„Mit allerhöchster Geschwindigkeit...“

Wie Bürgermeister Robu den Temeswarer Steuerzahler zu trösten weiß

100.000 Euro und das Leben des 24-jährigen Zahnmedizin-Studenten Vlad Baici. Das sind die Kosten der Modernisierung durch die Verwaltung von Bürgermeister Nicolae Robu der beiden Temeswarer Stadttore. Bekanntlich stürzte das Tor, das an der Lugoscher Straße stand, während des ungewöhnlich starken Sturms vom 17. September 2017 ein und und riss den einen VW Golf fahrenden jungen Mann mit in den Tod. Niemand fühlte sich damals verantwortlich, am allerwenigsten Bürgermeister Nicolae Robu, der 2015 die Modernisierungsarbeiten veranlasst hatte und sie in einem eher fragwürdigen Verfahren einem Unternehmen mit dem Namen Stareto S.R.L. anvertraute. Zwar ging die Ausschreibung über das übliche SEAP, das elektronische System für öffentliche Auftragsvergabe, doch der ehemalige City-Manager Sorin Drăgoi, eine zwielichtige Gestalt, die Robu inzwischen losgeworden ist, soll mit im Spiel gewesen sein. Schließlich versprach der Auftrag viel Geld und nur wenig Aufwand.

Nun will der Bürgermeister das an der Arader Straße weiterhin existierende Stadttor abreißen lassen, die Konstruktion ist trotz der Sicherungsarbeiten, die November 2017 und vor etwa einem Monat durchgeführt worden sind, weiterhin stark einsturzgefährdet. Aber Nicolae Robu weiß den Temeswarer Steuerzahler und vor allem sich selbst zu trösten: Seiner Ansicht nach, habe sich die 100.000 Euro-Investition gelohnt, wenigstens für ein paar Jahre sollen die beiden Stadteinfahrten aus Richtung Arad und Lugosch gut ausgesehen haben. Es bleibt zweifelhaft, ob die weiße Inschrift auf tristem Grau wirklich so gut ausgesehen hat, aber darum soll es nicht gehen. Schließlich gilt: „De gustibus non disputandum est“.

Wenn es aber um das anscheinend längst vergessene Kollateralopfer geht, sollte man, sehr zum Ärger des Stadtvaters, ein bisschen nachhaken. Auch wenn diesen jetzt andere Sorgen plagen. Nämlich diese: Robu ist sich nicht mehr sicher, ob er die noch bestehende Konstruktion an der Arader Straße mir nichts, dir nichts abreißen kann, er habe bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt und noch keine Antwort bekommen. Etwa zwei Monate nach dem Einsturz des Lugoscher Stadttors habe er seine Verwaltung angewiesen, alle Maßnahmen zu ergreifen, damit von dem übrig gebliebenen Tor keine Gefahren für die Bürger mehr ausgehen. Die 2015 für insgesamt 100.000 Euro, 50.000 Euro pro Objekt, angebrachten Lettern in weißer Farbe wurden sofort entfernt. Leider habe man dann im März die Feuerwehr einschalten müssen, weitere Teile des Tores drohten einzustürzen. Schade nur, dass sich im März auch das Staatliche Bauamt einschaltete, gegen die Stadt Temeswar eine Geldstrafe von 10.000 Euro verhängte und weitere Maßnahmen anordnete, darunter auch die Erstellung eines Gutachtens.

Dieses will der seine Hände stets in Unschuld waschende Bürgermeister nicht mehr durchführen lassen, er sehe auch keinen Grund dazu. Schließlich habe er von Anfang an für den Abriss der beiden, vor 1989 gebauten Tore plädiert und sie erst dann modernisiert, nachdem man ihm mehrmals versichert habe, dass die beiden Konstruktionen sicher wären. Aber man erinnere sich: In den Jahren 2015 und 2016 zählten die Modernisierungsarbeiten an den beiden Stadttoren zu den Errungenschaften des Bürgermeisters, er listete sie in all seinen Rechenschaftsberichten auf, es waren solcher nicht wenige. Man lese schnell auf Facebook oder in der Lokalpresse von damals nach, solange zumindest, bis der Mann seine Facebook-Posts nicht löscht oder ändert. 2014 zum Beispiel erklärte er, dass die Modernisierung der Tore einer seiner Träume sei. Die Entwurfsarbeiten wollte er damals „mit der allerhöchsten Geschwindigkeit“ durchführen lassen. Ein Indiz für die grobe Fahrlässigkeit der Verantwortlichen oder nur eine für Robu übliche Phrase? Will er doch als jener gelten, der die Stadt so kraftvoll vorangebracht hat wie kein anderer vor ihm und natürlich wie es keinem nach ihm gelingen wird.

Am Ende wird es höchstwahrscheinlich ein Gericht entscheiden, schwer zu leugnen ist jedoch, dass die beiden Stadttore sicher waren. Zumindest bis sich die von der Stadtverwaltung auserwählte und vollkommen unbekannte Firma ans Werk machte. Denn der Grund für den Einsturz vom September 2017 soll ja nicht der Sturm an sich gewesen sein, die alten Tore hätten diesem standhalten können. So zumindest die Meinung der von dieser Zeitung befragten Statiker und so auch das vorläufige Fazit des Bauamtes. Die vor 1989 angebrachten Großbuchstaben waren an einem Gitter befestigt, durch das der Wind wehen konnte, sodass die ganze Konstruktion standhielt. 2015 habe man dieses Gitter geschlossen, kein Windstoß konnte also mehr durchwehen, doch die Säulen habe niemand auf ihre Tragfähigkeit untersucht.

Während die Staatsanwaltschaft im Falle des Todes von Vlad Baici weiterhin ermittelt, erzählt Bürgermeister Nicolae Robu, der bereits gemeinsam mit seinem Vize, Dan Diaconu, vor den Ermittlern aussagen musste, dass zumindest für ein paar Jahre das Image der Stadt besser gewesen sei. Ein Hohn sondergleichen, selten haben sich Politiker hierzulande erlaubt, den Verlust eines Menschenlebens, den sie zumindest indirekt zu verantworten haben, auf derartige Weise zu verhöhnen. Und auch wenn sich am Ende herausstellen sollte, dass der Bürgermeister selbst unschuldig ist, dass er für die allerhöchste Geschwindigkeit, sprich für die grobe Fahrlässigkeit seiner Beamten und des ausführenden Unternehmens, nicht zur Rechenschaft gezogen werden muss, auch dann bleibt seine Aussage eine Schande für diese Stadt und für ihren Geist. Schließlich stand auf dem eingestürzten Querbalken, der Baici in den Tod riss, folgender Text: „Timișoara, orașul declanșării Revoluției Române din Decembrie 1989“ – Temeswar, die Stadt, in der die Rumänische Revolution von 1989 ihren Anfang nahm.

Unter anderem auch damit ein demokratisch gewählter Bürgermeister ohne Rücksicht auf Verluste, im festen Glauben an seine historisch einmalige Berufung, die Stadt modernisiert und dabei keinesfalls an einem verflixten Tor stolpern kann, dessen Statik vor der Wende mit anscheinend größerer Verantwortung durchdacht wurde, als es die jetzige Profitgier freier Unternehmer, die Gedankenlosigkeit so manches Kommunalpolitikers und die Unbedarftheit vieler Beamten nun wohlwollend erlauben.