Privatinitiative kann zur Staatsanwaltschaft führen

Banater Dorfbewohner handelten sich Strafakte ein

Äußerst schwer macht man es sich hierzulande weiterhin mit jeder Privatinitiative: In den Reihen der Bevölkerung gelten Kollektivgeist oder Solidarität in Sachen, die das Gemeinwohl, gemeinnützige Vorhaben im Rahmen der jeweiligen Gemeinschaften betreffen, leider als Seltenheit. „Das soll doch unser Bürgermeister richten“, heißt es allzu oft. „Was tun diese Leute schon den ganzen Tag im Rathaus? Wozu haben wir den Mann denn gewählt?“ Mit Galgenhumor nennt man das dann auch noch allgemein „typisch rumänisch“, eine Situation „Made in Romania“.
Auch Behörden beklagen sich ständig, teilweise auch zu Recht, dass die rumänische Zivilgesellschaft keinerlei Initiative entwickelt. Andererseits, muss man sagen, sind Privatinitiativen auch bei den Lokalbehörden nicht sonderlich beliebt. Die Leute aus dem Rathaus lassen sich eben nicht gern in die Karten gucken und schon längst nicht von einer bliebigen Privatperson zurechtweisen. Wenn es gar um Bauvorhaben geht, wofür die Verwaltung oftmals millionenschwere Finanzierungen aus dem Gemeindehaushalt, vom Kreisrat, von der Regierung oder aus EU-Geldern zugeteilt erhält, lassen sich die Beamten der Verwaltung gar nichts von der Bevölkerung vorschreiben. Höchstens in Ausnahmefällen, wenn die Einwohner in der Wahlkampagne für kurze Zeit zu wertvollen Wählern werden.

All das und mehr illustriert ein Fall aus dem Banat, den man nicht leichtfertig als Sonder- oder Einzelfall abtun sollte: Die Bewohner der Temescher Dörfer Uliuc und Unip aus der Gegend um das Kurbad Busiasch, verwaltungsmäßig zu der Gemeinde Türkischsakosch gehörend, hat die jahrelange Not zu einer entschlossenen Eigeninitiative – aber damit auch zur Staatsanwaltschaft geführt. Die Bewohner haben im Frühjahr die längst unbefahrbar gewordene Gemeindestraße Nr. 154, auf einer Gesamtlänge von 7,9 Kilometern, die ihre Ortschaften mit der Kreisstraße Temeswar-Busiasch verbindet, auf eigene Kosten repariert. Obwohl die lokale Initiative löblich zu nennen ist und das Ergebnis letztlich ein positives ist, reagierten die Behörden sofort in strengem, amtlichen Ton: „Jeder nicht genehmigte Eingriff auf öffentlichen Straßen ist ungesetzlich!“ Gabriel Adrian Koller, der Bürgermeister der Gemeinde Türkischsakosch, sagt dazu: „Ich weiß gar nicht recht, was die Leute dort getan haben. Ich glaub, sie haben einige Abschnitte der Straße ausgebessert. Was würde passieren, wenn sich einfach jeder an Arbeiten an der öffentlichen Straßeninfrastruktur machen würde? “ Die Gemeindeverwaltung, die ja für die Verwaltung, Instandhaltung und Reparatur dieser Gemeindestraße zuständig ist, reagierte verärgert und übergab die Angelegenheit dem Kreisrat Temesch und der Staatsanwaltschaft, die den in diese Arbeiten implizierten Personen auch prompt je eine Strafakte angelegt hat. Der Temescher Kreisrat befand, dass man die Reparatur dieser Straße nicht übernehmen könnte, da es keine Verbindungsstraße zwischen zwei Gemeinden oder zu einem strategisch oder touristisch wichtigem Standort des Kreises wäre.

Man schien dabei die anhaltenden Proteste der Dorfbewohner vom Herbst 2013 und Anfang des Jahres ganz vergessen zu haben: Die Bewohner aus den beiden Ortschaften hatten damals tagelang Protestkundgebungen veranstaltet, ausgerufen wurden Losungen wie „Wir bezahlen Gebühren und Steuern, wann bekommen wir auch eine Asphaltstraße?“.
Die Einwohner klagten darüber, dass die Straße vor allem bei Schlechtwetter und im Winter völlig unbefahrbar war. Es gab hier lebensgefährliche Situationen: Schwerkranke konnten nicht ins Krankenhaus gefahren werden, Frauen mussten zu Hause entbinden, da die Rettungswagen diese Strecke nicht befahren konnten. Für kurze Zeit wurde von den aufgebrachten Bewohnern gar der Verkehr auf der Kreisstraße Temeswar-Busiasch blockiert, was das Eingreifen der Polizei erforderlich machte.

Die Lokalzeitungen und TV-Sender berichteten damals ausführlich und mit gewisser Sympathie darüber – beim TV-Sender PRO TV witzelte man sogar darüber, dass die beherzten Bewohner aus Uliuc und Unip ein Bauteam bilden sollten, um die berüchtigte siebenbürgische Autobahn fertigzukriegen –, und dabei blieb es dann auch, denn weder die Gemeindeverwaltung noch die Kreisbehörde unternahm etwas für die Reparatur dieser Straße.
Bürgermeister Koller befindet, dass ihn keine Schuld in dieser Angelegenheit treffen würde. Erstens wäre ein früheres, schönes Projekt mit EU-Finanzierung leider nicht genehmigt worden. Darauf wurde eine Finanzierung von der rumänischen Regierung im Rahmen des Landesprogramms für lokale Entwicklung beantragt, von der Regierung ist jedoch bis heute kein Bescheid, weder positiv noch negativ, gekommen.

Einen Präzedenzfall hat es auf Kreisebene in der Temescher Gemeinde Criciova gegeben: Nachdem die Gemeinde und ihre Bewohner jahrelang vergeblich auf eine dringend notwendige Instandsetzung einer Kreisstraße gewartet hatten, entschloss sich der damalige Bürgermeister 2009, die Reparatur dieser Straße mit Hilfe einer privaten Baufirma, eigentlich mit seinem eigenen Unternehmen, durchzuführen. Das mit eigenem Bauprojekt, ohne die zahlreichen Genehmigungen, darunter auch der vom Temescher Kreisrat. Es heißt, man hätte dann während der Arbeiten doch die nötigen Genehmigungen erhalten. Die Übernahme ist jedenfalls bis heute ausgeblieben, der Kreisrat hat bis zum heutigen Tag das Problem, dem Bauprojekt einen gesetzlichen Rahmen zu geben, nicht gelöst.