Konsumrausch

Wenn es in Bukarest regnet oder hagelt, dann springen wir wie auf Kommando ins Auto und fahren schnurstracks auf freier Bahn gen Norden. Weil sich dann und nur dann der nervige Wochenendstau nicht bis Ploieşti erstreckt, sondern schon an der Stadtgrenze direkt in den „Vergnügungspark Băneasa“ einmündet und den dort gelegenen Parkplatz überflutet.

Das „Disneyland von Bukarest“ lädt jedes Wochenende Tausende von Schaulustigen zum Bettenparcours durch IKEA ein, zum Beobachten seltener Schrauben-, Ziegel- und Röhrchenarten im Brico Store oder zu einer wilden Abenteuerfahrt durch die französische Käse-Gourmetstraße von Carrefour. Dort kann man völlig ohne Eintrittsgeld nach Herzenslust utopische Waren bestaunen – für ein rumänisches Durchschnittsgehalt jedenfalls. Oder sich in Herrenmodengeschäften im Armani Anzug vorm Spiegel bewundern und zum Andenken an das unvergessliche Erlebnis wenigstens ein paar Söckchen von Bruno Banani erstehen.

Nun können sich Raluca und Roxana statt auf der zugigen Parkbank ungestört im IKEA-Bistro treffen und einen Hotdog mümmeln, der sogar essfertig montiert ausgeliefert wird, obwohl man dort sonst alles selbst zusammenbauen muss. Oder frei von Konsumzwang im Präsentationslabyrinth auf Matratze „Ingolf“ lümmeln und den vorbeispazierenden Jungs hinterherträumen. Vielleicht ist ja einer dabei, der sich so ein Bett – und vor allem die vier Wände drumherum – leisten kann?

Ein ganzes Wochenende Spaß gibt’s auch für unsere Kleinen, die in Einkaufswägen durchs bunte „Fantasieland Konsumrausch“ geschunkelt werden, umgeben von Waren im Wert eines Monatsgehalts – oder nur von einem Joghurt und einem Brot, weil das Gehalt schon bei früheren Abenteuerfahrten aufgebraucht wurde. Der Fahrspaß wird nur dadurch eingeschränkt, dass man sich beim Gucken und Staunen im Schleichgang bewegen muss. Mehr geht nicht, weil andere vergnügungssüchtige Bukarester einem ständig die Bahn verstellen. Herausgeputzte junge Frauen sitzen seit Stunden im mondänen Café auf Plastikledersesseln und rühren im längst kalten Winzig-Mokka oder im zusammengeschmolzenen Eisfrappé.
Wer braucht diese überdimensionalen Einkaufsparks in einem Land, in dem die meisten Menschen sogar am Essen sparen müssen? Ganz einfach: Konsumrausch muss eben rechtzeitig anerzogen werden!