Oberrabbiner von Rumänien in der Anfangszeit des kommunistischen Regimes

Ein Buch von Carol Iancu über Alexandru Șafran

Der Band von Carol Iancu über Alexandru Șafran erschien im Verlag der Universität aus Jassy/Iași gleichzeitig in französischer und englischer Sprache, wodurch sich ein breiteres Publikum über die Tätigkeit des einstigen Oberrabbiners von Rumänien informieren kann. Er enthält auch Pressemeldungen aus dem In- und Ausland und viele Fotos. Der Autor ist emeritierter Professor der Universität Montpellier und Direktor der Hochschule für Judaismus in Frankreich. Iancu ist in Fachkreisen durch seine vielen Monografien und Quellensammlungen sehr bekannt und auch Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie. Das Schaffen von Alexandru Șafran ist ihm ein besonderes Anliegen: Er verfasste bereits drei Bände über dessen Tätigkeit vor 1945 und einer über dessen Wirken als Oberrabbiner in Genf soll noch folgen.

Alexandre Safran (rumänisch Alexandru Șafran) wurde im Februar 1940 mit nur 29 Jahren Oberrabbiner der damals mit fast 800.000 Juden viertgrößten jüdischen Gemeinde der Welt. Sein Vater war Rabbiner und ein bekannter Gelehrter, er hatte ihn früh gut ausgebildet. In Wien promovierte Safran 1934 am Rabbinerseminar. Angesichts des wachsenden Antisemitismus nahm er dort Kontakt mit der zionistischen Bewegung auf. Diese Verbindungen ermöglichten es ihm, in den Kriegsjahren von Rumänien aus Hilfe für Deportierte besonders vom American Joint Distribution Committee zu organisieren. Zusammen mit Wilhelm Filderman setzte er sich vor allem für die 5000 Waisenkinder ein, deren Eltern in den Ghettos von Transnistrien umgekommen waren. Sie konnten Ende 1943 repatriiert werden und seit Frühjahr 1944 mit Schiffen über Istanbul nach Palästina ausreisen.

Der vorliegende Band enthält 120 Dokumente, die Mehrheit sind Erstveröffentlichungen. In der ausführlichen Einleitung skizziert Iancu die großen Probleme, vor denen die jüdischen Gemeinden in Rumänien am Ende des Zweiten Weltkrieges standen. Bis 1939 verlor eine Viertelmillion Juden die Staatsbürgerschaft. Durch das Rassengesetz vom August 1940 waren Juden aus vielen Berufssparten herausgedrängt worden. Die Jugendlichen konnten seitdem keine staatlichen Bildungsinstitutionen mehr besuchen und mussten unqualifizierte Zwangsarbeiten besonders im Straßenbau verrichten. Als die Zwangsarbeit im September 1944 durch Rumäniens Frontwechsel aufhörte, waren sehr viele junge Juden schlecht qualifiziert und völlig verarmt. Der Joint stockte seine Unterstützung für Rumänien gewaltig auf. Während der Kriegsjahre konnte er nicht direkt Geld in ein Feindesland schicken, dafür wurde es an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und von dort an das Rumänische Rote Kreuz überwiesen. Schirmherrin der rumänischen Institution war Elena, die Mutter von König Mihai. Bei ihr und den Delegierten des IKRK aus der Schweiz bedankte sich Safran im Oktober 1944, ebenso bei Nuntius Andrea Cassulo, der als erster Ausländer im März 1943 ein Waisenhaus in Transnistrien besucht hatte.

Unter den Dokumenten ist ein Telegramm von Safran an Präsident Roosevelt, in dem er diesen im Oktober 1944 um Unterstützung bat, damit die etwa 150.000 aus Nordsiebenbürgen deportierten Juden zurückkehren könnten. Erst nach Mai 1945 wurde klar, wie wenige überlebt hatten (S. 178). Im Herbst 1944 befreite die Rote Armee zusammen mit Einheiten der rumänischen Armee Nordsiebenbürgen. Rumänien sicherte sich damit die Rückgabe dieses durch den 2. Wiener Schiedsspruch abgetrennten Gebietes. Safran gehörte zu den Ehrengästen, als am 14. März 1945 König Mihai in Nordsiebenbürgen eintraf. Anhand eines abgedruckten Artikels aus einer rumänischen Tageszeitung erfährt man, dass in Klausenburg/Cluj die sowjetischen Vertreter Andrej J. Vyšinskij und General Ivan Susaikov, der neue rumänische Ministerpräsident Petru Groza und auch Safran Ansprachen hielten (S. 383).

Im April 1945 begann der Machtkampf der kleinen Kommunistischen Partei in Rumänien gegen die einflussreichere Nationale Bauernpartei. Burton Y. Berry, der Vertreter der USA in der Interalliierten Kontrollkommission in Bukarest, berichtete nach Washington über den Druck, der auf Filderman ausgeübt wurde. Von ihm wurde verlangt, dass er den Führer der Bauernpartei Iuliu Maniu als Kriegstreiber bezeichnet. Maniu sollte ursprünglich im Prozess der Kriegsverbrecher zusammen mit Marschall Antonescu angeklagt werden. Am 8. November 1945 kam es anlässlich des Geburtstages von König Mihai zu Ausschreitungen, bei denen ein Jude umkam und sechs schwer verletzt wurden. Das Jüdische Demokratische Komitees behauptete in einem Schreiben an den US-Diplomaten Mark F. Ethridge, dass die Antisemiten insgeheim von den bürgerlichen Parteien unterstützt würden. Die Bauernpartei und die Nationalliberalen hätten auch 1941 nicht protestiert, als eine Viertelmillion Juden ermordet worden sei (S. 222-226). Dieses prokommunistische Komitee versuchte mit der aggressiven Agitation die Rückkehrer aus den deutschen Lagern und den Ghettos Transnistriens zu gewinnen. Gleichzeitig wandte es sich gegen Safran und Filderman, die forderten, dass die in den Kriegsjahren enteigneten Wohnungen und Werkstätten an die Juden zurückgegeben würden (S. 276). Die Rückgabe kam erst in Gang, als sich die Westalliierten bei der Pariser Friedenskonferenz dafür einsetzten. Fabriken und Guthaben wurden aber nicht restituiert.

1946/1947 herrschte im Osten Rumäniens eine Hungersnot aufgrund von zwei schlechten Ernten. Der Joint hatte zuvor für die zahlreichen Juden der Region Kantinen und Versorgungsläden errichtet. Als diese angegriffen wurden, setzte sich Safran bei einer Vortragsreise durch die USA dafür ein, dass Juden aus den USA große Geldsummen auch für die Verpflegung von Rumänen spendeten. Trotz der großzügigen Hilfe griffen die rumänischen Kommunisten die westlichen Großmächte durch den heraufziehenden Kalten Krieg immer heftiger an. Die von Großbritannien und den USA unterstützte Bauernpartei wurde zerschlagen und ihr Führer Iuliu Maniu zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Dazu sind im Band mehrere Berichte des Britischen Geheimdienstes enthalten. Filderman musste die Führung der Union Jüdischer Gemeinden abgeben. Aufgrund des Drucks kehrte Safran im Dezember 1947 nicht mehr von einer Auslandsreise nach Rumänien zurück. Der König wurde am 31. Dezember 1947 zur Abdankung gezwungen und verließ Rumänien. Durch die informative Einleitung und die Dokumente des Bandes kann der Leser die Entwicklungen jener Jahre besser verstehen.

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Carol Iancu: „Alexandre Safran and the Jews of Romania during the installation of the communist regime“. Newly discovered documents from American and British diplomatic archives 1944-1948, Iași 2018.