„Miniatur-Europa soll bewahrt werden“

Debatte über UNESCO-Welterbe in Rumänien im Schillerhaus

Das Publikum war zahlreich, bei der Konferenzdebatte waren Zuhörer aus allen Alterskategorien anwesend.
Foto: Aida Ivan

Ende April fand im Bukarester Schillerhaus erneut eine Konferenzdebatte statt, die diesmal dem vielschichtigen Thema „Das UNESCO-Welterbe in Rumänien“ gewidmet wurde. Daran teilgenommen haben Akademiemitglied Răzvan Theodorescu, UNESCO-Vertreterin Daniela Popescu, Fotograf George Dumitriu und Biodiversitätsexpertin Atena Groza. Bei diesem Anlass wurde auch die Fotoausstellung des Künstler-Fotografen George Dumitriu eröffnet, der sich seit vielen Jahren für die Förderung des rumänischen Kulturerbes einsetzt.

Des Weiteren konnte sich das Publikum an der musikalischen Begleitung der Veranstaltung erfreuen. Nachdem die Syntharp, ein neues Musikinstrument, das digitale Töne in analoge umwandelt, von dem Orgelbauer Ferdinand Stemmer vorgestellt worden war, übernahm die Organisatorin Aurora Fabritius die Moderation der Debatte und lud Akademiemitglied Răzvan Theodorescu dazu ein, die Diskussion zum rumänischen UNESCO-Erbe zu starten.
„Das Erbe haben wir von unseren Eltern bekommen und wir müssen es weiterhin bewahren”, begann der Geschichts- und Kunstgeschichtsexperte Theodorescu. Mit Nachdruck machte er auf den beträchtlichen Umfang des rumänischen Patrimoniums aufmerksam, welcher von den Menschen oft vergessen wird: „Rumänien hat eine riesige Chance – es ist ein Miniatur-Europa. Innerhalb von 24 Stunden kann man griechisch-römische Burgen, Renaissanceschlösser, gotische und romanische Kirchen, Gebäude im Jugend- oder Bauhausstil besichtigen.“

Die UNESCO vergibt den Titel Welterbe (Weltkulturerbe und Weltnaturerbe) an Stätten, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit, Echtheit und Integrität Weltbedeutung erlangt haben. Sieben solche Stätten aus Rumänien haben diesen Titel in den 90er Jahren bekommen – die dakischen Festungsanlagen, die sächsischen Kirchenburgen, Schäßburg/Sighişoara, die Holzkirchen aus der Maramuresch, die Klöster aus der Bukowina, das Kloster Horezu und das Donaudelta (Weltnaturerbe). Zwei davon haben eine direkte Verbindung zur sächsischen Welt in Rumänien: Es sind die Kirchenburgen in Siebenbürgen (Birthälm/Biertan, Kelling/Câlnic, Tartlau/Prejmer, Keisd/Saschiz, Wurmloch/Valea Viilor und Deutsch-Weißkirch/Viscri – dazu kommt noch die Szeklerburg in Ders/Dârjiu) und die einzige mittelalterliche Burg in Europa, die noch bewohnt wird, Schäßburg. Um solche Denkmäler muss man sich kümmern, sie sind nicht im Besitz eines Volkes, sondern im Besitz der ganzen Menschheit, hieß es weiter. Viele geraten aber in Vergessenheit, nur wenige werden beschützt. „Mindestens ein UNESCO-Denkmal ist in Gefahr, von der Liste ausgeschlossen zu werden”, hob der Experte hervor und bezog sich auf den unzulässigen Umgang der Lokalbehörden mit den Überresten der dakischen Festungen.

Über die Aktivität der Europäischen Föderation der Vereine, Klubs und Zentren der UNESCO in Rumänien informierte anschließend Präsidentin Daniela Popescu. Der Schwerpunkt wurde danach von Biodiversitätsexpertin Atena Groza auf die brennenden Probleme des Donaudeltas gelegt. Edward Bratfanof, Gouverneur des Donaudeltas (amtlich heißt die Behörde, die er leitet, ARBDD - Administraţia Rezervaţiei Biosferei Delta Dunării), war auch anwesend. Die Teilnahme des Publikums an den Gesprächen sorgte für lebhafte Diskussionen, die ein breites Spektrum an Aspekten abdeckten, was das rumänische Kultur- und Naturerbe anbelangt: Besprochen wurden Themen wie Roşia Montană, das 1987 abgetragene Kloster Văcăreşti, die Zukunft des Donaudeltas, was zeigte, dass die Menschen sich Sorgen um das Erbe und dessen Bewahrung machen. Gesprochen haben unter anderen auch Christiane Cosmatu, die Unterstaatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen, und die Anwältin Paula Iacob. Verglichen wurde die UNESCO-Welt mit der Welt einer Familie, deren Mitglieder sich sehr lieben und respektieren: „Wer das Erbe liebt, liebt sich selbst”, hob die bekannte Anwältin hervor.

Der Fotograf George Dumitriu, der seit vielen Jahren ein Interesse für das rumänische Kulturerbe hegt, erinnerte an sein Bestreben, die imponierende Schönheit der Denkmale in den Vordergrund zu stellen. Der Fokus seines künstlerischen Interesses richtet sich auf die sächsischen Kirchenburgen, die in ihrer Einzigartigkeit und so dicht beieinanderliegend wie in Siebenbürgen nirgendwo sonst in Europa zu finden sind. Zwar sei deren Existenz einem praktischen Grund zu verdanken – dem Wunsch nach Sicherheit, Geborgenheit –, das Schöne ist aber allgegenwärtig, meinte er: „Menschen hatten nicht nur Zeit für das, was zum Überleben notwendig war, sondern auch für das Schöne.” Die Harmonie der Strukturen, die künstlerischen Ornamente, die Wandmalereien entspringen nicht einzig dem bloßen Überlebenswillen.
„George Dumitriu ist zweifellos einer der besten Künstler-Fotografen Rumäniens. Wir arbeiten seit mehr als 20 Jahren zusammen und ich konnte feststellen, dass er die außergewöhnliche Fähigkeit besitzt, das Geheimnis, den Reiz, die Farbe der Monumente zu entdecken, denen er sich annähert. Bei dieser Ausstellung findet man überraschende Winkel, ungewöhnliche Kühnheit und Poesie, die George Dumitriu als idealen Künstler auszeichnen, für die Entdeckung der gestrigen und heutigen Schönheiten”, erklärte Akademiemitglied Răzvan Theodorescu der ADZ.

Die Ausstellung wird zukünftig auch in anderen Städten zu sehen sein. In Bukarest kann sie im Schillerhaus bis zum 15. Mai besichtigt werden.