Peregrinii - die zeitreisenden Musikanten

„Früh übt sich...: Eine Temeswarer Teenagerband macht von sich hören

Die Musiker proben zwei Mal pro Woche.

Die Musiker proben zwei Mal pro Woche.

Peregrinii reisen durch Zeit und bringen den Temeswarern ihre Stadtgeschichte näher.

Eine weitere Attraktion ist auch das Akkordeonspielen auf dem Einrad. Im Bild Lucas Kohl Fotos: Zoltán Pázmány

Durch den schmalen Fensterspalt kommen am Donnerstag Abend interessante Musikklänge auf den alten Temeswarer Domplatz. Die Stille in der Temeswarer Innenstadt wird nur vom Klang der Musikinstrumente belebt. In einem Haus neben der kleinen Lenauschule am Domplatz probt eine Band.

Der große Raum in diesem Altbau lässt die Musik zu einem komischen Echo verschärfen. Erst die Neugierde auf die Musiker, dann ein Erstaunen. Denn beim Betreten des Saals erblickt man sieben Teenager, die vor ihren Mikros stehen und energisch auf ihren Instrumenten spielen. Zwischen sieben und 13 Jahre alt sind die Künstler. Sie bezeichnen sich als „Peregrinii“ – „Die Reisenden“ oder besser gesagt die „Zeitreisenden Musikanten“, denn die jungen Künstler führen ihre Zuhörer und Zuschauer auf einer Art Weltreise durch die Musik der Welt und vor allem der Stadt Temeswar/Timişoara. Jacqueline und Lucas Kohl, Fabian Galiş, Andreas und Carla Cristea, Paul Ionele und Ioana Poştaru performen hier in ihrem Probesaal zweimal pro Woche. Sie wollen mal bekannte Künstler werden. Und das sind sie bereits geworden. Denn schon bei vielen Ereignissen in der Bega-Stadt konnte man auf der Veranstaltungsplanung die Band „Peregrinii“ antreffen, und immer wieder staunte das Publikum, gute Eindrücke gab es auch. So kommt es vor, dass die jungen Musiker allein in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres bei über 40 Ereignissen mitgemacht haben. Auch für 2014 wird der Kalender immer voller und die Nachfrage nach diesen interessanten Musiker immer größer. Eine CD soll aufgenommen und veröffentlicht werden und ein Videoclip mit Bildern aus der Temeswarer Altstadt soll demnächst gedreht werden.

Stadtgeschichte durch Musik geschildert

Die Lieder, die diese Band spielt, sind Teil der Temeswarer Stadtgeschichte. Von Liedern des Mittelalters, von der türkischen Herrschaft bis hin zur Musik der Banater Minderheiten. Deutsche, ungarische und serbische Liede sind Teil ihres Repertoires.

Die Band entstand April 2013. Drei Mitglieder der jetzigen Band beteiligten sich damals bei einem Klavierkonzert in der alten Synagoge. „Während des Klavierkonzertes wurden in der Synagoge alte Bilder von Temeswar ausgestrahlt. So entstand die Idee, eine Musikband zu gründen, die nicht nur Musik produziert, sondern auch zu einer Zeitreise in die Geschichte der Stadt startet“, erklärt Sergiu Galiş, der Manager der Gruppe und Vater vom Bandmitglied Fabian. Die drei Musiker Fabian Galiş, Jacqueline und Lucas Kohl starteten so ihr „Zeitreisende Musikanten“-Projekt. Die Lieder wurden dann tief in der verbogenen Geschichte der Stadt gesucht und ans Licht und zu Gehör gebracht. Eines der Hauptlieder von Peregrinii ist auch die Hymne zu Ehren des habsburgischen Kaisers Karl Robert von Anjou. „Imperante Carolo - ist eine Anpassung nach einem Originallied aus der Renaissance. Der Text wurde Wort für Wort verarbeitet nach dem Ehrendokument, dass in einer Kapsel am Fundament der Temeswarer Burg Anfang des 18. Jahrhunderts vergraben wurde. Dieser Text ist in mehreren Dokumenten der Temeswarer Stadtgeschichte erwähnt“, sagt Sergiu Galiş. Auch andere authentische Lieder werden von den kleinen Musikern interpretiert. „Saltarello“, das Lied der Temeswarer Schlossherren aus dem 15. Jahrhundert, aber auch Lieder aus der Zeit der türkischen Herrschaft, wie „Mehter“, der Osmanen-Marsch oder der „Donauschwaben Walzer“ aus der Zeit des Habsburger Reiches und die ungarischen und serbischen Einflüsse werden von „Peregrinii“ wiederbelebt. „Es gibt stets etwas aus der Geschichte Temeswars dabei“, erklärt Robert Kohl, der Band-Betreuer. Er ist der Vater von Jacqueline und Lucas und unterstützte tatkräftig seine Kinder, eine Band zu gründen. Er selber brachte seinen Kindern das Singen und Spielen auf mehreren Instrumenten bei.

Eigentlich begann alles vor einigen Jahren, als Lucas in der ersten und Jacqueline in der dritten Klasse waren. „Die Kinder sollten eine gewisse Maturität haben, wenn sie Musik lernen“, meint der Vater. So wurden beide in die Temewarer Kunstvolksschule eingeschrieben. Dort sollten sie zusammen mit ihren Freund Fabian Klavierspielen lernen. „Klavier ist der König aller Instrumente“, sagt Vater Kohl. Musik ist mittlerweile ein wichtiger Teil der gesamten Familie. Von Klavier ausgegangen sind es bereits mehrere Instrumente geworden, an denen die Kinder spielen: Gitarre, Akkordeon, Flöten, Perkussion, Dulcimer, Ukulele, Zylinder- und Rahmentrommel (Bodhran). Jeden Tag proben die Geschwister ein wenig und sie machten aus der Musik mehr als nur eine Leidenschaft, sondern eine Lebensweise.

Die Band bestand erstens aus drei Mitglieder, mit der Zeit kamen weitere vier dazu: Nicht nur Lucas und Jacqueline sind Geschwister, Andreas und Carla Cristea auch; Ioana und Paul sind nun auch Mitglieder der „Zeitreisenden Musikanten“ geworden.  Und alle Mitglieder spielen mehrere Instrumenten. Das begeistert auch die Zuschauer. Bei jeder Veranstaltung präsentieren sie etwa zehn, zwölf Lieder. Immer werden die Instrumente unter den sieben Mitglieder der Band getauscht und das nicht nur für deren Publikum, sondern auch aus Qualitätsgründen der Musik. „Sie dürfen nicht zwei Mal Flöte spielen, zum Beispiel, denn die Leistung ist nicht mehr dieselbe“, erklärt der Bandmanager Sergiu Galiş.

Von den insgesamt sieben Bandmitgliedern derzeit, sind fünf von ihnen Schüler der „Nikolaus Lenau“-Schule: Carla, Andreas, Lucas, Jacqueline und Paul. Fabian und Ioana sind Schüler des pädagogischen Lyzeums „Carmen Sylva“.

Carla ist sieben, sie stieß aus purem Zufall zur Band. „Mein Bruder spielte in der Band. Ich kam einfach zu den Proben und, weil ein Mädchen an dem Tag abwesend war, wurde ich gefragt, ob ich mit dem Tamburin den Rhythmus halten könnte. Das machte ich und wurde dann auch in die Band aufgenommen“, erzählt Carla. Mittlerweile lernte sie auch die Rahmentrommel zu schlagen. Andreas ist der Bruder von Carla. Er ist 12. In der Band spielt er Gitarre und Bass, manchmal auch Bodhran. Ioana kam auch nach der Gründung der Band dazu. Die Band brauchte eine Perkussionsexpertin. Da sprang sie ein. Nun singt sie, spielt Gitarre, Flöte, Ukulele und Trommel. Fabian tauscht auch zahlreiche Instrumente aus: Klavier, Akkordeon, Flöte, Gitarre, Bass, Perkussion und Bodhran, Darbuka und Tamburin. Das reicht ihm bei weitem nicht. „Ich wünsche mir, bald sogar noch weitere Instrumente zu spielen. Für die Zukunft planen wir für unserer Ausstattung auch einen Cembalo und einen Dudelsack zu erwerben“, sagt er.

Paul (13) ist auch Lenauschüler in der siebten Klasse. Er ist der letzte, der dazu gekommen ist. Einen musikalischen Hintergrund hat er auch: Er spielt Schlagzeug, aber auch Flöte, ein bisschen Klavier und Gitarre. Die Hauptsolistin Jacqueline ist auch Lenauschülerin und wünscht sich eine Musikkarriere. Ihr Bruder Lucas ist der absolute Star. Mit 10 gilt er bereits als ein erfahrener Musiker. Schon als Zweitklässer gründete er zusammen mit einigen Klassenkameraden eine Hardrock-Band - A.L.L. Friends Band. Zusammen singen sie auch heute noch und spielen bekannte Rocksongs von AC/DC und Queen. Eins sind sich alle sieben einig: Sie lieben Musik und die Zeit zusammen macht ihnen Spaß.

Musikalische Familie

Dass Jacqueline und Lucas Kohl Musik lieben, ist wohl kein Wunder. Die Geschichte der Familie Kohl war immer musikalisch geprägt. Der Vater, Robert, entfloh mit 22 Jahre dem kommunistischen Regime 1989. Doch davor war er Mitglied der Temeswarer Heavy-Metal-Band „Bastion“. Dabei spielte er Gitarre. Alle Mitglieder der Band träumten damals von einem besseren Leben im Ausland. Der Gedanke zur Flucht in den Westen schien allen als ideal. So kam Robert Kohl nach Deutschland und, obwohl er in einer rumäniendeutscher Familie aufwuchs, sprach bei ihm Zuhause niemand Deutsch. So musste er zuerst die Sprache erlernen, dann studierte er in Mainz und unterrichtete Gitarre an einer deutsche Volksschule. Deutschland war für ihn doch nicht das Richtige. So kehrte er 1996 zurück in seine Heimatstadt Temeswar. „Rumänien war dann keine Liebe auf den ersten Blick. Es war schwer, mich wieder an Temeswar zu gewöhnen“, erzählt Robert Kohl lächelnd. „Ich fühlte aber, dass ich hier leben muss. Hier sei mein Zuhause, wo ich eine Familie gründen wollte“, ergänzt Kohl. Und die Familie kam auch bald. Dass sich alles weiterhin um Musik im Leben von Robert Kohl drehte, dass war ihm schon immer klar. Die Kinder waren auch von dieser Leidenschaft schnell begeistert. Vor allem war Lucas begeistert, als ihm sein Vater vorschlug eine Band zu gründen. „Wie wär´s wenn du zusammen mit deinen Freunden in einer eigenen Band spielst?“ lautete die Frage. Gleich überzeugte der kleine Musiker zwei weitere Jungs, Gitarre zu lernen und zusammen zu performen. Adam (A), Luca (L) und Lucas (L) - abgekürzt A.L.L. Friends Band. Zuerst ergab das eine Art Acoustic-Band, mittlerweile ist Heavy-Metal das, was sie am meisten reizt. Sie spielen Covers aber auch eigene Lieder.

Der Veranstaltungskalender der „Zeitreisenden Musikanten“ war 2013 richtig voll. Sie performten unter anderen bei Festivals und Feiern wie Bega Boulevard, beim Barock-Festival und am Temeswarer Stadtfest. Einmal monatlich sind sie auch auf der Bühne des Puppentheaters „Merlin“ zu sehen und zu hören.