Psychodrama am winterlichen Schwarzmeerstrand

„Breaking News“ von Iulia Rugină in den rumänischen Kinos

Andi Vasluianu (Alex) und Voica Oltean (Simona)

Der soeben in die rumänischen Kinos gekommene jüngste Film der 1982 in Bukarest geborenen Regisseurin Iulia Rugină hält in seinem englischsprachigen Titel „Breaking News“ mehrere Deutungsmöglichkeiten in der Schwebe. Einer-seits geht es hier um die in der Sprache der Medien übliche Grundbedeutung der Titelformulierung, nämlich um aktuelle Ereignisse betreffende Eil- oder Sondermeldungen in Fernsehen und Rundfunk. In einem weiteren Sinne kann es dabei aber auch um Nachrichten gehen, die einen Umbruch bedeuten, die etwas mit Gewalt aufbrechen oder etwas losbrechen lassen, dem dann nicht mehr Einhalt geboten werden kann. Und auch die dritte mögliche Bedeutung, dass nämlich Nachrichten selbst abbrechen oder plötzlich unterbrochen werden, schwingt in der Titelformulierung des Films mit und markiert zugleich den fulminanten Beginn dieses Psychodramas.

Denn zu Beginn des Films eilen in einer Art fliegendem Start der Reporter Alex Mazilu (Andi Vasluianu) und sein Kameramann Andrei Paraschiv (Dorin Andone) mit Mikrophon und Schulterkamera in eine Fabrikhalle, aus der zahlreiche Explosionsopfer vom rumänischen Rettungsdienst SMURD auf Tragen ins Freie geschafft und dort ärztlich versorgt werden. Ungehindert von den Polizeikräften und Rettungsmannschaften steigen die beiden Presseleute mehrere Stockwerke in der Fabrikhalle nach oben, um einen günstigen Platz für die Direktübertragung ausfindig zu machen, wobei Alex seinen Kollegen Andrei immer wieder antreibt, ihm nachzueilen und in den Brennpunkt des Geschehens vorzurücken. Als sie den Platz hoch über der Halle endlich gefunden haben, die Verbindung zum Fernsehstudio hergestellt ist und die ersten Sekunden der Reportage angelaufen sind, stürzen plötzlich zentnerschwere Betonbrocken von oben herab und begraben den Kameramann unter sich. Schwarzer Bildschirm, Sendepause, abbrechender Bericht, zerbrechende Neuigkeiten.

Nachdem der leicht verletzte Reporter und der tote Kameramann geborgen sind, geht es in den darauf folgenden Filmsequenzen zunächst um den juristischen Aspekt des Unglücks. Trägt die Fernsehanstalt die Verantwortung für das Geschehene, oder die Rettungskräfte, die den Unglücksort nicht abgesperrt haben, oder gar die beiden Presseleute selbst, oder allein Alex, der seinen Kollegen mehr oder weniger genötigt hat, ihm in die vom Explosionsunfall noch rauchende und dampfende Fabrikhalle nachzufolgen? Dass Alex keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, lässt ihn entweder als völlig abgebrühten Sensationsreporter erscheinen, der buchstäblich über Leichen geht, um seine Story durchzuboxen und einen Coup zu landen, lässt vielleicht aber auch generell Zweifel an der Moralität seiner Persönlichkeit aufkommen, zumal ihm die mögliche Mitschuld am Tod seines Kollegen im Film offenbar nicht weiter zu schaffen macht, selbst als ihn dessen trauernder Vater deshalb aus seiner Wohnung weist.

Bereits an dieser Stelle, also bereits im ersten Drittel des Films, machen sich die handwerklichen Schwächen und Fehler im Drehbuch des Autorinnentrios Iulia Rugină, Oana Răsuceanu und Ana Agopian, das auch schon in anderen Filmen der Regisseurin („Love Building“, „Alt Love Building“) zusammengearbeitet hat, störend bemerkbar, insofern nämlich das anfangs konzise exponierte Psychodrama sogleich wieder in losen Handlungsfäden zerfasert, anstatt das dramatische Geschehen weiter zu bündeln und sukzessive in einem kräftigen Strang wirkungsmächtig zu verknüpfen. So wird einerseits die unbarmherzige Welt des Sensationsjournalismus gestreift, wo man selbst nach dem Tod eines Kollegen sofort wieder „okay“ zu sein hat und als derart in Mitleidenschaft Gezogener sogar gezwungen wird, eine Reportage über das Leben des soeben tödlich verunglückten Kollegen zu drehen. Andererseits wird zugleich, drei Tage vor Weihnachten, die heile Welt von Alex’ Familie beschworen, die im lebendigen Kontrast zur zerbrochenen Familie Andreis steht, wobei das Unglück der Paraschivs letztlich auf das fragile Glück der Mazilus abzufärben scheint. Dann wieder meint man in „Breaking News“ am Burn-Out-Syndrom eines Reporters Anteil zu nehmen, der andererseits aber auch wieder mit allen legalen und halblegalen Mitteln begierig seiner Story nachjagt. Und mit dem Auftreten der Tochter Andreis, der fünfzehnjährigen Simona (Voica Oltean), wird das filmische Psychodrama dann vollends unberechenbar, denn Alex versucht sich in rasender Folge der Reihe nach in verschiedenen Rollen: als Psychotherapeut Simonas; als ihr Ersatzvater; als Pressefuzzi, der Simona, wo es nur geht, anlügt und sogar seinen verstorbenen Kollegen, Simonas Vater, verleugnet, um nur ein einziges Fernsehinterview mit der Tochter zu ergattern; als Simonas Freund und Vertrauter, in dessen Armen sie Trost und Frieden findet.

Was der Plot dieses Films nicht zu leisten vermag, weil ihm die Geradlinigkeit und Stringenz einer psychologisch zwingenden Geschichte abgeht, leisten stattdessen die grandiosen Bilder (Vivi Drăgan Vasile), der exzellente Ton, der gelungene Schnitt, die wunderbare Musik und vor allem die einzelnen Schauspieler, unter denen Andi Vasluianu, Voica Oltean und Ioana Flora besondere Erwähnung verdienen. Unvergesslich die Szene, als Simona das erste Mal aus Alex’ Auto steigt und dieser ihr aus großen Augäpfeln nachblickt. Oder auch die Szene in der Küche der Paraschivs in Constan]a, wo die Welt der Tradition und der Behutsamkeit ungefiltert auf die Welt des Fortschritts und der Brutalität trifft, genial enggeführt in der Ratlosigkeit der dementen Großmutter.

Grandios ist auch, wie die Kamera in Iulia Ruginăs Film die winterliche Landschaft des Schwarzmeerstrandes in Mangalia einfängt, die trostlosen, dem Verfall preisgegebenen Häuser, die Einsamkeit und Ödnis der Natur, die triste Seelenqualität des Ambientes, die der fröhlichen Vorweihnachtszeit, während der die Filmhandlung abläuft, diametral entgegengesetzt ist. Kongenial auch die Auswahl des Songs, den man mit Fug und Recht als Titelsong von „Breaking News“ bezeichnen könnte: „Sittin’ on the Dock of the Bay“ aus dem Jahre 1967 vom ‚King of Soul’ Otis Redding. „I’m sittin’ on the dock of the bay / Watching the tide roll away / Ooo, I’m just sittin’ on the dock of the bay / Wastin’ time“ (Ich sitz’ am Hafenbecken der Bucht / Schau’ dem Spiel der Gezeiten zu / Uuh, ich sitz’ einfach nur am Hafenbecken der Bucht / Und vertrödle die Zeit).