„Mittlerweile bin ich als Moldauer adoptiert und fühle mich sehr wohl hier“

ADZ-Gespräch mit Alexander Rubel, dem DAAD-Lektor an der Universität „Al. I. Cuza“ in Jassy

Alexander Rubel ist DAAD-Lektor an der Uni „Al. I. Cuza“ in Jassy.
Foto: privat

Alexander Rubel ist ein in Jassy/Iaşi sehr bekannter Name: Als Direktor des Goethe-Instituts, dann als DAAD-Lektor an der Alexandru-Ioan-Cuza-Universität steht er seit vielen Jahren im Dienste der deutschen Sprache und Kultur, die er im Osten Rumäniens stark gefördert hat und auch weiterhin fördert. Er ist auch der Direktor des Instituts für Archäologie der Rumänischen Akademie, Filiale Jassy. Kürzlich wurde ihm der Preis der Rumänischen Akademie verliehen. Das Interview zu diesem Anlass führte ADZ/BZ-Redakteurin Ştefana  Ciortea-Neamţiu.

Unter den Namen der Forscher, die im Dezember mit einem Preis der Rumänischen Akademie gewürdigt wurden, steht auch Ihrer. Welches Gefühl war das, wenn man in Betracht zieht, dass diese Preise hierzulande ein großes Prestige haben?

Ich bin natürlich sehr stolz, denn die Akademie hat ja einen ganz besonderen Nimbus und deswegen habe ich mich auch persönlich sehr gefreut. Praktisch kommt hinzu, dass ich mit dieser Ehrung symbolisches Kapital in Rumänien akkumulieren kann.

Ihre Arbeit war zum antiken Athen: „Angst und Schrecken im alten Athen. Religion und Politik während des Peloponnesischen Krieges“. Was hat Sie an dem Thema begeistert? Was war Ihr Fazit?

Dieses Buch von 2014 (die Preise für die Publikationen aus dem Jahr 2014 wurden erst kürzlich verliehen) ist eine Neubearbeitung meiner Doktorarbeit aus dem Jahr 2000 mit einigen neuen Ideen und entstand unter Einarbeitung der jüngeren Literatur zum Thema. Mich erneut mit diesem Thema zu beschäftigen, war eine Herausforderung. Eine rumänische Übersetzung der alten Variante erschien übrigens im Universitätsverlag von Jassy 2006. Worum geht es darin? In einem Satz: Mein Ziel war es aufzuzeigen, dass die „Griechen“, genauer die Athener, über die wir am meisten wissen und weswegen wir sie als Stellvertreter aller „alten Griechen“ heranziehen, trotz ihrer Hochkultur und den Errungenschaften in Philosophie und Literatur zu Zeiten von Sokrates, Platon und Thukydides doch im Kern eine vormoderne Gesellschaft bildeten, die irrationalen Ängsten und Stimmungen, die wir heute als „religiösen Aberglauben“ abtun würden, unterworfen waren. In der Arbeit konnte ich zeigen, dass angesichts einer Krise diese philosophisch-rationalen Griechen, die Begründer des „Abendlands“ – um es mit Obelix (aus Asterix und Obelix) zu sagen –, Angst hatten, dass ihnen aufgrund des Zorns der Götter „der Himmel auf den Kopf fällt“.

„Nur die Rumänen meckern über dieses wunderbare Land“

Sie sind seit zirka zehn Jahren DAAD-Lektor in Jassy. Was hat Sie damals angeregt, ins Ausland zu gehen?

Insgesamt werden es bald zehn Jahre gewesen sein, aber in zwei „Mandaten“, unterbrochen von einer vierjährigen Pause. Zweimal habe ich also separat für den DAAD in Jassy gearbeitet. Zunächst kam ich gar nicht für den DAAD nach Jassy, sondern als Angestellter des Goethe-Instituts, um das Goethe-Zentrum in Jassy (heute Kulturzentrum) zu leiten. Eigentlich wollte ich nur für zirka drei Jahre nach Rumänien, bin aber dann mit kurzen Unterbrechungen länger geblieben. Aber nur die Rumänen meckern über dieses wunderbare Land. Mittlerweile bin ich als Moldauer adoptiert und fühle mich sehr wohl hier.

Wie war die Uni damals in Jassy?


Die Uni „Alexandru Ioan Cuza“ – die Hauptuni, an der ich auch beschäftigt bin – hat in den letzten zehn Jahren eine enorme Entwicklung durchgemacht, ist viel internationaler geworden und erreicht im nationalen Vergleich beste Platzierungen im Ranking, besonders in der Forschung. Vor Jahren war der Uni-Betrieb noch etwas „altmodischer“. Professoren lasen in den Vorlesungen aus Manuskripten in seltsam gelblichem Papier, wie es vor 1990 hergestellt worden war. Manche Vorlesungen haben also die Revolution unbeschadet überstanden. Heute ist das ganz anders. Moderne Methoden und elektronische Hilfsmittel haben die Hörsäle erobert. Damit ging aber auch ein spezifischer Charme des „wilden Ostens“ verloren.

„Deutsch hat anhaltende Konjunktur“

Wie viele Studenten haben Sie für die deutsche Sprache und für ein Studium – oder auch einen kürzeren Studienbesuch – in Deutschland begeistern können?

Ja – im Rückblick auf die vergangenen Jahre muss man sagen: unzählige. Ich bekam unlängst wieder mal eine E-Mail von einem ehemaligen Studenten, dem ich zu einem Hochschulsommerkurs (etwa 2005) geraten hatte. Er schrieb mir vor Kurzem, dass dieser Kurs für seine Karriere ausschlaggebend war. Er ist heute Augenarzt in Freiburg. Allerdings hat sich die Situation etwas geändert. Früher war es nicht so einfach, „nur mal so“ nach Deutschland zu fahren. Man brauchte ein Visum, eine Einladung, ein Stipendium. Es war viel schwieriger, Auslandserfahrung zu bekommen. Heute kennen viele Studenten die Welt schon, auch verfügen sie im Schnitt über mehr Geld als ihre Vorgängergeneration. Interessanterweise wollen auch viele gar nicht mehr raus. Die finden es im „Hotel Mama“ einfach besser.

Wie ist es heute an der Uni? Und wie ist das Interesse für die deutsche Sprache und für Deutschland?

Die Uni hat sich in vielerlei Hinsicht verändert, auch das Germanistikstudium orientiert sich heute stärker an den Bedürfnissen der Studenten, die in erster Linie die Sprache erlernen wollen und nur an zweiter Stelle über Goethe und Thomas Mann etwas wissen wollen. Das Interesse für unsere Sprache ist andauernd hoch, weil Deutschland Perspektiven bietet, auch durch die vielen deutschen Firmen, die hier in Rumänien sind. Der große Braindrain scheint mir auch vorüber zu sein. Nur noch eine überschaubare, aber doch signifikante Gruppe junger Menschen will auswandern. Deutsch hat vor diesem Hintergrund anhaltend Konjunktur.

„Finde deinen Weg!“

Wie sind Ihre Studenten heute? Welches Bild haben die Studenten von Deutschland?

Schwer zu sagen. Sie sind eher wie Schüler, passiver und weniger an Hintergründen und den Quellen des Wissens interessiert. Die erste Generation, die ich kennenlernen durfte, konnte hintergründiger denken und war nachdenklicher. Aber die hatten noch keine iPhones und waren nicht ständig auf Facebook. Klingt jetzt ein wenig wie der Untergang des Abendlandes, soll es aber nicht. Alle Dinge haben ihre Zeit.

Sie werden im Sommer als DAAD-Lektor aufhören. Was werden Sie danach tun? Werden Sie sich noch einmal bewerben?

Eine Bewerbung ist ausgeschlossen. Auch hierfür gilt: Alle Dinge haben ihre Zeit. Der DAAD wird in Jassy in Zukunft eine Frischzellenkur bekommen und das ist gut so. Ich selbst bin bei der Akademie gut aufgehoben, muss mich aber auch um verschiedene Dinge in Deutschland kümmern, endlich auch mal außerhalb der vom Semester festgelegten Zeiten.

Welche Tipps würden Sie Ihrem Nachfolger geben? Wie gelingt es, die Studenten zu begeistern?

Mit weisen Tipps vom „elder statesman“ ist das so eine Sache, da halte ich mich eher zurück. Mein einziger Hinweis wäre: Mach Dein Ding! Finde Deinen Weg!

Wenn Sie eine Bilanz ziehen würden, wie sähe sie aus?

Rumänien ist 2017 europäische Stromlinie, der wilde Osten der Zeit vor 15 Jahren, als niemand an die Möglichkeit eines EU-Beitritts dachte, ist perdu. Für die Bürger des Landes war dies sicher eine positive Entwicklung, trotz der landestypischen Meckerei ist der Wohlstand ja gewachsen und immer mehr haben an ihm Teil. Für Liebhaber von Pferdefuhrwerken in der Innenstadt – zu denen gehöre ich auch –, von zweifelhaften Raststätten am Wegesrand, von Mechanikern, die mit einem Hammer und einem Draht jedes Auto reparieren können, oder es zumindest versuchen, von wunderbaren Plätzen in der Natur, an denen keine SUVs mit Bukarester Nummer parken, ist das eine Tragödie. Rumänien ist schon bis zu einem gewissen Grad normales EU-Land und ist weiter auf dem Weg der Anpassung an westliche Gepflogenheiten. Die Eliten sind international vernetzt und finden Pferdefuhrwerke peinlich. Wie gesagt: Das kann man so und so sehen.