Mutter, Botschaftergattin und nun selbst Kinderbotschafterin

Rosemaria Schwarzinger ist Botschafterin von SOS-Kinderdorf

SOS-Kinderdorf-Botschafterin Rosemaria Schwarzinger und Österreichs Botschafter in Bukarest, Michael Schwarzinger

In festlichem Rahmen wurde Rosemaria Schwarzinger die Botschafter-Würde für SOS-Kinderdorf verliehen.

Rosemaria Schwarzinger, die Gattin des österreichischen Botschafters in Bukarest, Michael Schwarzinger, wurde am 15. November anlässlich einer karitativen Veranstaltung im Palais Bragadiru in Anwesenheit von Mitgliedern des diplomatischen Corps sowie bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zur „SOS-Kinderdorf-Botschafterin“ in Rumänien ernannt. Von Beruf Ökotrophologin, eine eigenständige interdisziplinäre Studienfachausbildung der Haushalts- und Ernährungswissenschaften, wurde sie am 20. August 1955 in Ittenbach, Nordrhein-Westfalen, in der Nähe von Bonn in Deutschland geboren. Das Ehepaar Schwarzinger hat zwei Kinder, Vanessa (geboren 1980) und Patrick (geboren 1983). Beide leben in Wien. Seit Ende Oktober 2010 lebt Familie Schwarzinger in Bukarest. Rosemaria Schwarzinger und ihr Gemahl haben sich schon von 1992 bis 1995 in der rumänischen Hauptstadt aufgehalten, als Dr. Michael Schwarzinger bereits in der österreichischen Botschaft verpflichtet war. Aus aktuellem Anlass hat Frau Rosemaria Schwarzinger ein Interview für die Leserschaft der ADZ gegeben. Das Gespräch führte Dr. Alex Todericiu.

Nach jahrzehntelanger Erfahrung als Gattin eines EU-Botschafters haben Sie sich entschlossen, selbst Botschafterin einer österreichischen Wohltätigkeitsorganisation in Rumänien zu werden. Welches ist Ihre Begründung für diesen Schritt und war Ihnen die Nächstenliebe schon früher ein besonderes Anliegen?

Als junge Frau und ausgebildete Ökotrophologin habe ich in Erziehungsheimen mit milieugeschädigten Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren gearbeitet. Dort habe ich erkannt, was es heißt, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben. In dieser Arbeit war ich mit Problemlösungen und Hilfestellungen für Jugendliche befasst und für diese auch eine Ansprechperson und Vertraute, die sie vorher nicht hatten. Auch erkannte ich, dass Geld eine große Rolle spielt. Mit den Jugendlichen gemeinsam stellten wir im Unterricht Plätzchen und Schürzen her und verkauften sie an einem Tag der offenen Tür. Mit dem Erlös konnten wir Projekte verwirklichen, die sich die Jugendlichen wünschten. Jetzt freue ich mich auf die Aufgabe, als Botschafterin für das SOS-Kinderdorf tätig zu werden und wieder vielen Kindern zu helfen.

In einer Konsumgesellschaft, in der ein Überangebot von unerreichbaren Waren im Schaufenster sich in den weinenden Augen der bettelnden Straßenkinder widerspiegelt, spielt das Engagement  verschiedener staatlicher Organisationen und privater Vereine eine besondere Rolle. Warum haben Sie gerade den Verein SOS-Kinderdorf ausgewählt?

Vor 25 Jahren, auf unserem ersten Posten als Attaché der österreichischen Botschaft in Abidjan, Elfenbeinküste in Westafrika, traf ich Helmut Kuttin, der kurz vorher Präsident von SOS-Kinderdorf International geworden war. Seine persönlichen Erlebnisse haben mich tief berührt. Er war selbst Kind im ersten SOS-Kinderdorf von Hermann Gmeiner in Imst. Hermann Gmeiner hat mit der Gründung dieser Organisation eine großartige Idee verwirklicht und vielen Kindern ein Zuhause ermöglicht. Dass ich jetzt aufgefordert wurde, SOS-Kinderdorf-Botschafterin zu werden, ist für mich eine große Ehre.

Rumänien ist zwar ein stolzes EU-Land, wird jedoch von akuter Armut geplagt. Wie lautet ihre Definition der Barmherzigkeit in einem Land wie Rumänien heute?

Da wir gleich nach der Wende zum ersten Mal in Rumänien auf Posten waren, kann ich sagen, dass Rumänien schon sehr viel für Kinder und Jugendliche unternommen hat. Auch sind viele Hilfsorganisationen nach Rumänien gekommen. Die Barmherzigkeit eines jeden Menschen ist in der Gemeinschaft stets gefordert. Auch die Öffnung der Grenzen und die Zusammenarbeit in Europa tragen dazu bei, Werte zu diskutieren und zu vermitteln und dass gute Vorbilder sichtbar sind. Nur durch Formen der Zusammenarbeit – national und international – werden alle Nutzen in der Gesellschaft finden. Weil aber der Staat nicht alle sozialen Fragen lösen kann, muss auch die Zivilgesellschaft und müssen Einzelne, die das können, sozial tätig werden. Selbst der beste Sozialstaat macht Barmherzigkeit – oder Solidarität – in der Gesellschaft nicht überflüssig.

Dort wo Armut herrscht, kommen Elend und auch Werteverlust vor. Viele Menschen vermissen eine öffentliche Debatte über Tugenden und Werte in Rumänien. Welche sind Ihrer Meinung nach die Leitlinien, die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder vorgeben sollten?

Als erstes sollen Familien versuchen, intakt und zusammenzubleiben, trotz aller Probleme. Armut stellt eine ernste Bedrohung dar. Kinder in sehr armen Familien kommen häufig in problematische Situationen bis hin zur Ausbeutung. Relativ viele kleine Kinder werden in Rumänien in Fremdbetreuung untergebracht. Behinderte Kinder werden oft an Heime oder in Pflegefamilien gegeben, und später kann sich ihre Rückgliederung in die eigene Familie sehr schwierig gestalten. Familie schenkt Urvertrauen, das für die Persönlichkeitsbildung so wichtig ist. Erziehung zielt meiner Meinung nach darauf, aus Kindern stabile Erwachsene, die einen Sinn im Leben sehen und sich ihres Wertes bewusst sind, werden zu lassen. Solche Menschen sind offen für Hilfsbereitschaft und offen für Zusammenarbeit und soziale Kontakte. Zu erleben, geliebt zu werden, ist fundamental wichtig.

Sind Sie eine strenge Mutter?

Diese Fragen habe ich an meine erwachsenen Kinder Vanessa (32) und Patrick (29) zur Beantwortung weitergegeben.
Vanessa: Ich würde nicht sagen, dass sie eine strenge Mutter ist. Sie hat uns mit sehr viel Liebe, Geduld und Verständnis gepaart mit Spontanität und Humor erzogen. Vor allem ist sie stets mit gutem Beispiel vorangegangen. Sie war aber natürlich bei den Dingen streng, die für uns wichtig und notwendig waren, wie Schlafenszeiten, Schularbeiten oder Eigenverantwortung. Ich finde, dass sie die richtige Balance zwischen Strenge und Freiheit gefunden hat.
Patrick: Mit Sicherheit war und ist sie keine strenge Mutter. Bei der Erziehung war sie liebevoll und fürsorglich. Sie verstand es, uns die richtigen Werte, wie Respekt und Ehrlichkeit, zu vermitteln. Wenn ich an „streng“ denke, fallen mir harte Strafen und Benimmregeln ein. So was gab es bei uns nicht. Ihre Stärken waren und sind gutes Zureden, der richtige Mutterinstinkt und viel Liebe.

Welche der folgenden Werte sind für Sie als Mutter maßgeblich für die Erziehung eines Kindes: richtiges Benehmen, Pflichtbewusstsein, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, Verlässlichkeit, Fleiß, Gesundheitspflege, etc.?

Ich versuche jedenfalls, als Mutter meinen Kindern eine Grundorientierung für Entscheidungen zu vermitteln, und zwar dadurch, wie ich lebe. Mein eigenes Leben ist geprägt durch den Leitsatz meiner Eltern: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Eine Erziehung ohne Werte kann ich mir nicht vorstellen, und deren Vermittlung geschieht durch Vertrauen und Liebe. Das ganz alltägliche Verhalten hat die stärkste erzieherische Wirkung, denn Kinder beobachten ihre Eltern sehr genau. Kinder sollen Kinder sein können, aber eben doch zu ausgeglichenen Persönlichkeiten heranwachsen, die selbstständig, selbstbewusst, belastbar, entscheidungs- und kooperationsfähig sind und auch verzeihen können. Besonders wichtig war mir zum Beispiel immer zu zeigen, wie negativ Egoismus sein kann und wie wesentlich Ehrlichkeit ist. Meinem Mann und mir war dazu auch ein zentrales Anliegen, dass wir Glaube und Liebe zu Gott vorleben und vermitteln.

Welche Rolle kann und soll in der Kindererziehung die Landeskirche spielen?

Wenn Seelsorge die ganze Familie zum Ziel hat, dann soll sie sich auch auf Kinder und Jugendliche erstrecken. Jede Konfession soll dafür die geeigneten Formen finden. Zum Beispiel kennen wir in der katholischen Kirche Elternvereine, Jugendgruppen und Pfadfinder, die sich um das christliche Weltbild der Kinder besonders annehmen. Das Ziel der kirchlichen Jugendarbeit ist, jungen Menschen zusätzliche Möglichkeiten dafür anzubieten, Leben auf der Grundlage christlicher Werte zu entfalten.

Was kann die rumänische Gesellschaft, die Öffentlichkeit gegen die unzureichende Kinderbetreuung in Rumänien unternehmen? Wie sieht da das österreichische Modell aus? Und ich denke da an die Ganztages-Kindergärten oder an ähnliche Einrichtungen... in Wien. Kann da Wien als Beispiel wirken?

Als erstes österreichisches Bundesland erreicht Wien bei den Krippenplätzen erstmals die EU-Vorgabe, wonach für mindestens 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze vorhanden sein müssen. Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren sollen zu 90 Prozent betreut werden, das übertrifft Wien mit fast 100 Prozent sogar. Derzeit gibt es in Wien 17.966 Krippenplätze und 51.515 Kindergartenplätze im städtischen und privaten Bereich. Wien investiert alleine in diesem Jahr 590 Millionen Euro in die Kinderbetreuung. Es gibt insgesamt in Wien 84.108 Plätze in privaten und städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen, 4386 Plätze in Kindergruppen und 1383 Plätze bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Die Stadt Wien stellt in den städtischen Krippen, Kindergärten und Horten etwa die Hälfte aller benötigten Plätze zur Verfügung und fördert viele private Tagesbetreuungseinrichtungen.

Das Besondere am Wiener Modell ist die gemeinsame öffentliche und private Kinderbetreuung. Es gibt drei Arten von städtischen Betreuungen: Krippen, Kindergärten und Horte. Im privaten Bereich werden zusätzlich Plätze in Kindergruppen oder bei Tagesmüttern beziehungsweise Tagesvätern bereitgestellt. Die Pädagoginnen und Pädagogen der Stadt Wien sehen sich als „Wegbegleiter“ der Kinder. Damit sich das Entwicklungspotenzial der Kinder entfalten kann, übernehmen sie die Aufgabe, die Kinder aufmerksam zu beobachten und sie bei der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt zu unterstützen.
Rumänien kann das als weniger wohlhabendes Land nicht im selben Ausmaß leisten, aber es kann und muss Prioritäten setzen. Ich wünsche mir daher, dass der Staat und private Einrichtungen die Vorsorge für Kinder sehr ernst und wichtig nehmen. Die Kinder sind die Zukunft eines jeden Landes.

Wird heute, 23 Jahre nach der politischen Wende in Rumänien, endlich genug für die Waisenkinder gemacht?

Nach Berichten in Zeitungen dürfte das rumänische staatliche Kinderschutzamt davon ausgehen, dass im Land mehr als 82.000 Kinder auf ein Elternteil verzichten müssen, weil Vater oder Mutter ins Ausland abgewandert sind, 20.000 Kinder wurden von beiden Eltern verlassen. Es besteht in Rumänien anscheinend eine höhere Bereitschaft, Kinder in Heime zu geben als in anderen Ländern. Andererseits hört man, dass sich die Behörden sehr darum bemühen, Waisenkinder aus Heimen zu Pflegefamilien zu bringen. Das scheint mit grundsätzlich ein guter Weg zu sein.

Wie lautet ihre Botschaft an die vielen rumänischen Familien und Alleinerziehenden, welche sich täglich, zum Teil unter unglaublich schweren Bedingungen, für die Erziehung ihrer Nachkommenschaft einsetzen?

Ich möchte hier wirklich sehr vorsichtig sein, Ratschläge zu erteilen. Ich kann nur hoffen und wünschen, dass Familien in Not die Kraft aufbringen, die Hoffnung am Leben zu erhalten und dass sie nie auf dem Weg aufgeben, um für sich ein besseres Leben zu erreichen. Umso wichtiger erscheint es mir, dass es Organisationen gibt, die echte Hilfe anbieten können.

Kommen wir zu Ihrer Person zurück. Wie engagieren Sie sich persönlich sonst noch?

Ich interessiere mich sehr für soziale Themen und ich engagiere mich schon seit vielen Jahren in karitativen Aufgaben. Schon vor 20 Jahren habe ich beim Weihnachtsbasar der International Women Association (IWA) in Bukarest mit einem österreichischen Stand mitgemacht. Auch in Brüssel und in Litauen habe ich jedes Jahr Weihnachtsbasare mitgestaltet, ganz nach dem Motto: Es gib nichts Gutes, außer man tut es. Am Sonntag, dem 2. Dezember, werde ich den ganzen Tag bei Romexpo beim diesjährigen IWA-Weihnachtsbasar stehen. 34 Botschaften machen mit. Ich habe tolle Sachen aus Österreich gespendet bekommen und im Team haben wir einiges zusätzlich selbst gebastelt. Im letzten Jahr hat IWA insgesamt fast 55.000 Euro mit dem Basar erwirtschaftet. Das ist schon was. Ich hoffe, dass auch am 2.12. viele Menschen kommen, schauen, sich gut unterhalten, kaufen und somit helfen.

Was wird Ihre erste Aktivität im Dienste von SOS-Kinderdorf sein?

Ich werde meine Energie vor allem dafür aufwenden, um Paten für SOS-Kinderdorffamilien zu finden.

Was werden Sie den durch den Verein betreuten Kindern versuchen beizubringen?

Soweit ich es sehe, liegt die Kindererziehung bei den Kinderdorfmüttern. Als mein Mann und ich an der Eröffnung des jüngsten rumänischen Kinderdorfes in Hemeiuşi teilnahmen, konnten wir uns von der hohen Kompetenz der Dorfleitung und der Mütter überzeugen, und sie verdienen unsere Unterstützung und Hochachtung.