Offener Brief zum Schutz des Naturschutzgebiets

Gegen missbräuchliche Verringerung des geschützten Areals im Nationalpark Nera-Schluchten – Beşniţa-Wasserfälle

40 Naturschutzorganisationen und informelle Aktionsgruppen zum Schutz der Natur, die in Bankwatch Romania und der Allianz Energy Justice Romania zusammengeschlossen sind, haben sich in einem offenen Protestbrief an die Regierung gewandt. Sie finden, dass die in letzter Minute durch einen Federstrich vorgenommenen Änderungen im Managementplan des Nationalparks Nera-Schluchten – Beuşniţa-Wasserfälle, durch die auf Forderung der staatlichen Forstverwaltung Romsilva die streng geschützte Fläche von 55 auf 40 Prozent verringert wurde, einen Amtsmissbrauch darstellen. Sie fordern die sofortige Überprüfung dieser Vorgänge durch eine Regierungskommission.

Das Schreiben richtet sich an Premier Dacian Cioloş, an Umweltministerin Cristiana Paşca-Palmer, an den Minister für EU-Fonds, Cristian Ghinea, sowie an den Rektor der Temeswarer Universität für Landwirtschaftswissenschaften und Veterinärmedizin, Cosmin Popescu (das Schreiben ist gleichzeitig eine Unterstützungsbekundung für die Temeswarer Hochschullehrkräfte, die den ursprünglichen Managementplan ausgearbeitet haben). Der offene Brief endet mit einer Warnung: „Sollte der Managementplan mit der beabsichtigten Verringerung des streng geschützten Areals auf weniger als 55 Prozent der Gesamtfläche des Nationalparks angenommen werden, ohne dass neuerlich eine öffentliche Diskussion darüber angesetzt wird, werden wir ihn sowohl vor den rumänischen Gerichtsinstanzen angreifen, als auch die Europäische Kommission anrufen.“

Romsilva wird Amtsmissbrauch vorgeworfen

„Wir finden, dass die Änderungen durch Romsilva und der durch sie bestellten Administration des Nationalparks, die in einer um 15 Prozent auf 40 ProzentReduzierung des streng geschützten Areals bestehen, einen Amtsmissbrauch darstellen“, schreiben die Umweltschützer. „Gemäß Art.26 des Regierungsbeschlusses 1076/2004 über geschützte Areale muss jeder Initiator eines Managementplans von Nationalparks diesen vorher einem Genehmigungsprozedere unterziehen, was auch für jedwede nachträgliche Änderungen gilt. Da der Initialplan des Managements, so wie ihn die Temeswarer Hochschule vorgelegt hat, ein strenges Schutzareal von 55 Prozent des gesamten Nationalparks vorsieht – was nun geändert werden soll – ist es gesetzliche Pflicht, den neuen Managementplan, mit seinen Änderungen, einer neuerlichen öffentlichen Diskussion zu stellen. Er erfordert in dieser Form eine strategische Umweltevaluation. So sieht es Art. 26 des zitierten Regierungsbeschlusses vor.“

Die Sorge der Umweltschutzorganisationen kommt daher, dass durch die Einengung des strengen Schutzgebietes auf bloß 40 Prozent des Gesamtareals (von 37.000 Hektar) – mit der offensichtlichen Absicht, außerhalb derselben Holz zu schlagen, also die Wälder des Nationalparks zu lichten oder gänzlich zu beseitigen – die 50 streng geschützten Arten, die in der EU-Direktive 2009/147 des Europarats angeführt sind und die in diesem Nationalpark vorgefunden werden können – Vögel, große Fleischfresser (Wolf, Wildkatze, Luchs, Bär), Insekten, Pflanzen gleichermaßen (durch diesen Nationalpark geht eine Trennlinie zwischen submediterranem und kontinentalem Klima, was erhebliche Unterschiede in der Pflanzen- und Tierwelt des Nord- und des Südufers der Nera bewirkt) – der Ausrottungsgefahr ausgesetzt werden. Es handelt sich ausschließlich um Lebewesen und Pflanzen, die auf den EU-Listen CITES (Habitatdirektive 92/43)  und 462/2001 zu finden sind. In ihrem Fall gibt es eine Überlappung des Nationalparks mit den Natura 2000 – Arealen. Die von Romsilva aufgedrängten Änderungen zerstückeln und verkleinern die meisten dieser Lebensräume.

Statt 40 sind 75 Prozent streng zu schützen

„Im gegebenen Kontext“, schreiben die Umweltschutzorganisationen, „fordern wir die Intervention des Kontrollkorps der Kanzlei des Premierministers, um zu untersuchen, wie die Direktion Biodiversität des Ministeriums für Umwelt, Gewässer und Wälder die Evaluierung der Auswirkung der Verkleinerung des streng geschützten Raums vorgenommen hat. Sollte das Prozedere korrekt gewesen sein, fordern wir eine neuerliche öffentliche Diskussion der finalen Variante mit weniger als 55 Prozent streng geschützten Raumes. Auch fordern wir, als Zusatz zum Managementplan, die Beschreibung einer möglichen Ausdehnung des streng geschützten Areals auf 75 Prozent der Gesamtfläche, im Einklang mit den Vorgaben von „The International Union for Conservation of Nature“ (IUCN), die auch von der EU-Kommission angenommen wurden – und diese Forderung gilt für alle 13 Nationalparks Rumäniens.“ Rumänien verfügt über rund 1,6 Millionen Hektar wertvolle Ökosysteme (wissenschaftliche Reservate, Naturreservate, Nationalparks, Naturparks, Naturdenkmäler) und über das Biosphärenreservat Donaudelta, das sich auf 580.000 Hektar erstreckt.

Laut offiziellen Angaben besuchen alljährlich rund 18.000 Touristen den Nationalpark Nera-Schluchten – Beuşniţa-Wasserfälle – er ist für die relativ arme Gegend also auch ein Wirtschaftsfaktor. Ein Fünftel der Besucher sind Ausländer. Das wertvolle Ökosystem wird seit 1943 geschützt, anfangs, indem der Holzschlag strenger eingehaltenen Regeln unterworfen wurde. Seit 1973 sind die bewaldeten Hänge des auch von Orawitza aus sichtbaren Roll-Bergs streng geschützt, seit 1982 gibt es im Raum des heutigen Nationalparks drei streng geschützte Areale, in denen jedweder forstwirtschaftlicher Eingriff untersagt ist.

Zu einem Sechstel durch Schluchten im Jura-Karst

1990 kam erstmals die Idee des Nationalparks Nera-Schluchten – Beuşniţa-Wasserfälle auf, 2004 wurde die Administration des Nationalparks (als Institution mit eigenem Budget) ins Leben gerufen. Vier Jahre vorher, 2000, gab es dazu einen Dringlichkeitserlass der Regierung, der die Verwaltung der geschützten Areale, die Konservierung natürlicher Habitate, von Flora und Fauna zum Ziel der Regelung hat. Die Eilverfügung war aufgrund des Drucks der EU, inmitten der Beitrittsverhandlungen Rumäniens, zustande gekommen. Der heutige Nationalpark Nera-Schluchten – Beuşniţa-Wasserfälle erstreckt sich über 37.000 Hektar im Süden des Banater Berglands, an beiden Ufern des Nera-Flusses, der hier eine der spektakulärsten Karstklammen Südosteuropas geschaffen hat, ein Paradies für Wanderer, Kanu- und Wildwasserfahrer. Die Nera-Schluchten erstrecken sich über 23 km (der Nera-Fluss ist insgesamt 131 km lang). In ihrem Umfeld gibt es auch legendenumwobene Seen, den Teufelssee und Ochiul Beiului sowie den Bigăr-Wasserfall, wo laufend Bimsstein entsteht. Gegenwärtig werden aus dem Budget der staatlichen Forstverwaltung Romsilva für den Nationalpark (Verwaltung, Sauberhaltung und Schutz durch Ranger) jährlich 600.000 Lei zur Verfügung gestellt.