Nicht Kunst, sondern Vandalismus

Hässliche Aufschriften an historischen Gebäuden mehren sich in Kronstadt

Die Botschaft „Betrachte den Himmel“ mag schön sein, sie hat aber auf historischen Gebäuden nichts zu suchen.
Foto: Elise Wilk

Der Kronstädter Marktplatz ist eine Visitenkarte der Stadt und ein wahrer Besuchermagnet. Die meisten in- und ausländischen Touristen, deren Zahl von Jahr zu Jahr steigt, starten ihre Stadterkundungstour hier. Sie lieben das alte Rathaus, die vielen Terrassen, die Tauben, den Springbrunnen und die Sicht auf die Zinne. Doch nicht immer bietet sich ihnen ein schöner Anblick, da leider viele der Fassaden im Zentrum der Stadt mit Aufschriften beschmiert sind. Kaum ein Haus ist verschont worden. „Graffiti“ kann man die Aufschriften nicht nennen, weil das eine Kunstform ist, deren Platz an abgelegenen Fabrikgeländen am Stadtrand ist. Die Aufschriften sind keine Neuigkeit. Doch statt dass sie verschwinden, vermehren sie sich von Jahr zu Jahr. Polizei und Eigentümer scheinen dagegen machtlos zu sein.
 

Anti-Kapitalismus-Sprüche und skurrile Zeichnungen
 

Betroffen sind unter anderen Fassaden in der Klostergasse/Str. Mureşenilor, Johannisgasse/Sf. Ioan, Paul-Richter-Straße, am Rossmarkt/Str. Bariţiu oder in der Apollonia Hirscher/Straße. Gleich wenn man vom Marktplatz in den Honterus-Hof kommt, stößt man auf Mauern mit hässlichen Aufschriften und Kritzeleien. Die „Botschaften“ werden dick und meistens in Schwarz, doch manchmal auch in grellen Farben auf die Wände gesprüht. Bei den Texten geht es um „Sprüche“ und „Lebensweisheiten“, die entweder witzig oder provokant erscheinen wollen, um skurrile Zeichnungen oder Unterschriften der „Täter“. Manche Schmierereien sind Jahre alt, andere sind im Zusammenhang mit den Demonstrationen im Februar entstanden.

Viele Aufschriften handeln vom Leben im Kapitalismus, wie etwa: „Nu sunt leneş, doar că nu susţin capitalismul“ (Ich bin nicht faul, ich unterstütze bloß nicht den Kapitalismus“) oder „Capitalismul e sclavie“ (Kapitalismus ist Sklaverei). Einige Häuser weiter treffen wir auf „religiöse“ Botschaften: „Dacă un om are un prieten imaginar, e nebun. Dacă mai mulţi oameni au acelaşi prieten imaginar, e religie“ (Wenn ein Mensch einen imaginären Freund hat, ist er verrückt, wenn mehrere Menschen denselben imaginären Freund haben, nennt sich das Religion) oder „A lie repeated often enough becomes religion” (Eine Lüge, die oft genug wiederholt wird, wird zur Religion).

Auf einem weißen Haus auf der Paul-Richter-Straße steht seit Jahren eine merkwürdige Botschaft, die mit blauem Spray an die Wand gesprüht wurde: „Ştii să calculezi masa molară a constantei perimetrice a hexatedrului, dar nu ştii a face o fundă“ (etwa: Du kannst die Molekularmasse der parametrischen Konstante des Hexaeders berechnen, aber bist nicht imstande, eine Schleife zu machen). Auf der Fassade gegenüber steht: „Vrem spitale, nu catedrale!“ (Wir wollen Krankenhäuser, keine Kathedralen!)
 

Ein rechteckiges Schwein

Am Marktplatz Nr. 18 liegt das Haus, wo der Aldus-Verlag und das Bezirkskonsistorium der Evangelischen Kirche seinen Sitz haben. Auf die rosafarbene Mauer sind gleich mehrere Botschaften gekritzelt. In der größten davon werden wir aufgefordert, den Himmel zu betrachten. Die Aufschrift „Priveşte cerul“ ist den meisten Bukarestern bekannt, in Kronstadt ist sie noch nicht so „populär“. Der Autor, ein 27-Jähriger, der an der Pariser Sorbonne Philosophie studiert hat, nutzte auch Gebäude in Frankreich, um seine Nachricht zu hinterlassen: „Regarde le ciel“. Die Botschaft ist leicht zu entschlüsseln: Wir sollten in unserer täglichen Hektik wenigstens für ein paar Sekunden anhalten und mit Hoffnung nach oben blicken. Der Autor der Botschaft meint in Interviews, dass er nie auf Statuen oder historische Gebäude schreibt. Trotzdem ist seine Botschaft an die Menschheit an den Mauern im Hof der Schwarzen Kirche zu sehen. Ob es nur ein Nachahmer war?

Auch eine andere „Berühmtheit“ der Bukarester Fassaden ist nach Kronstadt umgesiedelt. Es handelt sich um das rechteckige Schwein, das in der Klostergasse/Str. Mureşenilor gesichtet werden kann. Eins kann man ihm lassen: es ist sympathisch. Trotzdem hat es nichts auf historischen Gebäuden zu suchen.

Laut Vertretern der Lokalpolizei mussten in diesem Jahr schon 10 „Künstler“ für ihre „Werke“, die sie meistens nachts um 3-4 Uhr vollbringen, wenn sehr wenige Leute auf der Straße sind, Strafe zahlen. Im Ganzen betragen die bisherigen Strafgelder 1750 Lei. Das ist wenig, gemessen am angerichteten Schaden.

Was die hässlichen Aufschriften im Honterus-Hof betrifft, hat die Honterusgemeinde mehrmals versucht, diese zu beseitigen. „Sobald wir sie wegstreichen, erscheinen neue Aufschriften. Es ist eine Sisyphus-Arbeit, die außerdem kostspielig ist. An den Ecken des Marktplatzes sind Überwachungskameras montiert, sie fangen aber den Kirchhof nicht ein. Wir sind auf polizeiliche Hilfe angewiesen“, meint Frank-Thomas Ziegler, Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit an der Schwarzen Kirche. Laut Ziegler wäre die einzige Lösung, die auch Resultate bringen würde, die 24 Stunden-Überwachung des Honterushofes. Das sei aber aus finanzieller Hinsicht sehr schwierig.