„Nicht ich habe den Beruf ausgesucht, er hat mich ausgewählt!“

Über die Welt des Puppentheaters mit der Künstlerin Éva Lábadi-Megyes

Èva Lábadi-Megyes ist eine preisgekrönte Marionettenkünstlerin. Diese Kunst ist sehr alt: Als Wiege des Handpuppentheaters gilt das persische Reich, aber auch im antiken Griechenland war das Marionettentheater schon bekannt. Puppentheater ist so wichtig, dass die UNESCO einige davon: aus Sizilien oder China, sogar zum immateriellen Kulturerbe erhoben hat.

Kinder sind Éva Lábadis Inspirationsquelle, ihre Zuschauer und manchmal ihre Mitarbeiter.

Im Elfenkostüm von Kindern umgeben, um auch andere Menschen in weihnachtliche Stimmung zu bringen
Fotos: privat

Glitzernde Kinderaugen, Puppen, Theater, Puppentheater und eine Frau, die alles gibt, vor Enthusiasmus sprüht, denn nur so kommen Beruf und Berufung zusammen, in der heilen Welt des Puppentheaters, das seine Härte dem Publikum niemals zeigt. Éva Lábadi-Megyes ist in der Welt der Kinder, Eltern und Erzieher ein bekannter Name. Sie hat mit allen Theatern in Temeswar zusammengearbeitet (so hat sie am Deutschen Staatstheater Temeswar 1996 den „Faustus“ nach Marlowe und 2004 L. Frank Baums „Zauberer von Oz“ inszeniert), hat vier Jahre lang das Merlin-Theater geleitet, ist auf den Bühnen, in den Kindergärten und auch in der Mansarde der Kunstfakultät an der West-Universität präsent, wo sie, stets von Kindern umringt und begleitet, kurze und längere Vorstellungen darbietet.

Mit Marionetten und mit Kindern. „Die drei Schweinchen, die eigentlich vier sind“ ist das neueste Stück, das Éva Lábadi-Megyes ans Kinder- und Jugendtheater Gong in Hermannstadt/Sibiu zog. Die deutsche Variante hatte bereits im Vorjahr Premiere, am vergangenen Samstag kam auch die rumänische Fassung auf die Bühne. Mit Begeisterung über ihren Beruf sprach Éva Lábadi-Megyes mit der ADZ-Redakteurin Ştefana Ciortea-Neamţiu.

 
 

Wie war die Arbeit an den „Drei Schweinchen, die eigentlich vier sind“?

Die deutsche Fassung war ein richtiger Erfolg. Die Künstler der deutschen Abteilung haben viel Professionalismus bewiesen. Wegen des Erfolgs von letztem Jahr hat der Manager des Theaters Gong entschieden, auch die Inszenierung der rumänischen Fassung einzuleiten. Die Karten waren bereits zehn Tage im Voraus ausverkauft. Bei den Proben ging es sehr gut, wir haben täglich neue Ausdrucksmöglichkeiten für die Puppen gefunden. Unermüdlich und enthusiastisch waren die Marionettenkünstler dabei, weil sie von der Freude wussten, die sie den Kindern mit dieser Vorstellung bereiten werden.
 

Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie Marionettenkünstlerin werden wollen?

Ich glaube, dass der Beruf mich gewählt hat, nicht ich den Beruf! Als Marionettenkünstler muss man in erster Linie eine glückliche Kindheit gehabt haben, das ist in meinem Fall so gewesen. Die zweite Bedingung ist, dass man sich die Freiheit erlaubt, Witze zu machen, dass man in seinen Tätigkeiten frei und mutig ist und sich nicht schnell ärgert, wenn einen jemand beleidigt, auch Selbstironie schadet nicht. Ich meinte, dass der Beruf mich ausgesucht hat, weil ich 1986 Schlange gestanden habe, um Eier zu kaufen. Ilie Gyurcsik, der damalige Intendant des Temeswarer Theaters, stand weiter vorne, er hat meine Stimme gehört und mich zu sich gerufen. Er hat mir eine Zusammenarbeit vorgeschlagen, ich erhielt die Rolle des Mowgli im „Dschungelbuch“, unter der Regie von Ioona Rauschan. Diese ist dann meine Mentorin geworden. Seitdem habe ich Haupt- und Nebenrollen gespielt, habe Regie für Stücke geführt, die auf Rumänisch, Ungarisch, Deutsch, Slowenisch und Englisch gespielt wurden.
 

Beruf oder Berufung?

Es ist die Art, in der ich mich künstlerisch betätige, es ist meine Lebensweise. Eine Puppe ist frei, zu sagen was sie will, niemand wird böse. So ist auch der Marionettenkünstler frei und glücklich, er ist der komplexeste Schauspieler, wie Ildikó Kovács das ausdrückte – ein Symbol für die Puppentheaterregisseure. Ich nenne mich glücklich, sie kennengelernt zu haben. Warum komplex? Weil er von Bühnenspiel und Marionettenkunst über Musik, Pantomime, Tanz, bildende Künste bis hin zu Schneiderei einfach alles wissen muss. Zugleich ist er der anpassungsfähigste Künstler, er kann in Theatersälen spielen, an Schulen und in Kindergärten, draußen im Kalten oder in der Hitze. Ich habe auch bei Sturzregen in Bangkok beim Internationalen Karneval der Puppentheater gespielt. Ein Jahr davor, das war 2013, hatte ich beim internationalen Festival in Jakarta die Urkunde für „Die beste Komödie mit Marionetten“ für die Regie von „La La La Dracula“ erhalten habe. Ich bin sehr stolz auf diesen internationalen Preis.
 

Wie viele Produktionen inszenieren Sie pro Jahr?

Die Anzahl variiert. Es gab eine Zeit, als ich beim Fernsehen gearbeitet habe und wöchentlich eine Story geschrieben und den hässlichen Zwerg interpretiert habe. Dann habe ich Rezitale mit Marionetten kreiert.Normaler-weise kann man als Regisseur nicht mehr als drei Vorstellungen pro Jahr vorbereiten. An den Theatern gibt es nicht die Zeit für mehr Vorführungen und ich glaube, man würde auch etwas von der künstlerischen Qualität der Vorführung verlieren.

Für den Marionettenkünstler scheint die gegenwärtige Lage in Rumänien nicht besonders leicht zu sein. Wie sehen Sie das?

Ich bin sehr zufrieden, als freie Künstlerin zu arbeiten. Ich weiß, wie viel ich arbeiten muss, um mich finanziell komfortabel zu fühlen. Ich versuche nie, über meine Kapazitäten zu arbeiten. Ich kann behaupten, dass ich glücklich bin, so viele Jahre ernster Arbeit hinter mir zu haben, so laufen die Einladungen von selbst ein und das gewährt mir einen gewissen Komfortraum im Kreationsakt. Ich bin dafür den Eltern, meinem Mann, den Freunden und allen Menschen dankbar, die Vertrauen zu mir haben, ich möchte auch Adrian Tibu, den Manager vom Theater Gong in Hermannstadt und selbstverständlich die Kinder nennen, mit denen ich zusammenarbeite.
 

Sie haben vier Jahre lang das Puppentheater Merlin in Temeswar geleitet. Wie ist die Lage dort?

Leider ist die dortige Sachlage traurig und trügerisch. Aber ich möchte nicht darüber reden. Ich habe versucht, den Kurs zu ändern, aber das System hat leider den Wandel nicht erlaubt. Zu viele Eitelkeiten, zu viel Neid, falsche Illusionen, das schadet dem Wert des wahren Marionettenkünstlers.
 

Große Städte der Welt trumpfen mit ihren Puppentheatern. Warum ist das bei uns seltener der Fall?

Das stimmt, jede Stadt, die auf sich hält, hat ein Puppentheater mit Tradition und dies ist eine wahre Attraktion. Es hängt alles von der Tradition ab und wie wir diese Tradition fortführen und der neuen Generation der Marionettenkünstler übergeben. Meiner Meinung nach ist dies irgendwann in Temeswar und an weiteren Theatern im Land abgebrochen. Wir haben vergessen, junge Menschen auszubilden, die diesen Beruf mit Professionalismus weiterführen können. Sicher, Theaterschulen gibt es nun überall, es werden laufend Schauspieler produziert, einige davon werden den Beruf gar nicht ausüben. Sie haben auch nicht die Chance, den Beruf des Marionettenkünstlers kennenzulernen. Niemand behauptet, dass es leicht ist, es ist ein schwieriger Beruf, weil man Objekte beleben muss. Aber die Genugtuung ist groß, wenn man vor sich die Augen sieht, die glauben, dass das betreffende Objekt tatsächlich lebt. Und es ist ein Wunder, die Marionetten leben wirklich in den Händen der Künstler.
 

Sie haben über 700 Vorstellungen inszeniert. Welche ist Ihnen am liebsten?

Alle sind mir ans Herz gewachsen, aber das Stück, das das größte Publikum angezogen hat, ist „Buratinos Traum“, eine Straßenaufführung, die schon über 5000 Zuschauer hatte und in Italien, Ungarn und Rumänien gespielt wurde. Das langlebigste Stück war mein Rezital „Der tapfere Prâslea und die goldenen Äpfel“, das ich auf Rumänisch, Ungarisch und Englisch in Kanada, Deutschland, Ungarn, Slowenien, Serbien und selbstverständlich hierzulande vorgeführt habe.

Welches sind Ihre Inspirationsquellen?

Eine große Inspirationsquelle sind die Kinder. Bei jeder Aufführung lade ich mich mit positiver Energie auf. Es ist auch vorgekommen, dass ich mit 38 Grad Fieber gespielt habe und nach der Aufführung geheilt war. Ich glaube auch, dass ich das Wetter beeinflussen kann, ohne Witz. Ich habe unzählige Male auf der Straße gespielt, es sah nach Regen aus, aber beim Beginn der Vorführung ist der Himmel wieder blau geworden, für die Zeitspanne der Vorführung, zum Schluss der Vorführung hat es dann angefangen, heftig zu regnen. Das sind die verborgenen Kräfte des Marionettenkünstlers. Es ist unglaublich, nicht wahr? Magisch! Wie soll man diesen Beruf nicht lieben, wie soll man die Kinder nicht lieben?
 

Was schlagen Sie demnächst den Temeswarern vor?

Ende März sollen „Die drei Schweinchen, die eigentlich vier sind“ in deutscher und in rumänischer Sprache auch in Temeswar zu sehen sein, über einen Veranstaltungsort wird noch verhandelt. Auch eine Reihe von Marionettenaufführungen auf Rumänisch und Ungarisch werden in Temeswar zu sehen sein. Dem Publikum vermittle ich mein Motto: Ich glaube, dass die Märchen irgendwo oben zwischen den Sternen leben, wir Menschen müssen nur zu ihnen aufschauen und an sie glauben. Dann werden die Märchen das fühlen und zu uns herabsteigen. Und wir Menschen werden glücklicher und reicher“.