Profilierung – Vernetzung – Zukunft

Deutsche Gesellschaft e.V. veranstaltete Tagung für deutschsprachige Medien

Dr. Paul-Jürgen Porr (Rumänien v.l.), Dr. Rudolf Urban (Polen), Thomas Urban (SZ), Olga Martens (Russland), Robert Schwarz (DW) und Moderator Alfred Eichhorn am Podium.
Foto: Beatrice Ungar

Vertreter von Tages-, Wochen-, Monats- bis hin zu Jahrespublikationen, die ein-, zwei- oder gar dreisprachig gedruckt werden, sowie von Radio- und Fernsehsendungen deutscher Minderheiten aus Mittel- und Südosteuropa sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hatten die Deutsche Gesellschaft e.V. und das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) zu einer Tagung nach Berlin geladen. Am Programm der vom 11. bis 13. September gehaltenen Veranstaltung standen zu den Schlagwörtern „Profilierung – Vernetzung – Zukunft“ Vorträge, Diskussionen, Workshops und eine Präsentationsrunde der vertretenen Medien. Die Medientage stellten eine Nachfolgeveranstaltung des 2011 von der Deutsche Gesellschaft e.V. erstmals organisierten Treffens dar, an dem jedoch nur Repräsentanten von deutsch-sprachigen Printmedien aus Mittel- und Südosteuropa sowie von deutschen Medien, die auf diesen Raum spezialisiert sind, teilgenommen hatten. Journalisten und Publikationsvertreter von Medien, die über Mittel- und Osteuropa berichten, waren auch diesmal zugegen, aber auch von deutschen Medien allgemein und die Tagung endete mit einem Besuch in der Redaktion der taz.

Anbieten wolle man das Bilden eines Netzwerkes unter den deutschsprachigen Medien insgesamt und den Bau von Brücken, sagte Dr. Andreas Apelt, der Geschäftsführer der Deutsche Gesellschaft e.V., in seiner Begrüßung. Die Brückenköpfe reichen von Irkutsk im fernen Russland über Königsberg/Kaliningrad, das Baltikum und Oberschlesien, Ungarn, Rumänien, die Slowakei und Tschechien bis hin nach Slowenien und Kroatien. Erneut zugegen waren Repräsentanten von Medien deutscher Minderheiten, aber auch von deutschsprachigen Zeitungen, die ohne minderheitenspezifische Förderung erscheinen und sich vorrangig an Expat-Gemeinschaften richten.

Begonnen haben die Medientage mit einem Plädoyer für Elastizität und Anpassung an die Gegebenheiten, ohne dabei die Inhalte zu vergessen und sich als Journalist in der Soße der Kommunikationswissenschaftler verquirlen zu lassen, wie es in der Begrüßung Jürgen Engert, Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios und stellvertretender Vorsitzender der Deutsche Gesellschaft e.V., formulierte. Die Medientage endeten nach guten Beiträgen und Gesprächen mit einer Vielzahl an Ideen und Tipps und der Erkenntnis, dass Journalisten von Medien deutscher Minderheiten aus diesen europäischen Staaten auch künftighin die Möglichkeit haben sollten, dergleichen Seminaren beizuwohnen, um den Anschluss an die Medienentwicklung weltweit nicht ganz zu verpassen. Für manche mag es tröstlich gewesen sein, festzustellen, dass es in anderen Ländern in Sachen Geldmangel, Vertrieb, Gewinnen neuer Leser, Unkenntnis über das Zielpublikum ähnliche oder noch schlimmere Probleme gibt. Erfahren konnte man die Bereitschaft von Kollegen und Institutionen, beim Lösen von Anliegen mitzuhelfen, sofern dies gewollt wird.

Willkommensworte richteten an die Teilnehmer Andreas Meitzner, Stellvertretender Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation und Beauftragter für auswärtige und europäische Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, sowie ifa-Generalsekretär, Ronald Grätz. Die deutschen Minderheiten sind nach den Roma jene Gemeinschaften, die in den europäischen Staaten am häufigsten vertreten sind, erinnerte Jan Diedrichsen, der Leiter des Sekretariats der Deutschen Minderheit in Dänemark und Direktor des Generalsekretariats der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), selbst ebenfalls Journalist, in seiner Tagungseinleitung, in der er auf die Bedeutung der deutschsprachigen Medien im Ausland einging. Er wies auf die Bedeutung der Minderheiten-Publikationen als Kommunikator „nach innen“ zur Gemeinschaft, aber auch nach außen, zur breiten Öffentlichkeit, hin. Die deutschsprachigen Zeitungen seien wichtig, weil das Image und die Bedeutung der deutschen Sprache in den letzten 10 – 15 Jahren zugenommen hat, die Sprachkompetenz der Gemeinschaftsmitglieder jedoch schwächer wurde. Er meinte, das im Bezug auf Dänemark, diese Feststellung dürfte aber auch im Falle anderer Staaten Gültigkeit haben.

Brücke und Identität

Die erste Diskussionsrunde war den Medien als Brückenbauer gewidmet, moderiert hat sie der bekannte Berliner Journalist Alfred Eichhorn. Im Podium saßen die Journalisten Thomas Urban, langjähriger Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ in Osteuropa, und Robert Schwartz, der Deutsche-Welle-Redaktionsleiter für Rumänien, sowie Olga Martens von der „Moskauer Deutschen Zeitung“ (auch FUEV-Vizepräsidentin), Dr. Rudolf Urban vom Dachverband der Organisationen der Deutschen in Polen „Pro Futura“, und Dr. Paul-Jürgen Porr in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des ADZ-Beirates. Das Gespräch kreiste um die Notwendigkeit der Medien deutscher Minderheiten, den Spagat zwischen Publikation der und für die Minderheit und Medium für die breitere Öffentlichkeit zu machen, um zu bestehen und zu überleben.

Der Beitrag der Medien zur Identitätsbildung und  -stiftung stand im Mittelpunkt des zweiten Tagungsabschnittes. Nach dem einleitenden Vortrag der Historikerin Dr. Lou Bohlen, die Erkenntnisse des vom Auswärtigen Amt geförderten Forschungsprojektes zur Problematik der Identitätsstiftung am Beispiel der deutschen Minderheitenmedien in den Ländern Mittel- und Osteuropas vortrug, fand in der Moderation von Georg Aescht (Bonn) eine weitere Podiumsdiskussion zum Thema statt. Die kulturelle Identität boomt (als Begriff) seit den 1980er Jahren und wurde als Wert auch von der UNESCO anerkannt, so Bohlen, als Ziel der Identitätsbildung erkannte sie das Nutzbarmachen von kulturellen, sozialen, sprachlichen und politischen Ressourcen einer Gruppe.

Abschnitt vier der Medientage bildete eine Zukunftswerkstatt, in der mit Gemma Pörzgen, Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von „Reporter ohne Grenzen“, über die Zukunft des Journalismus bzw. der Medien diskutiert wurde. Nach dem Zusammenbruch des Anzeigenmarktes und der „Revolution“ Internet – Kaufhäuser werben über eigene Flyer, Auto- oder Wohnungsverkauf erfolgt über Internetannoncen – mussten alle Redaktionen einen Sparkurs fahren. Für die Journalisten hatte das zur Folge, dass viele nebenbei PR betreiben, um zu überleben, kaum mehr vor Ort recherchiert wird, andererseits jedoch die Anforderung besteht, eine multipolare Sicht und diese möglichst multimedial zu vermitteln. Die neuen Medien und technischen Möglichkeiten verändern jedoch nicht bloß das Verhalten der Medienkonsumenten, sondern ermöglichen auch neue Berufsfelder wie jenes des Datenjournalisten. Zu Onlinejournalismus sowie Marketing wurden in der dritten Sektion Parallelworkshops angeboten, die Entscheidung für den einen oder anderen fiel sowohl angesichts des Themas als auch der Workshopleiter schwer.

Die Verfasserin dieser Zeilen wählte die von Martin Nejezchleba von der „Prager Zeitung“ über aktuelle Methoden der Vernetzung und Strategien des professionellen Online-Journalismus angebotene Arbeitsgruppe sowie den von Björn Akstinat, Leiter der Internationalen Medienhilfe Berlin, geleiteten Workshop zu Marketingstrategien für die deutschsprachige Presse im Ausland. Im ersten wurde klargestellt, dass Online-Journalismus nicht das Ins-Netz-Stellen von Beiträgen aus der Printausgabe darstellt, sondern ein eigenes Genre ist, bei dem die essenziellen Informationen möglichst zeitnah am Geschehen bekanngegeben werden, Online-Journalisten andererseits eine Art Kuratoren sein können/müssen, d. h. sie stellen Fotos, Karten, Videos und Infos von vor Ort zusammen, die es im Netz zu finden gilt. Akstinat gab den Tipp, ständig Neues auszuprobieren und zu testen, was bei der Leserschaft ankommt, insbesondere wenn junge Leser angeworben werden sollen, die darauf eingestellt sind, täglich neue Bilder via Medien zu rezipieren. Man dürfe nicht davon ausgehen, dass die Kinder der heutigen Abonnenten mal ein Abo zahlen werden, da sie gewohnt sind, alles gratis aus dem Internet zu laden. Die Zukunft sei Gratis-Zeitungen vorbehalten, die sich über Werbung finanzieren, Abo-Chancen haben Wochenzeitungen, da man heute kaum Zeit zum Lesen hat und das Aktuelle über andere Medien erfährt, waren weitere Feststellungen.

Für Minderheiten jedoch haben Tageszeitungen einen anderen Stellenwert: Es kommt täglich etwas Muttersprachliches ins Haus. Als Printmedium sind Minderheitenpublikationen wichtig, weil sie in der Öffentlichkeit besser sichtbar sind als im Internet. Um sie einem breiten Publikum vorzustellen, wurde u. a. als Idee lanciert, bei der Leipziger Buchmesse einen gemeinsamen Stand der deutschsprachigen Medien aus Mittelost- und Südosteuropa sowie der GUS einzurichten.