Orgel-, Sopran- und Gambenabend im Bukarester Athenäum

Ilse Maria Reich konzertierte gemeinsam mit Georgeta Stoleriu und Anca Iarosevici

Ilse Maria Reich kehrte an die Orgel im Bukarester Athenäum zurück. Foto: Georg Hutter

Am Abend des 2. November fand im Großen Saal des Bukarester Athenäums ein Konzert statt, bei dem die aus Hermannstadt/Sibiu gebürtige Organistin Ilse Maria Reich an der historischen Walcker-Orgel mit Solowerken, aber auch in Duobesetzung bzw. in Triobesetzung gemeinsam mit der Sopranistin Georgeta Stoleriu und der Gambenspielerin Anca Iarosevici auftrat. Auf dem abwechslungsreichen, anderthalb Stunden dauernden und ohne Pause durchgespielten Programm standen Werke deutscher, italienischer, tschechischer und polnischer Komponisten von der Spätrenaissance bis zur Romantik.

Eröffnet wurde das außergewöhnliche Konzertereignis mit einem bekannten Orgelwerk von Johann Sebastian Bach, und zwar mit dem Präludium und der dazugehörigen Fuge in C-Dur (BWV 547). Bei diesem Eingangsstück brachte Ilse Maria Reich nicht nur die 1939 erbaute und 2008 renovierte Walcker-Orgel in ihrer Klangfülle zur vollen Entfaltung, sondern ließ auch ihr organistisches Können aufblitzen, in der Manual- und Pedalbehandlung wie auch in der Differenziertheit ihrer Registrierung.

Als zweites Werk des Abends folgte ein Opus des polnischen Barockkomponisten Pawel Sieprawski mit dem Titel „Iustus germinavit“, das im Gegensatz zu einer früheren Motette des Ferrareser Komponisten des Frühbarock Alessandro Grandi das biblische Liliengleichnis aus dem Futur („germinabit“) ins Perfekt setzt: Der Gerechte hat sich entfaltet wie eine Lilie. Georgeta Stolerius reiner und klarer Sopran wurde dabei begleitet von Ilse Maria Reich an der Orgel und von Anca Iarosevici an der Diskantgambe, der kleinsten der in mehreren Größen gebauten Gamben, die man auch als Schoß- und Kniegeigen bezeichnet. Der feine Klang des bratschengroßen Instrumentes, das zwischen den Oberschenkeln gehalten und nicht, wie die Viola da Braccio (Armgeige), ans Kinn gesetzt wird, ergänzte den Sopran Georgeta Stolerius auf harmonische und höchst wohlklingende Weise.

Auf dieses Werk in Triobesetzung folgte das Adagio in a-Moll von Johann Sebastian Bach, der langsame Mittelteil (Grave) der Orgelkomposition Toccata, Adagio und Fuge C-Dur (BWV 564), allerdings in einer Version für Viola da Gamba und Orgel. Die dabei verwendete größere (und entsprechend tiefer klingende) Version einer Viola da Gamba wurde von der Gambenspielerin Anca Iarosevici zwischen den Beinen fest eingeklemmt, damit das Instrument nicht abrutscht, denn die Viola da Gamba verfügt, im Gegensatz zum Violoncello, über keinen Stachel, der das Instrument am Boden sistiert. Auch hier beeindruckte das von Anca Iarosevici meisterhaft gehandhabte Streichinstrument mit seinem weichen und singenden Barockklang, der der ursprünglichen Orgelkomposition neue Klangnuancen hinzufügte und ihr dadurch einen besonderen Charakter verlieh.

Danach stand wieder ein Solowerk für Orgel auf dem Programm: das Konzert in F-Dur nach Tomaso Albinoni mit den drei Sätzen Allegro, Adagio und Allegro von Johann Gottfried Walther, einem Freund und entfernten Verwandten Johann Sebastian Bachs. Walthers Transkriptionen von Konzerten nicht nur von Albinoni, sondern auch von Gentili, Taglietti, Torelli, Vivaldi und Telemann wurden zum Maßstab und Vorbild zahlreicher späterer barocker Konzertbearbeitungen für die Königin der Instrumente.

Das „Ave Maria“ des 1551 in Rom geborenen und 1618 in Florenz gestorbenen italienischen Sängers und Komponisten Giulio Caccini bildete den nächsten Programmpunkt des Konzertabends, und zwar in der Triobesetzung für Sopran, Viola da Gamba und Orgel. Auch bei diesem Werk beeindruckte der harmonische Gesamtklang, der dem monodischen Charakter des Stückes und der differenzierten Entfaltung der einzelnen Stimmen gleichwohl Raum gab.

Auf das Trio folgte dann wieder ein Duo: der Choral „Nun komm, der Heiden Heiland“ (BWV 659) aus Bachs „Achtzehn Choräle von verschiedener Art“, auch „Leipziger Choräle“ genannt, in einer Bearbeitung für Viola da Gamba und Orgel. Die eher getragenen Melodien ließen der Gambenspielerin, wie auch in den übrigen bei diesem Konzert vorgetragenen Stücken, viel Raum für lyrische Entfaltung. Gerne hätte man an diesem Abend die Viola da Gamba aber auch einmal mit einem energischen Allegro oder einem kräftigen Presto vernommen.

Von dem tschechischen Komponisten Jan Krititel Kuchar (1751-1829) wurde im Anschluss daran die Fantasie g-Moll für Orgel solo mit den vier Sätzen Maestoso, Pastorale, Moderato und Maestoso zu Gehör gebracht. Der in Prag wirkende Kuchar war nicht nur in verschiedenen Kirchen der Goldenen Stadt als Organist tätig, sondern auch Kapellmeister der Prager Oper. Aus seiner Feder stammt auch der erste Klavierauszug von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“.

Begleitet von der Orgel sang dann Georgeta Stoleriu Franz Schuberts berühmtes „Ave Maria“ op. 52 Nr. 6 (D 839), das textlich auf Walter Scotts Gedicht „The Lady of the Lake“ basiert. Ellen Douglas, die Protagonistin des Scottschen Poems, bittet die Jungfrau Maria flehentlich um Hilfe, und die Inbrunst, Andacht und Innigkeit des Schubertschen Gesanges wurde hierbei von Georgeta Stoleriu mit großer Hingabe zum Ausdruck gebracht.

Den Abschluss des Konzertes bildeten zwei Werke von Johann Ludwig Krebs: seine Fantasie g-Moll für Gambe und Orgel sowie sein Präludium und seine Fuge f-Moll für Orgel solo. Krebs war als Thomasschüler in Leipzig Freund, Vertrauter und Notenkopist des damaligen Thomaskantors Johann Sebastian Bach.

Es war also nur folgerichtig, dass Ilse Maria Reich dem Konzertprogramm noch zwei Zugaben von Johann Sebastian Bach folgen ließ: die berühmte Toccata d-Moll (BWV 565) sowie den ersten Schübler-Choral „Wachet auf ruft uns die Stimme“ (BWV 645). Leider gab es im Athenäum keinen gemeinsamen Schlussapplaus für alle drei Mitwirkenden mehr, sodass Ilse Maria Reich am Ende alleine mit dem wohlverdienten Blumenstrauß in der Hand den vom Konzertpublikum reichlich gespendeten Beifall entgegennahm.