Nichts darf nicht strafbar sein, was strafbar ist

ADZ-Gespräch mit dem CDU-Politiker Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtages

Beim Besuch im Bürgermeisteramt: Manfred Pentz, Astrid Fodor, Norbert Kartmann und Dr. Manfred Sieg (v. l.)
Foto: Vlad Popa

Norbert Kartmann, seit 2003 Präsident des Hessischen Landtages, ist kein seltener Gast in Rumänien und Siebenbürgen. Das besondere Interesse des CDU-Politikers geht auf die Tatsache zurück, dass sein Vater aus Hetzeldorf/A]el stammt. Der Vater blieb nach dem Krieg in Deutschland, die Kontakte zur Heimat aber sind nicht abgerissen und Kartmann lernte auch das Rumänien der kommunistischen Jahre kennen. Umso mehr ist er bemüht, das Rumänien der Nach-Wendezeit auf seinem schwierigen Weg zu einer Demokratie zu begleiten, besucht das Land häufig, um mit den Leuten vor Ort zu sprechen, lädt aber auch junge Politiker zu Praktika nach Hessen ein. Über seinen Besuch zwischen dem 7. und 9. März in Begleitung von Manfred Pentz, Abgeordneter im Hessischen Landtag und Generalsekretär der CDU Hessen, sprach mit dem CDU-Politiker ADZ-Mitarbeiterin Hannelore Baier.

Welches war der Anlass des diesmaligen Besuches in Rumänien?

Der Abgeordnete des hessischen Landtages Manfred Pentz und ich sind diesmal als Abgeordnete des Hessischen Landtages da. Den Besuch hat Dr. Dr. Martin Sieg organisiert, der neue Leiter des Auslandsbüros Rumänien und Republik Moldau der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Wir sind also politisch unterwegs, auch parteipolitisch, und nicht in Staatsauftrag, selbst wenn das bei mir eine Mischung aus beiden ist.  Unser Programm umfasste offizielle Gespräche in Bukarest, darunter auf EVP-Ebene mit Frau Raluca Turcan, der kommissarischen Vorsitzenden der PNL, und wir waren beim Staatspräsidenten Klaus Johannis bei einem Höflichkeitsbesuch. In Hermannstadt/Sibiu haben wir Dr. Paul-Jürgen Porr, den Vorsitzenden des Deutschen Forums, gesprochen, Frau Bürgermeisterin Astrid Fodor, haben der deutschen Konsulin, Frau Judith Urban, Guten Tag gesagt und werden zum Herrn Bischof Reinhart Guib gehen. Das allerdings ist dann etwas, was mich persönlich sehr stark betrifft, denn es ist auch „mein“ Bischof.

Wie verliefen die Gespräche in Bukarest? Seit Ihrem letzten Besuch hat Rumänien eine neue Regierung ...

Ja, wir haben mitbekommen als Vertreter der Christdemokraten und damit als EVP, dass sich das Blatt gewendet hat. Aber der Staatspräsident ist geblieben. Mit Frau Turcan haben wir natürlich über die Frage der weiteren Entwicklung gesprochen, wo die Schwierigkeiten liegen. Eine Partei, die ein schlechtes Ergebnis einfährt, muss sich zuerst wiederfinden, das kennen wir auch aus Deutschland. Dann muss sie sehen, wie geht man vor in Opposition. Das ist manchmal viel einfacher als regieren, aber manchmal viel schwieriger, weil man unter Umständen weniger Gehör findet wie die Regierenden. Aber wir haben auch darüber gesprochen, wie künftig kooperativ gearbeitet werden kann. Wir sind gerne bereit, als Christdemokraten, auch regional, hier für den Jude], da zu sein, wenn man uns braucht und Fragen hat, und werden Fragen auch nach Berlin melden. Die KAS hat ein großes Interesse in ihrer Bildungsarbeit, sich hier zu betätigen, wie alle Stiftungen das haben, insofern war es wichtig, dass Dr. Sieg, der seit Anfang Januar das Büro in Bukarest leitet, teilgenommen hat an diesen Gesprächen.

Mit dem Staatspräsidenten war es ein freudiges Wiedersehen, ich kenne ihn ja seit seiner Zeit als Bürgermeister. Wir haben natürlich auch über die politische Lage gesprochen und festgestellt, Wahlergebnisse sind eben Wahlergebnisse, das ist überall so in der Demokratie, das muss man akzeptieren und sehen, was man daraus macht. Spannend war das Gespräch über die Demonstrationen. Wir haben in Deutschland sehr genau verfolgt, was hier geschieht, und ich habe noch nie ein so großes Interesse festgestellt bei Kollegen, für das, was in Rumänien passiert. Das ist ein positives Zeichen und das habe ich auch zum Ausdruck gebracht. Natürlich haben wir in dieser Frage eine klare Positionierung, das ist keine Einmischung in die Innenpolitik, aber wenn wir bestätigen, was Frau Turcan an dieser Stelle auch meint, dann wissen Sie, wo unsere Positionierung liegt, und wir meinen, das ist auch korrekt. Die Korruptionsfrage ist und bleibt ein wesentliches Element im Wertekanon der Europäischen Union, da darf kein Zweifel herrschen und ich glaube, dass das deutlich gesagt werden muss. Es kann nicht sein, dass man die Frage der Strafbarkeit in der Korruption an Beträgen festmacht. Das Interessante war das Gespür der Menschen, dass sie das sofort aufgegriffen haben. Das ist ein großartiges Zeichen von einer doch wacher werdenden Bürgergesellschaft, und das ist gut so.

Deutschland hat mit großer Aufmerksamkeit auch festgestellt, dass der Staatspräsident bei den Demonstranten war in seiner Aufgabe, die Verfassung letztendlich deutlich zu machen. Es ist ein Teil des Verfassungsgebotes, dass nichts nicht strafbar sein darf, was strafbar ist. Das war ein großartiges Zeichen, das haben wir zur Kenntnis genommen und sind an dieser Stelle auch zufrieden, wie er sich positioniert hat. Ohne dass er deswegen sein Amt verletzt hätte, im Gegenteil. Ich spreche jetzt als Landtagspräsident und als solcher in dieser Frage völlig neutral in politischen Angelegenheiten. Ich erlebe hier, dass der Präsident des Parlamentes nicht neutral ist. Eine neue Erfahrung, in unseren demokratischen Strukturen wäre so etwas undenkbar. Wenn ich gleichzeitig Präsident meiner Partei wäre und jeden Tag parteipolitische Erklärungen abgeben würde, würde ich mich keine drei Tage halten können, aber es ist eine andere politische Kultur, eine andere Entwicklung.

Sie haben in der Brukenthalschule mit Schülern gesprochen, oder haben Sie nur vor ihnen gesprochen?

Nein, vor und mit. In der Brukenthalschule war ich schon öfters und gehe jedes Mal hin, weil ich den Mitreisenden zeigen möchte, was das für ein tolles Gymnasium ist. Wie es auch andere tolle deutschsprachige Gymnasien in Rumänien gibt, wie die Nikolaus-Lenau-Schule zum Beispiel. Der Besuch heute morgen allerdings war etwas Besonderes, weil ich meiner Profession als Pädagoge (Norbert Kartmann hat Theologie und Physik für das Lehramt studiert und war Lehrer vor dem Eintritt in die Politik – Anm. HB) nachgehen konnte. Ich hatte den Auftrag übernommen, mit den Schülern zum Thema „25 Jahre deutsch-rumänischer Freundschaftsvertrag“ zu diskutieren und also ihnen Europa nahezubringen. Ich habe sehr deutlich gesagt, welche Bedeutung die EU hat, welche Bedeutung sie in der Frage von Freiheit, von Sicherheit, von Rechtsstaatlichkeit, von Wirtschaftstätigkeit und als Dach über allem, welchen friedenspolitischen Auftrag sie hat. Und er hat ja auch funktioniert, bis auf den Krieg am Balkan, und deswegen ist es wichtig, dass wir diese Länder auch aufnehmen, damit die Gefahren sich dezimieren.

Eine halbe Stunde habe ich den Schülern vorgetragen, sie haben äußerst aufmerksam zugehört und dann haben wir diskutiert. Sie haben sehr bewusste Fragen gestellt, man hat gemerkt, dass sie informiert waren. Sogar das Weißbuch von Herrn Juncker haben sie angesprochen. Ich muss sagen, es ist eine hochspannende Diskussion gewesen heute Morgen. Vor einer Woche habe ich in Montenegro, in Podgorica, vor hundert Jura-Studenten zum gleichen Thema gesprochen, da herrschte die gleiche Aufmerksamkeit. Die fragen genau, was ist denn der eigentliche Wert? Das muss man ihnen immer wieder sagen, und dann hoffe ich, dass diese Generation auch den Multiplikatoren-Effekt herbeiführt, das ist nämlich der Hintergrund.

Nachher waren Sie bei Bürgermeisterin Astrid Fodor ...

Ich habe Frau Fodor gratuliert zum Wahlsieg. Wir waren ja kurz vor der Wahl hier gewesen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und der Wahlsieg hat uns in Hessen gefreut. Ich habe ihr gesagt, ab jetzt ist sie für alles zuständig. Und verantwortlich. Für alles? hat sie gefragt: Jawohl, wenn das kleinste Stück Papier am Großen Ring nicht weggekehrt ist, das ist Ihre Verantwortung, habe ich ihr gesagt. Sie ist eine gute Bürgermeisterin, mit guten Beziehungen nach Hessen durch die Städte-Partnerschaft zu Marburg und darüber haben wir uns ausgetauscht.

In Bukarest haben Sie den DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ getroffen und in Hermannstadt mit dem DFDR-Vorsitzenden Dr. Porr gesprochen. Ich vermute, das Thema war die Problematik der deutschen Minderheit.

Immer geht es auch um die Problematik der deutschen Minderheit bei meinen Besuchen. Minderheit, die leider nicht unbedingt explosionsartig wächst, aber sie wird auch nicht morgen wegbrechen. Über die Perspektive müsste man ein ganzes Wochenende lang diskutieren und sicher sind wir aus Deutschland nicht die besten Ratgeber, höchstens aus einer anderen Erfahrung heraus. Die Frage, wie es hier weitergeht, müssen die Leute hier beantworten. Auf die Frage: Gibt es junge Leute, wurde geantwortet: Ja, gibt es. Es stellen sich die Fragen, gibt es einen politischen Einfluss, wird es den in einigen Jahren geben, wie kann man den halten? Oder muss man ihn indirekt wahrnehmen? Das ist eine Thematik, der muss man sich widmen, neben der Frage, ob die Straße gemacht ist, der Kanal gemacht ist – da das Deutsche Forum hier eine kommunale Wählergruppe hat. Man muss sich auch mit den materiellen Inhalten dessen beschäftigen, was die Arbeit des Deutschen Forums über die Kommunalpolitik hinaus wert ist. Ich bin sehr vorsichtig, wie Sie sehen, weil ich keine Vorschriften machen möchte, aber ich wüsste schon einiges zu sagen, aber nicht hier. Ich glaube aber, ich bin im Konsens mit Jürgen Porr, das habe ich gespürt, und es wird irgendwann auch einen Generationswechsel geben, zwangsläufig, man muss allerdings darauf vorbereitet sein.

Vor dem Besuch der Brukenthalschule habe ich eine sehr gute Bekannte aus Mediasch getroffen: Christine Thellmann, die Vizebürgermeisterin. Ich kenne sie seit vielen Jahren, ihr Vater war befreundet mit mir, sie hat bei mir in Wiesbaden und auch in Brüssel eine Ausbildung und Fortbildung gemacht. Das Gespräch mit ihr war sehr spannend deswegen, weil sie einer anderen Generation angehört und weil sie etwas darstellt, was ich schon früher gesagt habe: Am Ende wird die Perspektive für die Deutschen hier sein, wenn sie einen Einfluss haben wollen, dass sie das in verschiedenen Parteien machen müssen. Das Deutsche Forum ist eine starke Kraft noch, vor allem hier in Hermannstadt, aber man muss über den Tag hinaus denken.

Zum Abschluss gehen Sie zum Bischof der Evangelischen Kirche A. B., Reinhart Guib ...

Ich werde, wenn nur möglich, keinen Besuch machen in Siebenbürgen, ohne „meinen“ Bischof zu treffen. Ich habe noch einen Bischof in Hessen, aber der heißt nicht Bischof, sondern Kirchenpräsident. Es gibt viele Dinge hier zu besprechen, gerade auch zu den großen Aufgaben in der Restitutionsfrage, der Kirchenburgen, usw. Die Evangelische Kirche A.B. ist genauso groß wie das Deutsche Forum, aber mit einer riesengroßen Aufgabe, und wir wollen da helfen. Ich bin auch im Diakoniebereich bei uns tätig und hoffe, dass ich auch „mein“ Altenheim, d. h. das Altenheim, das im Elternhaus meines Vaters und ein paar Nachbarhäusern in Hetzeldorf eingerichtet ist, weiter unterstützen kann. Frau Ortrun Rhein, die Leiterin des Dr. Carl-Wolff-Altenheimes und der Hospize, war gerade in Hessen bei einer Gottesdienstveranstaltung zum Thema Osteuropa, eine blendende Frau, wir sehen mit großer Bewunderung, wie sie arbeitet. Die Frage der Diakonie ist eine Frage, die über die Politik hinausgeht und eine langfristige Wirkung haben muss, denn ein Altersheim ist kein deutsches Altersheim, das ist kein rumänisches Altersheim, das ist ein Altersheim und ich glaube, dass wir dazu beitragen können, dass sich die kirchliche Zusammenarbeit intensivieren wird.