Politik im Alleingang

Gespräch mit Erwin Albu, der als Unabhängiger für das Zeidner Bürgermeisteramt kandidiert hat

Die Proteste in Zeiden hatten ein landesweites Echo in den Medien.

Erwin Albu (mit Megafon) als Initiator der Straßenproteste gegen die Schließung des städtischen Krankenhauses.
Fotos: privat

Leise Töne und Kompromissbereitschaft sind nicht seine Stärke; Demut und Bescheidenheit von Erwin Albu zu erwarten, ist wohl zu viel verlangt. Den 32-jährigen Zeidner kennt heute fast jeder in seiner Heimatstadt, vor allem nachdem die von ihm geleiteten Straßenproteste gegen die Schließung des städtischen Krankenhauses erfolgreich waren. So war es kein Wunder, dass Albu in kurzer Zeit 2400 Unterschriften in Zeiden/Codlea für seine Bürgermeisterkandidatur sammeln konnte. Vorher war er bereits zweimal auf den Listen des Forums in den Stadtrat gewählt worden. Albus Großmutter väterlicherseits ist in Österreich geboren und lebt in Comăneşti. Erwin besuchte den deutschen Kindergarten, die deutsche Schule (Honteruslyzeum) und absolvierte ein Management-Studium an der Kronstädter Uni. Ein Studium an dem evangelischen theologischen Institut in Hermannstadt hat er nach einem Jahr unterbrochen, weil die politische Tätigkeit ihm immer wichtiger wurde, wichtiger als auch seine eigenen Geschäfte (Handel, Beratung, Web-Shop) von denen er zugibt, dass er sie zwischenzeitlich etwas vernachlässigt habe. Inzwischen besucht Erwin Albu Fernkurse der Universität Oxford für Philosophie, Religion und Politik.

Im Interview mit  ADZ-Redakteur Ralf  Sudrigian  spricht Albu über sein Wahlergebnis und den Wahlkampf in Zeiden, über seine Erfahrungen in der Lokalpolitik, aber auch über seine Fehler und sein schwieriges Verhältnis mit den Vertretern der Zeidner Sachsen.
 

Was hat Sie bewogen, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren? Sind Sie machtbesessen?

Das kann man immer, für jeden der kandidiert, so interpretieren.  Als Bürgermeister habe ich kandidiert, weil ich bereit war, als solcher mich einzusetzen. Ich hatte ja meine Erfahrung als Stadtrat, lokale Verwaltung hat mich immer fasziniert, weil ich stets dachte, ich kann da was Gutes tun für meine Stadt und meine Mitmenschen und implizit auch für mich. Es klingt vielleicht heute unrealistisch, wenn man sich fürs allgemeine Interesse einsetzt. Ich mach das aber sehr gern und ich denke, das bringt mir mehr als ein gelungenes Geschäft. Meine Geschäfte habe ich beiseite legen müssen, damit ich richtig kämpfen kann. Man kann nicht Geschäftsmann und Bürgermeister sein. Und das ist eigentlich, was ich auch negativ über unseren jetzigen Bürgermeister, Cătălin Munteanu (PNL) sagen muss.

Er hat 34 Prozent der Stimmen erzielt: ich habe es auf 30 Prozent gebracht. Ich bin mir aber ganz sicher, dass dieses Ergebnis nicht ganz der Wirklichkeit entspricht. Die Wahlen und der Wahlkampf sind nicht korrekt gelaufen, was auch das Endergebnis beeinflusst hat. Es gab illegale Finanzierungen, Stimmenkauf, Bestechung. Ich habe eine Neuzählung verlangt, sie wurde gemacht. Leider konnte und wollte man einige Dinge nicht beweisen. Hinzu kommt, dass es in Zeiden 12 Bürgermeisterkandidaten gab, ein Rekord für den Kreis Kronstadt. Die Stimmen waren also stark gestreut. Das Wahlgesetz, dass also alles in der ersten Runde entschieden wurde, empfinde ich als ungerecht. So kann man mit einem kleinen Prozentsatz Bürgermeister werden, was nicht repräsentativ ist. Bei einem zweiten Wahlgang wäre ich sicher Bürgermeister geworden.

Sind Sie enttäuscht?

Enttäuscht kann ich nicht sein. Es waren über 3200 Stimmen für mich. Bei so einer Unterstützung kann und darf man nicht von einer Enttäuschung sprechen. Was mich enttäuscht hat ist, dass das System, gegen das ich gekämpft habe, trotzdem gewonnen hat. Das Endergebnis hat mich enttäuscht, nicht die Unterstützung der Menschen.

Wie war Ihr Wahlkampf? Wie haben Sie ihn finanziert? Wer hat Ihnen geholfen?

Den  Wahlkampf habe ich aus eigenen Mitteln finanziert. Es war wohl die am geringsten kostspielige Wahlkampagne der wichtigeren Bürgermeisterkandidaten in Zeiden. Sie hat 800 Euro gekostet. Das verglichen mit der Wahlkampagne des gegenwärtigen Bürgermeisters die ihn versteckt gut über 100.000, vielleicht sogar 200.000 Euro gekostet hat. Es haben mir Freiwillige geholfen. Eine kleine Partei (die Rumänische Ökologische Partei) hat mich auch unterstützt bei der Verteilung der vier Nummern meiner Wahlkampf-Zeitung.

Ich wollte eigentlich nicht nur eine gewisse Zielgruppe erreichen. Ich war stets engagiert in der Stadt und nicht nur in bestimmten Bereichen. Wo immer es möglich war, habe ich mich impliziert. Versprochen habe ich eigentlich nur Transparenz. Ich habe konkrete Lösungen vorgetragen und habe genau gesagt, was und wie ich es machen werde. Keine Werbung, Konzerte, Wahlgeschenke sondern konkrete Vorschläge, Lösungen. Ich habe ein Programm vorgeschlagen, wie neue Arbeitsplätze in Zeiden geschaffen werden können, und zwar durch Öffnung der Verwaltung gegenüber Privatinitiativen. Der Einladung zu der öffentlichen Debatte über Industrieparks in der Stadt folgten der holländische Botschafter wie auch der britischen Honorarkonsul, Vertreter des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt, potenzielle Investoren, Geschäftsleute die bereits da sind. Alle haben verstanden, dass es sich dabei nicht einfach um Werbung für Erwin Albu handelt, sondern um eine Initiative für eine Öffnung, von und in lokalem Interesse für jeden Zeidner. In diesem Sinne wollte ich als Bürgermeister weiter handeln. Ich habe immer meine Gegenkandidaten zu einer Debatte eingeladen. Leider wollten sie nie gegen mich oder mit mir öffentlich auftreten.

Warum haben Sie als Unabhängiger kandidiert, obwohl auch andere Parteien bei Ihnen vorstellig wurden?


Ich hatte schon immer vor, als Unabhängiger zu kandidieren oder für das Deutsche Forum. Es ist wahr, das Wahlsystem ist vorteilhafter für die Parteien als für die Unabhängigen. Ein Parteikandidat verfügt über mehr Ressourcen, die Organisation steht hinter einem. Als Unabhängiger hat man kein eigenes Logo, man kann nicht seine eigenen Vertreter in den Wahlkommissionen haben, es ist viel Papierkram zu erledigen. Aber man kann eigene Entscheidungen treffen und ist für sie direkt verantwortlich. Bei einer Partei ist man mitverantwortlich, die Entscheidungsfreiheit liegt aber nicht bei einem Einzelnen. Ich schließe es aber nicht aus, bei weiteren Wahlen als unabhängiger Kandidat anzutreten. Ich weiß, wie schwierig das ist, merke aber, dass die politischen Organisationen einfach nicht richtig reagieren wollen, wenn zum Beispiel krumme Dinge in der Verwaltung passieren.

Sie wurden landesweit bekannt, als Initiator von Protestaktionen gegen die Schließung des Zeidner Krankenhauses. Wie ist es Ihnen gelungen, so viele Leute auf die Straße zu bringen?

Die Bevölkerung hat die Schließung des Krankenhauses als persönliches Problem empfunden. Genau so die Missstände bei der Verwaltung der Parkplätze oder die massiven Waldrodungen. Wenn es um die Verwaltung des Stadtbudgets geht, verstehen die Leute leider noch nicht, dass sie da auch direkt betroffen sind.  Wenn Politiker in Rumänien einen Posten oder eine Funktion erhalten, werden sie irgendwie als Übermenschen angesehen.

Wir haben nicht nur das Problem angedeutet, sondern versucht, den Verantwortlichen auch Lösungen anzugeben. Die Leute haben das verstanden. Selbstverständlich hat das die Parteien gestört. Und da sind wir wieder beim politischen Spiel. Die Parteien reagieren nicht schön. In dem Moment wo klar wurde, dass die Leute mir zuhören, mir folgen und mir vertrauen, wobei ich allein die Verantwortung für diese Proteste trug, was mir auch Strafgelder einbrachte (über 14.500 Lei, die Prozesse laufen noch), als ich die lokale Alternative zu den Politikern wurde, dann ging es hart auf hart zu.

Und eine Haftstrafe gegen Sie (auf Bewährung) kam zum Vorschein. Worum geht es da?

Wir spielen hierzulande zu leicht mit Etiketten, Andeutungen. Es gibt Hintergründe, die man auch berücksichtigen müsste. Ich hatte eine Firmengruppe und im geschäftlichen Dschungel Rumäniens habe ich auch versucht, Dinge zu drehen. Heute bereue ich meine Fehler. Ich hatte 2007 einen Scheck ausgeschrieben. Beim Nichtbegleichen eines Schecks gibt es harte Strafen. Schecks werden auch als Garantiemittel benützt. Ich habe das mit einer Transportfirma auch getan. Ich hatte vereinbart, dass diese Firma nicht zur Bank geht, als der Scheck eingelöst werden sollte. Dafür habe ich einen zweiten Scheck ausgestellt mit einem neuen Datum. Leider ist die Firma ohne mich zu informieren, zur Bank gegangen. Es war eine Situation, aus der ich mich weghalten hätte können.

Sie haben die Unterstützung seitens der Führung des Zeidner Ortsforums und der evangelischen Kirchengemeinde verloren. Wie konnte es, aus Ihrer Sicht, so weit kommen?

Ich habe ein großes Problem. Darauf bin ich aber auch stolz. Ich kann nicht schweigen. Das bringt auch Ärger, aber ich will einfach nicht anders leben. Selbstverständlich sollte man auch den Balken im eigenen Auge sehen. Das tue ich, aber das heißt nicht, dass man schweigen soll, wenn man weiß, dass etwas Unrichtiges passiert. Wenn man schweigt, wird man zum Komplizen. Selbstverständlich stört das.

Es gibt eine Trägheit. Die deutsche Gemeinde, die Sachsen, sind als stille Personen bekannt. Das soll man ihnen auch groß schreiben. Ich hab kein Problem damit. In dem Moment, wo man eine öffentliche Stelle annimmt, ist es eigentlich die Verantwortung der Stelle, dass da auch im Interesse der Stadt gehandelt wird, nicht nur im Interesse des eigenen Freundeskreises, oder der eigenen Straße oder der eigenen Kirchengemeinde.
Man hat mir vorgeworfen: „Warum musst du dich überall einmischen?“ Weil das die Rolle eines Stadtrates ist, weil ich nicht einfach wegschauen kann. Das hat dann dazu geführt, dass die Führung der Zeidner deutschen Kirchengemeinde kein Verständnis für einige meiner Aktionen hatte. Man muss sich einsetzen. Ich werde niemals schweigen, auch wenn das gefährlich wird. Und es wurde gefährlich. Der Druck ist stark gewachsen. Die Fehler in meinem Leben wurden stark übertrieben.

Ich wurde zum Angriffsziel anderer Parteien –  der Personen, denen ich, durch meine Wut, der Wahrheit hinterherzurennen, geschadet habe. Ich bereue es nicht. Ich war einer der 19 Stadträte, ich war der lauteste und ich war derjenige, der immer an die Öffentlichkeit getreten ist, um zu erzählen, was gerade vor sich geht. Dadurch wuchs auch der Druck auf die deutsche Gemeinde, die das gar nicht gern hat. Es wurde ihnen nahe gelegt: „Ihr müsst den Erwin einmal dazu bringen, dass er sich nicht um alle Dinge kümmert, dass er uns in Ruhe lässt.“ Mein Auftritt hat das bewirkt. Leider muss ich sagen, verkriechen sich die Sachsen zu stark hinter den eigenen Kirchenmauern. Ich kann verstehen, warum – es sind auch ältere Leute – aber das heißt nicht, dass man junge Leute aus der Gemeinde, die sich wirklich einsetzen wollen, verurteilt, wenn sie es auch tun können. Mein Rücktritt aus dem Stadtrat ist auch darauf zurückzuführen, war aber auch ein Alarmsignal, gegen die Art und Weise, wie der Stadtrat ernste Probleme der Zeidner behandelte.

Würde es Sie ärgern, Sie mit Don Quijote zu vergleichen?

Ich bin zu idealistisch und das wirft man mir auch vor. Mein persönliches Leben hatte auch zu leiden. Ich hab meine Verlobte nach einer fünf Jahre langen Beziehung verloren, weil ich die Prioritäten anders gesetzt habe. Ich kann damit leben, ich denke es gehört zu meiner Persönlichkeit, so aufzutreten.