Oltchim und die Wahlkampagne

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Premiere in der rumänischen Medienlandschaft! Realitatea und die Antennen, B1, România TV und Digi 24, alle einheimischen Sender scheinen sich in den letzten Wochen geeinigt zu haben: In die Hauptsendezeit gehört Dan Diaconescu. Der Moderator und Inhaber des skandalliebenden OTV, der Politiker und Gründer der „Partei des Volkes“, der Geschäftsmann und sensationelle Gewinner (inzwischen Verlierer) der Oltchim-Privatisierung.

Was konnten Nachrichten-TV-Konsumenten, in chronologischer Reihenfolge, erfahren? Dass der zum Medienmann des Monats gekürte Dan Diaconescu das beste Angebot hinterlegte zur Privatisierung des Chemiewerks Oltchim (eigentlich gab es kaum Interessenten), dass er die Auktion für die 53 Prozent der Anteile mit ca. 45 Millionen Euro (selbst für ihn unerwartet) gewann, obwohl er als natürliche Person mitgeboten hatte, dass er sich danach weigerte, den Vertrag mit dem Staat formell zu unterzeichnen, dass er die Gehälter der Werkangestellten mit sackweise herangekarrten Geld begleichen wollte, dass er das Geschäft letztlich wegen Nichteinhaltung der Zahlungsfrist verlor.

Womit mussten sich die Zuschauer nolens volens auseinandersetzen? Obsessiv mit der Frage, ob Dan Diaconescu, dessen Medienunternehmen bekanntlich große Schulden haben, das Geld für die Privatisierung tatsächlich aufbringen kann, ob er den Vordermann spielt für irgend einen Großinvestoren im In- oder Ausland, ob es lediglich um eine Farce geht im Hinblick auf die Parlamentswahlen Anfang Dezember. Nun, da die Privatisierung des Chemiewerks Oltchim für gescheitert erklärt wurde, könnten wir uns vielleicht eine Zeitlang auf andere Themen konzentrieren. Oder doch nicht. Denn jetzt müssen wir erfahren, wer wen vor dem Gericht verklagt hat und natürlich auch wer an der ganzen Geschichte schuld ist.

In diesem Punkt hört, wie erwartet, jedwelche Einstimmigkeit der einzelnen TV-Sender auf. Die Information verliert an Bedeutung, transportiert werden sollen parteipolitische Inhalte jeder Couleuer, je nach Mogul und Wunsch. Für die einen ist Dan Diaconescu verantwortlich für das Fiasko. Und die alte Regierung. Und Băsescu. Für die anderen, Premier Victor Ponta, Wirtschaftsminister Chiţoiu und der Chef der Privatisierungsbehörde für die Industrie, Remus Vulpescu.

Unter dem Strich findet der müde Fernsehnachrichten-Interessent letztlich eine amüsante (er weiß zwar noch nicht für wen) Schlussfolgerung: Dan Diaconescu kann gut rechnen. Dan Diaconescu, der Politiker und Gründer der „Partei des Volkes“, denkt an die Wahlen im Winter. Laut einer neuen IMAS-Umfrage liegt seine PP-DD in der Wählergunst bei 15,5 Prozent (nur 9,8 Prozent im Juni). Nicht schlecht, nichtsdestotrotz zu verbessern. Dan Diaconescu, der Moderator und OTV-Inhaber, kennt die Bedeutung des Politainments (eine Verknüpfung von Politik, Journalismus und Unterhaltungskultur), aber auch den Preis von Primetime-Erscheinungen. Der Geschäftsmann Dan Diaconescu kommt auf die Idee, dass die Kosten einer gescheiterten Privatisierung kleiner sind als die einer täglichen Live-Wahlkampagne. Inzwischen ist ein großer Teil der Bevölkerung bereits informiert über seinen Kampf gegen die ausbeutenden Emporkömmlinge, über seine ungerechte Behandlung etc. So gesehen, ist er wahrscheinlich der einzige Gewinner dieser Reality Show auf Kosten der Menschen in Vâlcea.

Die Regierung erwies sich unfähig, die Privatisierung von Oltchim zu organisieren. Keiner versteht ihre Eile, zumal es keinen Zwang gab seitens des Internationalen Währungsfonds (IWF) bezüglich eines umgehenden Verkaufs des Chemiewerks und die jetzige Lösung der Sonderverwaltung von Anfang an durchaus möglich gewesen wäre. Ein schlechtes Zeichen für weitere Privatisierungen, vielleicht auch für die Parlamentswahlen. Die Opposition (nicht ganz unschuldig an der unglücklichen Entwicklung des Werkes) schaffte es kaum, Punkte zu sammeln aus diesem Faux Pas des USL-Kabinetts. Ein Beweis von Schwäche. Wer denkt an die Angestellten in Oltchim, an ihre vergeblichen Hoffnungen, an ihre Familien? Sie brauchen mehr als Zirkus zur Primetime.