Lächelnd und gottergeben

Ausstellung über das Schicksal der Bessarabiendeutschen im Bukarester Bauernmuseum

Botschafter Werner Hans Lauk eröffnete die von der deutschen Botschaft unterstützte, vom Deutschen Kulturforum östliches Europa organisierte Ausstellung.

„Im Glück nicht jubeln, im Leid nicht klagen“ – das bezopfte Mädchen im weißen Kleid straft den Titel dieses Bildes Lügen. Foto: aus „Bessarabien“ von Ute Schmidt

24 Paneele vermitteln einen strukturierten Überblick über die 125-jährige Geschichte der bessarabiendeutschen Kolonisten.
Fotos (2): George Dumitriu

„Im Glück nicht jubeln, im Leid nicht klagen“, steht über dem Foto in Schwarzweiß. Das Strahlen des Mädchens im weißen Kleid – mit Handtäschchen, Hut und blütenweißen Söckchen, trotz der staubigen Dorfstraße – straft den Titel Lügen. Davor ein eleganter Mann, bezopfte Mädchen in adretten Blumenkleidern. All dies vor einfachen, ländlichen Häusern. Dahinter hört die Szene einfach auf. Das Dorf löst sich auf im flachen Niemandsland. Eine Insel der Zivilisation. Und Menschen, die neugierig machen: Was gibt ihnen die Kraft, aus dem Nichts etwas aufzubauen – um mehr als nur zu überleben? Was lässt sie ihr Schicksal an und in die Hände nehmen, lächelnd und gottergeben?

„Fromme und tüchtige Leute“ titelt die Ausstellung über 125 Jahre Siedlungsgeschichte der Bessarabiendeutschen, die am 9. Juli vom deutschen Botschafter in Bukarest, Werner Hans Lauk, im Bukarester Bauernmuseum eröffnet wurde und noch bis zum 31. August zu sehen ist. 24 Tafeln mit historischen Fotografien und kurzen Texten auf der Basis des Buches „Bessarabien. Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer“ von Dr. Ute Schmidt liefern Informationen und dokumentarische Eindrücke aus verschiedenen Blickwinkeln zum Schicksal der Bessarabiendeutschen zwischen 1814 und 1940. Die grafische Gestaltung stammt vom Künstler Ulrich Baehr.

Eine Auswanderergeschichte

Es begann mit der Auswanderung von etwa 13.000 Menschen aus Südwestdeutschland und Preußen im Zeitraum 1813-1828. Dann ein Neubeginn im entvölkerten Niemandsland, das der russische Zar Alexander I. dem osmanischen Sultan Mah-moud II. im Friedensvertrag von Bukarest 1812, mit dem der siebte russisch-osmanische Krieg beendet wurde, abgerungen hatte. „Fromme und tüchtige Leute“ wollte der Monarch daraufhin ins Land locken, in dem Bestreben, die russische Agrarwirtschaft durch Ansiedlung erfahrener Bauern, Weinbauern und Handwerker zu modernisieren. Schuldenfrei mussten sie sein, mit mindestens 300 Gulden ausgestattet, „nutzlose Künstler“ waren ausdrücklich unerwünscht. Für ihren Wagemut wurde den Einreisewilligen im Gegenzug ein Leben in Freiheit versprochen, die Ausnahme vom Militärdienst, religiöse Selbstbestimmung, eigener Grund und Boden und Aufbauhilfe. Doch das Schicksal zeigte sich den tapferen Kolonisten nur kurz von der Sonnenseite. 125 Jahre später sind die meisten längst in die alte Heimat zurückgekehrt, einige fanden im fernen Amerika eine neue Zukunft.

Spielball politischer Willkür

Schon 1871 wurden die Kolonistenprivilegien von den Russen aufgehoben, erklärt Lektorin Ute Schmidt von der Freien Universität Berlin. Eine Auswanderungswelle, damals vor allem nach Amerika, setzte daraufhin ein. 1915/16, nach Beginn des Ersten Weltkrieges, hatte die russische Regierung dann plötzlich verfügt, dass die Nachkommen der deutschen Einwanderer, die pauschal der Kooperation mit Deutschland bezichtigt wurden, kein Land mehr erwerben dürften. Ihre Deportation nach Sibirien war bereits beschlossen, blieb ihnen aber dann doch erspart.
1919, am Ende des Ersten Weltkrieges, wurde Bessarabien an Rumänien angegliedert.

Weil Deutschland 1939 im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes, der den Nichtangriff auf Russland besiegelte, auf jegliches Interesse an Bessarabien verzichtet hatte, forderte die Rote Armee im Juni 1940 Rumänien auf, die Nordbukowina und Bessarabien zu räumen. Zwei Tage später besetzten die Russen die Gebiete. Eine deutsch-sowjetische Umsiedlungskommission organisierte die Ausreise von ca. 93.000 Bessarabiendeutschen, die in über 800 Auffanglager auf dem Balkan verteilt und an neue Bestimmungsorte im deutschen Reich entsandt werden sollten. Nur etwa 2000 Kolonisten blieben zurück, der Rest war bereit zur Ausreise. Zu sehr fürchtete man sich erneut vor der russischen Willkür.
Zunächst wurden die Rückkehrer in das von Hitler besetzte Polen umgesiedelt, wo sie als Entschädigung für die zurückgelassenen Besitztümer polnische Höfe zugeteilt bekamen. Nur fünf Jahre später mussten sie auch von dort flüchten und in einem geteilten Deutschland wieder ganz von vorne anfangen...

Die Erinnerungen leben weiter

Lange ist es her... Und doch gibt es Menschen, die sich dem damaligen Bessarabien – heute zwischen der Republik Moldau und der Ukraine aufgeteilt – immer noch verbunden fühlen. Sie haben sich im Bessarabiendeutschen Verein in Stuttgart zusammengeschlossen. Dass am Thema noch Interesse besteht, zeigt auch eine 2012 in Ludwigsburg organisierte Konferenz „Der Bukarester Frieden 1812. Bessarabien wird unsere Heimat“, mit einem Zulauf von über 1000 Teilnehmern. 2100 aktive Mitglieder zählt der Verein, hinzu kommen ca. 12.000 Sympathisanten, die zu den Kulturveranstaltungen erscheinen oder Familienforschung betreiben, so der Vorsitzende Günter Vossler. Noch heute fühlen sich die Bessarabiendeutschen durch gemeinsame Werte verbunden: eiserner Familienzusammenhalt, starke Glaubensprägung, hohes soziales Engagement und die für Osteuropa typische Gastfreundschaft, die man im Rahmen des langjährigen, friedlichen Zusammenlebens mit den Moldauern, Russen, Ukrainern, Bulgaren und Juden dort gelernt hatte.

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es auch wieder direkten Kontakt ins ehemalige Bessarabien: Jährlich reisen ca. 800 Vereinsmitglieder in die alten Heimatdörfer und 20 bis 50 Menschen werden nach Deutschland eingeladen. In den letzten 25 Jahren wurden dort 70 Gedenksteine gesetzt, die lutherische Kirche in Sarata saniert, ein deutscher Bauernhof in Friedenstal restauriert und in ein Bauernmuseum verwandelt, ein Haus der Geschichte in Hoffnungsfeld eingerichtet und ein Begegnungszentrum im alten Knabengymnasium in Tarutino eröffnet, berichtet der Vorsitzende. Dort soll diese Ausstellung am Ende ihrer Tournee landen.

Kolonistenleben hautnah

Die Wanderausstellung, die bereits durch mehrere Städte Deutschlands, in die USA und nach Südosteuropa gereist ist – 2012 gastierte sie in Hermannstadt/Sibiu und 2014 in Galatz/Gala]i – vermittelt neben einem gut strukturierten Gesamtüberblick auch eindringliche Momentaufnahmen. Die Paneele sind farblich voneinander abgesetzt und nach Etappen der Entwicklung und Themen aus dem dortigen Alltag gegliedert:

* „Einwanderung“: Ein Foto von den hölzernen Zillen – auch Ulmer Schachteln genannt – die flussabwärts die Donau hinuntergleiten, dazu der Text aus einer Tagebuchaufzeichnung aus dem Jahr 1817: „In Galatz erfuhren wir zu unserem größten Schrecken, dass dort die Pest sehr stark herrsche und wir also deswegen noch ungefähr dreißig Stunden weiterfahren mussten. In Ismael wurden auch viele auf unserem Schiff krank, in dem das Klima sehr ungesund ist... Zum öfteren starben in einem einzigen Tag zehn bis zwanzig, auch bisweilen dreißig Personen“.
* „Anfänge“: Das oft zweifelhafte Glück in der neuen Heimat war schwer erworben. „Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot...“ titelt das Paneel. Pest, Hunger, Kälte und eine hohe Kindersterblichkeit dezimierten die von der Reise stark geschwächten Einwanderer fast um ein Drittel. Die Bilder dazu – eine Schafherde und ein Pferdewagen im Hintergrund – gaukeln Naturidylle und Dorfromantik vor.

* „Fürsorgekomitee“: 1818 richtete die russische Regierung eine Behörde ein, die bis 1871 für die Besiedlung und Entwicklung des Schwarzmeergebietes zuständig war. Dies als Folge auf die erste Ansiedlungsphase, die von der „korrupten, oft auch brutalen Herrschaft russischer Unterbeamter gekennzeichnet war“. Das Fürsorgekomitee sollte die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Innovation, Bildungsstreben und Selbstverantwortung fördern. Den freien Bauern der deutschen Kolonie kam eine Modellfunktion im Zarenreich zu, in dem die Leibeigenschaft erst 1861 aufgehoben wurde. Für Zar Alexander I. war die Ansiedlung der Deutschen ein gesellschaftspolitisches Experiment.
* „Religion“: „Der Alltag der Siedler war geprägt durch die protestantische Ethik – Frömmigkeit, Fleiß, Bescheidenheit“, heißt es hier. Die deutschen Kolonisten waren überwiegend Protestanten, es gab nur vier katholische Gemeinden. Über Spenden finanzierten die Dörfer kirchliche Sozialwerke und erbauten sogar ein Krankenhaus. Dort wurden auch Patienten anderer Nationalitäten gepflegt und die Schwesternausbildungsanstalt von Sarata bildete Krankenschwestern für ganz Südrussland aus.

Die Donau hinauf und hinunter

Einen direkten Blick in diese Vergangenheit vermittelt der 60-minütige Dokumentarfilm von Péter Forgács, „Exodus auf der Donau“, der im Anschluss an die Eröffnung gezeigt wurde. Den mehrfach preisgekrönten Streifen über den Transport freigekaufter Juden aus Bratislava in Richtung Palästina und der Bessarabiendeutschen auf der Rückfahrt stromaufwärts verdanken wir den Amateuraufnahmen des Kapitäns der „Königin Elisabeth“, Nandor Andrásovits. Und auch hier fasziniert wieder dieser unerklärliche Gegensatz: Momente intensivsten Glücks vor dem Hintergrund einer ungewissen Zukunft – ein Kuss, ein strahlendes Lächeln. Aufblinkende Hoffnungsfunken, die für Sekunden die Ungewissheit überdecken. Immer wieder und wieder ist ein Neubeginn möglich.