Manipulationswerkzeug Facebook

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In der Werbeindustrie und im PR ist es üblich, dass man von der Analyse scheinbar trivialer Indizien ausgeht: jemand liebt John Lennon, isst gern Blutwurst, schaut Action-Filme, liest ab und zu philosophische Abhandlungen, etc. Macht dann statistische Interferenzen mit je größeren Massen von Individuen, nutzt Gesetze der Wahrscheinlichkeitstheorie und zieht Schlussfolgerungen über die Individuen der analysierten Masse. Man identifiziert Daten zu ihren politischen und philosophischen Überzeugungen, zu Charakteristika ihrer Persönlichkeit, über ihren Gesundheitszustand, sogar ihren Geschmack (in der Werbung relevant). Vermutungen mit hoher Zuverlässigkeit über ihre emotionalen Reaktionen werden angestellt, für den Fall einer bestimmten Nachricht.

Ahnen Sie es? Man kann heute, triviale Signale eines Individuums analysierend (wie man sie auf Facebook durch Like und Share äußert), auf Massenreaktionen schließen, wenn man einen Satz Daten über ausreichend viele Individuen zur Verfügung hat. Zum Beispiel über deren Wahlverhalten unter bestimmten Randbedingungen, bzw. über die Signale, die auszusenden sind, um ihr Wahlverhalten zu beeinflussen. Denkt man das weiter, wird´s haarsträubend – und doch: Es ist bereits geschehen!

Der Skandal um Zuckerbergs Facebook und um Cambridge Analytica (CA) mit 50 Millionen Facebook-Adressen lief auf ein ähnliches Szenario hinaus. Die Wahl Trumps dürfte viel weniger auf das Werkeln russischer Geheimdienste und Hacker zurückzuführen sein (waren das Ablenkungsmanöver, um das Wühlen von Cambridge Analytica zu decken?), sondern eher auf Vorgänge, die bei der heutigen Analysetechnik mittels Computern durchaus in den Bereich des Möglichen gerückt sind. Genauso, wie es immer wahrscheinlicher wird, dass man aus einem Text – z. B. dem vorliegenden – faktisch alles über den, der ihn schrieb, herauslesen kann, indem man den Inhalt ignoriert und einfach die Schreibtechnik, die individuelle Art zu tippen, abzuspeichern, Korrekturen und Denkpausen inclusive, analysiert (darüber gibt´s bereits Forschungen...).

Das Erregende am Vorgehen von CA ist die politische Dimension der Analyse der Massenpsychologie. Die Trump-Wahl und die Brexit-Entscheidung sind Beispiele für die Effizienz solcher Analysemethoden und der Beeinflussungsmaschinerie von CA. Im Klartext: Beeinflussung politischer Entscheidungen, Bedeutungsverlagerungen zwischen freier Entscheidung des Individuums und der (unterbewusst und/oder bewusst eingesetzten) Überredungsarbeit, der Persuasion. Grundsätzlich passiert dasselbe wie beim Überzeugen eines Kunden, etwas zu erwerben, das er nicht braucht – nur ist die Tragweite des Vorgehens von Cambridge Analytica mittels Facebook-Profilen weltumspannend und zukunftsformend, potenziell global gefährlich. Niemand kann garantieren, dass auf diese Weise kein neuer Stalin oder Hitler geschaffen wird. Durch wissenschaftlich ausgeklügelte Beinflussungstechniken gewissenloser Manager und Forscher, eines Christopher Wylie oder Aleksandr Kogan, des IT-Experten aus Chișinău.

Von Donald Trump wissen wir, dass sein Wahlkampfteam mit Cambridge Analytica zusammengearbeitet hat. Über den Ausgang des Brexit gibt es zumindest glaubhafte Vermutungen. Nun haben wir einen rassistischen, frauenfeindlichen und hysteroiden „Führer der freien Welt“. EU-Europa wurde per Brexit geschwächt.
Liberal denkend könnte man sagen: Jedes Individuum schläft, wie es sich bettet. Nur: bettet es sich bei diesen Persuasionsmöglichkeiten selbst? Oder wird´s gebettet? Die Manipulativrhetorik des politischen Wahlkampfs untergräbt das kritische Denken und schadet ganzen Gemeinschaften (siehe Rumänien: PSD/ALDE-Regierung, nicht ganz sicher ohne Cambridge Analytica...).

Das freie Wort wird verdächtig. Gilt noch Hannah Arendts „Die Freiheit, frei zu sein“?
Mehr denn je.