Mittelalterlicher Zeitvertreib und touristische Abfertigung

Burgfestival Hermannstadt bietet nichts als Fassade

Hermannstadt – Entsprechend gekleidete Freiwillige und Komparsen, aber auch Musiker, Handwerker, Tänzer, Straßenkünstler und berittene Schauspieler prägten von Freitag, dem 24. August, bis einschließlich Sonntag, den 26. August, das Aussehen des Großen Rings/Piața Mare in Hermannstadt/Sibiu, wohin zu der 18. Auflage des alljährlichen Mittelalterlichen Siebenbürgischen Burgfestivals (Festivalul Medieval Cetăți Transilvane, FMCT) eingeladen worden war. An allen drei Tagen der Wochenendveranstaltung hielten von jeweils 9 bis 22 Uhr zahlreiche Verkaufsstände mittelalterlich inspirierte Erzeugnisse wie lederne Gebrauchsgegenstände und aus Leinen angefertigte Kleidungsstücke zum Verkauf bereit. Zusätzlich zu dem jahrmarktähnlichen Dauerangebot bot sich während des FMCT 2018 auch die Gelegenheit, an zahlreichen interaktiven Ateliers teilzunehmen, sowie Theatervorstellungen oder akrobatische Zirkuseinlagen unter freiem Himmel zu erleben. Abendliche Live-Auftritte einiger musikalischer Formationen wie beispiels-weise „Irdorath“ (Weißrussland), „Obscurus Orbis“ (Lettland) und „Strella do Dia“ (Portugal) rundeten das Programm des FMCT 2018 ab. Nicht zu vergessen sind pyrotechnische Unterhaltungsmomente, die am Freitag- und Sonntagabend auf dem Großen Ring gefeiert wurden.
Ob Hermannstadt und der Große Ring ausdrücklich stolz auf das FMCT sind, ist fragwürdig. Randvoll steht die Liste all jener Wochenendveranstaltungen, die mit jährlicher Regelmäßigkeit reihum in das Zentrum der Stadt am Zibin einfallen. Nebst wenigen herausragenden Ereignissen muss der Hermannstädter Hauptplatz leider auch eine kommerzielle Vielfalt unpersönlicher Kultur- und Messeangebote geschehen lassen. In letztere Schublade ist auch das Mittelalterliche Siebenbürgische Burgfestival zu verbannen. Durch die fast gänzlich aus Pappmaché angefertigte Fassade des FMCT gehen tausende, leicht zu begeisternde Zuschauer ein und aus, die dem mittelalterlichen Wochenendfestival keine erschreckend hoch angesetzte Messlatte entgegenhalten. Deswegen verwundert es nicht, dass junge Freiwillige des mittelalterlich gekleideten Festivalteams an versteckten Ecken des Großen Rings abseits der Publikumsmassen sich gelangweilt und rauchend von dem anstrengenden Unterhaltungsbetrieb erholen. Ebenso stutzig macht auch das Bild zahlloser Freiwilliger, die sich eben mal rasch an der Eisdiele eine Erfrischung gönnen und schnurstracks an ihren Platz in den Verkaufsständen zurückkehren, währenddessen aber eifrig das Smartphone bedienen. Unter derartigen Umständen ist auch trotz Ritterrüstungen, Handwerkskitteln und Damenroben jede ehrfurchtsvolle Authentizität des Mittelalterlichen Siebenbürgischen Burgfestivals in Hermannstadt nicht gegeben.