Porträt des Literaturkritikers als Student

Peter Motzan zum 70. Geburtstag

Der bekannte Literaturkritiker Peter Motzan ist 70 Jahre alt geworden. Am 7. Juli 1946 in Hermannstadt geboren, hat er in Klausenburg studiert und dann selber am Germanistik-Katheder gearbeitet, er ist 1990 in die Bundesrepublik ausgereist und hat dort fast nahtlos in München am heutigen IKGS-Institut weitermachen können. Ich rede am liebsten über Dinge, die ich direkt kenne. Also: Porträt des Literaturkritikers als blonder Student.
Ich habe Peter Motzan durch seine Handschrift kennengelernt, das muss um 1965 gewesen sein. Als Kulturredakteur des Neuen Wegs kam mir ja alles unter die Augen, aber eine so sympathische Handschrift habe ich weder vorher noch nachher gesehen: Alles freundlich und genau, jung und keine Spur von Pedanterie. Es müssen zuerst Berichte vom Literaturkreis der Studenten gewesen sein, dann kleinere Rezensionen.

Ob ich aus der Zeit eine Erinnerung an Klausenburg habe?
Ich weiß nicht, wie es gekommen ist, aber man hatte mich eingeladen, im Literaturkreis der Studenten zu lesen. Soviel Kreativität und Freundlichkeit auf einmal habe ich selten erlebt. Zu den Markelischen bin ich sowieso gegangen – Roswith Capesius machte das auch immer – Hanni Markel war ja eine Großpolderin, eine gebürtige Kirschlager - und mit Michael Markel konnte man auch gut auskommen, obwohl er ein ungewöhnlich echter Sachse war. Ich hatte aber nicht genug neue Stücke mit, und musste eins unten in der Hotelhalle fertig schreiben. Das war die Geschichte, wie ich wegen dem Kahnfahren nicht zu dem Meeting gelangt bin, auf dem Freiheit für den eingesperrten Helden Fanakis Takis gefordert werden sollte. Die Kaderchefin hat mich fürchterlich erzogen. Die Studenten in Klausenburg hatten jedoch richtig verstanden, dass wir Freiheit für den Fanakis wollten, aber auch für uns.

Ich habe mich mit mehreren hiesigen Germanisten und Literaturwissenschaftlern beschäftigt, mit Karl Kurt Klein und Harald Krasser. Peter Motzan ist der dritte. Was mir dabei – jenseits der Literatur – aufgefallen ist?
Je feinsinniger der Germanist, desto höher sein Interesse an rein menschlichen Schwächen. Peter Motzan hat mir diese Geschichte erzählt; Ein etwas schüchterner Kollege hatte geheiratet, die Kameraden überließen ihm natürlich das Zimmer im Studentenheim. Nachdem er aber den Schlüssel von innen umgedreht hatte, zogen sie sich einen Stuhl herbei, um durch das obere Türfenster gut hineinschauen zu können. Kichern war streng verboten.
Als Student hat Peter Motzan die deutschen Seiten in der Zeitschrift „Echinox“ gemacht und ich habe mich auch immer gefreut, wenn die Zeitschrift bei mir in der Redaktion angekommen ist. Da war nie eine fremde Wissenschaft drin, kein bloßer Germanistenfleiß, auch kein Ausweichen in unsere siebenbürgische Kulturgeschichte, damit der Autor sich ja nicht mit dem Sozialismus kompromittiert. In dieser Zeitschrift wurde frei über unseren hiesigen Kulturbetrieb geschrieben, auch ohne Rücksicht auf unsere politische Stufenleiter. Im Gegenteil, wenn man einem - auch mir – eins auswischen konnte, war die Schadenfreude groß.

Peter Motzan hat sich mehr als sonst jemand mit meinen Weißkircher-Geschichten beschäftigt. Er hat daraus auch den Auswahlband „Alles was nötig war“ gemacht, der 1972 im Klausenburger Dacia-Verlag erschienen ist. Im Nachwort schreibt Peter Motzan über die Weißkircher-Methode: „Hans Liebhardt überlistet diese Spannung zwischen erinnerndem und erinnertem Ich, indem er sie beibehält, sie zur Grundlage seiner Erzählstruktur macht.“ Ist das richtig?
Ganz bestimmt, obwohl man beim  Schreiben eher darauf achtet, dass aus der Geschichte überhaupt etwas wird.
Als ich 1970 die Leitung der Bukarester deutschen Fernsehredaktion übernommen hatte, nahm ich auch meinen ganzen Mitarbeiterstab aus der Zeit des Neuen Wegs mit in die neue Produktion. So hatte ich auch Peter Motzan und Franz Hodjak zu einer TV-Diskussion eingeladen und ihnen nachher auch gleich gezeigt, wie wir im Studio produzieren. Die beiden kommen in meiner Geschichte darüber als Peter und Paul vor. Es handelt sich um eine Aufnahme mit Blasmusik, Chor und sächsischer Tanzgruppe.
„Meine zwei literarischen Freunde und ich standen auf der Galerie, unten im Studio agierte die Truppe, zur ohrenbetäubender Musik, hinter dem breiten Glasfenster im Regieraum drückte Meister Mecalin die Knöpfe für die vier Kameras wie ein Dirigent, Christine schnalzte vor Vergnügen im Takt der Musik mit den Fingern und Peter und Paul rannten davon.

Als wir unten im Hof waren, meinte Peter: ;
Meister, wenn Sie ein Schriftsteller bleiben wollen, geben Sie dies hier alles auf.
Mir aber gefiel das Spektakel.“
Gut, dass ich verschiedenes rechtzeitig aufgeschrieben habe.
Peter Motzan hat von Klausenburg aus noch seine zwei Anthologien zur rumäniendeutschen Literatur „Ein halbes Semester Sommer“ (Prosa) und „Der Herbst stöbert in den Blättern“ (Lyrik) gemacht, die in der DDR erschienen sind. Dann entschloss er sich mit der Familie auszuwandern und die Ereignisse vom Dezember 1989 erreichten ihn auf gepackten Koffern. Was hat er mir später darüber erzählt hat?
Über die Durststrecke, die ein Hochschullehrer vom Einreichen der Akten, dem Hinauswurf vom Katheder und bis zur Ausreise überwinden musste, hat er mir gesagt, dass er durch Privatstunden überleben konnte, nicht einmal schlecht. 1990 wollte ihn die Hochschule vom Lektor gleich zum Universitätsprofessor befördern, nur damit er bleibt. Da gab es aber einen Hacken: Er hatte schon seine ganze Bibliothek auf Umwegen nach Deutschland schicken können, und so ist Peter Motzan den Büchern nachgezogen.
Ob ich mit ihm in Verbindung geblieben bin?

Selbstverständlich. Am liebsten erinnere ich mich an folgendes: Als wir vor ein paar Jahren Sabina im Münchener Universitätsklinikum operieren lassen mussten, hat es sich nicht ergeben, dass ich Peter Motzan in seinem Institut aufsuchen konnte. Mutter und Kind waren im Spital, ich war in unserem Hotelzimmer allein. Da läutete das Telefon, am Apparat war Peter Motzan, dann haben wir eine Stunde lang gesprochen, alles auf seine Kosten. Aber es gab viel zu erzählen, denn die Zeit in Rumänien war einfach zu lustig gewesen.

Hans Liebhardt