Quo vadis, Journalist?

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Ich wollte als Jugendlicher die Welt verändern, und zwar mit jedem gedruckten Wort aufs Papier. Heute vermisse ich meine naiven Schulartikel, in denen sich viel zu viele Adjektive und viel zu wenig Fakten finden. Es mag sein, dass die Artikel im professionellen Gewerbe nicht durchgehen würden. Dafür aber hatten sie Attitüde. Ich setzte mir ganz arrogant und selbstbewusst den Stempel „Journalist“ auf und schrieb dann einfach los, nach Gefühl. Meinungen wurden ausgedrückt, Standpunkte wurden vertreten. 

Inzwischen werden große Kämpfe gefochten, nur um einen Beistrich zu retten. Meine Waffe, die Sprache, stumpft ab. Das spüre ich in der alltäglichen Arbeit: Man klammert sich verzweifelt an den Duden fest, während man allmählich erblindet. Es mag an der Routine liegen, weil man kaum jeden Tag originell sein kann und muss. Doch als Minderheiten-Journalist muss man oft auch die Aufgaben eines Übersetzers erfüllen und gerade hier scheint das größte Problem zu liegen. Ich muss mir oft die Frage stellen, wie „Direcţia de Investigare a Infracţiunilor de Criminalitate Organizată şi Terorism“ auf Deutsch heißen könnte. Wenn man ständig zwischen mehreren Sprachen wechseln muss, dann verliert man irgendwann das Gefühl für beide. Früher hätte ich problemlos deutsche Ausdrücke aus dem Ärmel gezaubert. Heute muss ich spekulieren, ob es den Ausdruck auf Deutsch überhaupt gibt oder ob es eine rumänische Übersetzung ist.

Die Rettung der deutschen Sprache in Rumänien wird zunehmend zum Problem. Denn sie wird immer seltener gesprochen. Sie kämpft gestrandet um ihr Überleben. Doch kann sie sich durch die deutschen Schulen und die deutschen Medien überhaupt noch in Sicherheit wiegen? Sind wir ihre Retter? Oder sind wir mit dem sinkenden Schiff untergegangen?

Jedes Mal wenn ich einen Artikel von mir nach der Korrektur durchlese und ich die Sprachfehler erkenne, bin ich über zwei Sachen enttäuscht: Wieso konnte mir der Fehler unterlaufen und wieso habe ich ihn nicht bemerkt.
Wir leiden wirklich an einer Form von Identitätslosigkeit. Zum Teil auch weil wir unsere Leser nicht mehr wirklich kennen. Oft habe ich das Gefühl, dass ich für mich selbst schreibe. Der Kontakt zur Leserschaft fehlt. Weil wir sie nicht kennen, fehlt auch eine thematische Richtung.

Wir können nicht alle zufriedenstellen und wir können auch nicht von einer völlig vagen Zielgruppe sprechen. Ich kann mir meinen Leser nicht vorstellen: Ist er alt, jung, Mann, Frau, Deutscher, Rumäne oder beides? Diese Frage müsste man sich dauernd stellen und gleichzeitig müsste man sich über seine eigene Arbeit als Journalist und in unserem Fall Übersetzer/Sprachenretter Gedanken machen. Was möchte und was muss ich sein? Nicht nur die eigenen Fähigkeiten müssen gestärkt werden, sondern auch das Bewusstsein für unsere Aufgabe. Auch wenn es schwer ist, müsste man nur eine Antwort auf die Frage „Quo vadis, Journalist?“ haben.