zuvor in jenen 15 Jahren, in denen die gebürtige Rumänin Antonia Olariu in Konstanz am Bodensee lebt. Immer wieder wird die Literatur- und Sprachwissenschaftlerin das Gleiche gefragt: Was sie über die Wahl des Rumäniendeutschen Klaus Johannis zum neuen Staatspräsidenten ihres Landes denkt. „Zum ersten Mal habe ich wirklich das wunderbare Gefühl, stolz darauf zu sein, aus Rumänien zu kommen. Und ich muss sagen: Das war einfach ein wunderbares Gefühl, dass die Rumänen gegen Korruption entschieden haben“ …und für den, wie die Rumänen sagen, Deutschen Klaus Johannis, „…weil man Johannis mit sehr guten Tugenden assoziiert. Das Hauptwort wäre Korrektheit.“ Korrektheit ist eines jener Attribute, die viele Rumänen den Rumäniendeutschen in ihren Reihen immer wieder zuschreiben.

Johannis weckt Deutschnostalgie

„Darf ich Sie schon mit Präsident anreden?“ – „Na, das nächste Mal“, sagt der Mann, der gut 1200 Kilometer von Konstanz entfernt, nämlich in Temeswar, an einem Tisch sitzt und viele hundert Mal sein erstes Buch signiert. Es ist Klaus Werner Johannis höchstpersönlich, seit einigen Tagen Präsident seines Landes, der kurz vor der Wahl noch schnell sein erstes Buch veröffentlicht hat. Der Titel auf Rumänisch : „Pas cu Pas.“
„Das wäre in direkter Übersetzung: ‚Schritt für Schritt‘. Das ist die Art und Weise, wie ich im Leben vorangekommen bin. Das ist die Art und Weise, wie ich Politik gemacht habe. Ich denke, das wird auch die Art und Weise sein, wie ich weiter mache: Schritt für Schritt. Dann wird’s schon gut.“

Als Rumäniendeutscher gewann Johannis vor 14 Jahren die Bürgermeisterwahl in Hermannstadt. Und, damals wie heute, stellt sich die Frage, inwieweit die rumäniendeutsche Herkunft wichtig war für den Wahlerfolg.  Johannis über Johannis: „Diese Herkunft ist sicher kein Nachteil. Ob es ein Vorteil ist, bleibt mal dahingestellt.“
Im Gegensatz zu vielen hundert rumänischen Politikern der Nachwendezeit, die der Korruption überführt wurden, konnte Johannis mit einer Eigenschaft punkten, die zuweilen in rumänischen Politikerkreisen schon als exotisch gilt: nämlich mit einer weißen Weste. „Ich war in keinerlei Skandalen mit drin. Ich war in keinem dieser Kreise, die jetzt in Erklärungsnot sind. Ich komme aus der lokalen Politik. Ich denke, meine Startposition ist eine ganz gute“ ... als erster rumäniendeutscher Staatspräsident in der Geschichte des Landes.

Johannis weckt Mut zur Rückkehr

Wie sehr die Banater Schwaben, die Sathmarer Schwaben, die Siebenbürger Sachsen, die Bukowinadeutschen und all die anderen Einwanderer aus Deutschland die Alltagskultur der Rumänen geprägt haben, zeigt sich heute noch im Sprachgebrauch und auch in der Mentalität vieler Rumänen, die mittlerweile in Deutschland leben, so wie Antonia Olariu. Noch nie habe sie erlebt, dass so viele Auslandsrumänen bei einer Präsidentschaftswahl an die Wahlurnen in den Konsulaten strömten: „Ich habe auf Facebook erlebt, wie sich Hunderttausende Rumänen hier in Deutschland gegenseitig unterstützt und angefeuert haben, gepostet haben: geht wählen, geht wählen…“ – was zu langen Warteschlangen und ziemlich viel Verärgerung infolge Organisationschaos vor einigen rumänischen Konsulaten in Deutschland führte. Dort war man – ob absichtlich oder nicht – für den großen Ansturm der Auslandsrumänen nicht gewappnet. Nicht wenige unter denen, die die Endlosschlange in München bildeten, haben sich zusammengepackt und sind bis Prag gefahren, zum Wählen – wo es reibungslos und ohne Gedränge lief. Für die meisten, die in Deutschland und im Ausland abstimmten, gilt Johannis als Hoffnungsträger in dem Bemühen für ein besseres Rumänien.
„Die große Mehrheit hier in Deutschland stimmte für Klaus Johannis. Rumänien hat ja eine lange Tradition, was Korruption angeht. Die muss gebrochen werden. Und nun haben wir die Hoffnung, dass es besser geht.“
Nicht zuletzt gibt diese Hoffnung zu einem Gedankenspiel Anlass, das Antonia Olariu bis zum zurückliegenden Wochenende fremd war: „Zum erstem Mal seit 15 Jahren kann ich mir vorstellen, wieder in Rumänien zu leben, wenn Rumänien anders wird. Ja, das kann ich mir eigentlich sehr gut vorstellen.“