Kräftiger Inhalt und die Liebe zum Tanz

Zweite Auflage des Festivals „Perform(d)ance“

Die Performance „Heterocromia“ ist von Multimedia-Elementen begleitet .

Reut Shemesh und Hella Immler stellen eine Körperkonfrontation dar.
Fotos: Perform(d)ance

Das am Anfang dieses Jahres zum besten Debüt bei den Kronstädter Kulturpreisen preisgekrönte Festival für zeitgenössichen Tanz „Perform(d)ance“ hatte am vergangenen Wochenende seine zweite Auflage. Drei Tanzperformances, aus Deutschland und Rumänien, konnte das Publikum auf der Bühne der Redoute verfolgen, sowie die Fotoausstellung der Kronstädter Künstlerin Orsolya Balint im Foyer besichtigen. Die Tanzworkshops von Cristina Lilienfeld und Smaranda Găbudeanu und die Performance-Party der erst kürzlich gegründeten lokalen Laientanzgruppe “I dance you” haben den hiesigen Tanzliebhabern erneut Schwung und Vertrauen gegeben, dass der zeitgenössische Tanz auch in der Stadt unter der Zinne immer mehr Fuß fasst. Denn diese Kunst ist hier eher unbekannt und vielleicht nicht für jedermann verständlich, da es nicht genaue Schritte gibt, wie etwa bei Salsa, Cha-Cha-Cha oder Walzer, sondern eher Bewegungen, die frei aus dem Körper kommen und in Einklang mit der Musik, den Gefühlen und dem eigenen Körper der Tänzer sind.

Leviah, die tanzende Löwin

Die in Deutschland lebende israelische Choreographin und Tänzerin Reut Shemesh bringt in der Performance „Leviah - Meine sehr enge Uniform ist zum Symbol meiner verlorenen Träume und sexuellen Verwirrung geworden” ihre schlimmen Erfahrungen aus der im verpflichtenden Militärdienst verbrachten Zeit vor das Publikum. Sehr kraftvoll erscheint das Frauenduett Reut Shemesh und Hella Immler auf der Bühne. Die in olivgrünem kurzen Rock und enger Bluse gekleideten Soldatinnen nehmen durch ihre mechanischen Darstellung die Zuschauer direkt in das Militär-Camp mit, wo die 18-jährige Shemesh fast zwei Jahre lang gedient hat. Der Männerschweiß, der Uringeruch ihrer Zimmerkollegin, die Bettwäsche, die Toiletten, Duschen, Stühle, Tische ekeln sie an, erfahren wir von einer leblosen Stimme im Off. Alles ekelt sie so sehr an, dass sie aufhört zu essen, ihre Nöte unterdrückt. Das Einzige was ihr noch Freude bereitet in diesem konfusem Rahmen sind die Sterne am Himmel.

Noch tiefer ist für die Zuschauer aber der Blick in das Innenleben der jungen Frau, die ihre Identität sucht, sich einen Freund wünscht, aber nichts als sexuelle Belästigung, Unterordnung und Gewalt erfährt. Sie, als Frau, scheint nicht mehr zu existieren. Sie ist verletzlich, schwach, so unglücklich wie nie zuvor. Sie verliert ihre Würde, auch die Selbstkontrolle, zerstört das Büro, in dem sie arbeitet. Sie ist wütend, dann aber wie gelähmt. Alles wird von Gegensätzen geprägt, sie will nur noch weg. Die Darstellerinnen tanzen innere und äußere Ausbrüche, brüllen rhythmisch, knallen ihre Körper aneinander, fallen auf den harten Boden, als wäre er ein Daunenbett. Die Angst und Entwürdigung der Frauen-Soldatinnen wird durch Zittern dargestellt, durch starre, hasserfüllte Blicke und mechanisches Handeln, durch Pinkeln (auf die Bühne) der Soldatin mitten im Militär-Einsatz. Die jugendliche Soldatin macht alles mit, weil sie es muss, ist sexuell und phsychisch verwirrt und wird letztendlich gleichgültig, entmenschlicht. „Ich habe nichts gefühlt und nichts hat mich gefühlt”. Alles was sie noch hält, ist die Hoffnung, dass alles bald zu Ende geht.

Und es geht zu Ende. Die Soldatin darf weg, geprägt fürs Leben. 

Shemeshs visuelle Biographie, über die M. Suchy im „Tanz Magazine” (August 2016) schrieb, sie sei „groß, dunkel, mutig, persönlich, aber nicht privat” und dass die Künstlerin dem Tanz ermögliche, “sich mit Verletzlichkeit auseinanderzusetzen, ohne aber das Opfer als klein und hilflos zu beschreiben“ wurde 2016 mit dem Tanz- und Theaterpreis der Stadt Köln ausgezeichnet. Die Kämpferin Reut Shemesh, denn „Leviah” bedeutet Löwin, Kämpferin, schafft es nach dem Militärdienst, ihrem Traum zu Tanzen nachzugehen und sie schafft es auch, durch dieses autobiographische, selbstheilende Werk, die Aufmerksamkeit auf die Belastung des Wehrdienstes für Frauen zu lenken. Die Gedanken an dieses Stück bleiben noch lange in Erinnerung.

Im Rahmen der „Perform-(d)ance” wurde auch die Produktion „Heterocromia” der Klausenburger „Fabrica de pensule“ und des Nationalen Tanzzentrums Bukarest/CNDB, wie auch die Koproduktion von „PETEC“ und „Colectiv A“, „Nicht alle sind Helden“ aufgeführt. Die Laientanzgruppe „I dance you” führte im Kulturzentrum “Visssual” die Performance „Migdalii infloriți” (Die aufgeblühten Mandelbäume) auf, die eine Würdigung des freien Tanzes dargestellt hat.

„Perform(d)ance” wurde vom Deutschen Kulturzentrum Kronstadt in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, der Redoute und “Visssual” organisiert und vom Kronstädter Bürgermeisteramt mitfinanziert.