Prügeln und Streicheln

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Ich verbrachte meine Kindheit Ende der 50er Jahre im rumänischen Banat. Die Beziehung zu den Eltern war damals durch Strenge und bisweilen durch Schläge gekennzeichnet. Und in der Schule verteilte so manch sadistisch veranlagter Lehrer genüsslich Kopfnüsse und Stockhiebe, trotz staatlich verordneten Prügelverbots, wobei die ansonsten so kontrollsüchtige kommunistische Partei beide Augen zudrückte. Als ich in der vierten Klasse mit drei anderen Schülern in ein Handgemenge verwickelt war, beorderte uns die Aufsichtslehrerin ins Lehrerzimmer und hieß uns, das rote Pionier-Halstuch, dessen wir uns als unwürdig erwiesen hätten, sofort abzunehmen. Dann stellte sie uns in Reih und Glied auf und, um uns die Lust auf Gewaltanwendung ein für allemal auszutreiben, erteilte sie jedem von uns zwei Backpfeifen, eine links und eine rechts, der Symmetrie zuliebe.
Auch die damaligen Maschinen und Geräte fasste man beileibe nicht mit Samthandschuhen an. Wenn das Grundig-Röhrenradio mit dem grün leuchtenden Auge, neben dem mein Großvater oft einschlief, aussetzte, verpasste ihm meine Großmutter eins aufs Dach. Dem Radio wohl gemerkt, nicht meinem Großvater, was den Gesang Peter Alexanders oder Vico Torrianis von Radio Wien abermals fröhlich ertönen ließ. Und so kam alles wieder ins Lot.

Auf der Straße, in der ich in Reschitza wohnte, blieb hin und wieder ein Lastwagen liegen, dann stieg der Fahrer aus, und bei offener Motorhaube versuchte er, den Motor mit der Kurbel anzuwerfen. Er drehte die Kurbel aus Leibeskräften, und wenn das nicht half, beschimpfte er den Motor und trat hartnäckig gegen die Frontpartie, solange, bis der Wagen wieder ansprang. Langsam aber sicher hatten die Maschinen das Fürchten gelernt. Ja, so war das. Doch die Zeiten der diktatorischen Gewaltanwendung sind heute längst vorbei. Die Schüler brauchen sich vor den Lehrern nicht mehr zu fürchten, ganz im Gegenteil: So mancher Aufsichtslehrer versteckt sich heute vor seinen Zöglingen auf dem Pausenhof.
Und statt der Fausthiebe und Fußtritte gibt es für die digitalen Geräte der Gegenwart zarte Streicheleinheiten, und zwar mit dem Finger, nicht umsonst kommt digital von digitus, was auf Latein Finger heißt. Ja, wir haben geradezu gelernt, unsere Maschinen zu lieben. Im letztlich besonders erfolgreichen Hollywood-Streifen „Her“ verknallt sich der Protagonist tatsächlich in seinen Computer, der mit magischer Scarlett-Johansson-Stimme zu ihm spricht.

Und auch mir wirft meine Frau vor, dass ich in meinen PC verknallt sei, weil ich ihm wesentlich mehr Zeit widmen würde als ihr. Na ja, sorry, dass ich es so sagen muss, aber mein Computer ist tausend Mal unterhaltsamer als sie, von seinem Bekanntheitsgrad ganz zu schweigen. Gestern gab ich den Begriff Computer bei Google ein und landete damit sage und schreibe viereinhalb Milliarden Treffer. Dann ergoogelte ich meine Frau und landete null Treffer. Wozu sie dann überhaupt noch ernst nehmen? Ich gehe ab jetzt einfach mal davon aus, dass es sie gar nicht gibt.