Quo vadis, Siebenbürger Sachse?

Perspektiven auf die Zukunft einer zerstreuten Gemeinschaft

Dr. Paul-Jürgen Porr, DFDR-Vorsitzender

Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen

Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Altreich

Robert Schwartz, Redaktionsleiter der rumänischen Redaktion bei der Deutschen Welle. Fotos: die Verfasserin

Letztes Jahr haben das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen und die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien einen gemeinsamen Aufruf verfasst. Bischof Reinhart Guib und der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, haben auf die neue Diasporasituation der Siebenbürger Sachsen aufmerksam gemacht. Demnach leben die meisten in Deutschland (200.000), in Rumänien nur noch 10.000 Mitglieder. Weitere Wahlheimaten, wo sich die Siebenbürger Sachsen in bewegten Zeiten ein neues Leben aufgebaut haben, sind Österreich und die USA. In diesem Kontext kann man sich nur fragen, wie die Zukunft einer Gemeinschaft aussieht, die so zerstreut ist. Hier ein paar Antworten.

Alexandru Szepesi, der Leiter der Direktion für Minderheitenschulwesen, sieht die Zukunft der deutschen Minderheit nicht anders oder verschieden von den Entwicklungen der kleinen Gemeinschaften Europas: „Im Kontext der globalen Entwicklung werden die kleinen Gemeinschaften versuchen, ihre Identität durch Sprache, Kultur und Religion zu bewahren. Wenn ich an das gelungene Sachsentreffen im Sommer 2017 denke, blicke ich mit Zuversicht und Hoffnung in die Zukunft, dass die Siebenbürger Sachsen ihr Erbe den nächsten Generationen weitergeben und stolz darauf sein können.” Die Kirchenburgen werden Zeugen einer starken Gemeinschaft bleiben. Ihr Erhalt durch bereits erfolgte und laufende Restaurierungsprojekte und Initiativen sei besonders wichtig für die Zukunft im europäischen Kontext, aber auch für das Weltkulturerbe. Alexandru Szepesi war sehr erfreut, als er über das Projekt für die Renovierung der Kirchenburg in seiner Heimatstadt Agnetheln/Agnita las: „Sicher klingt es subjektiv, wenn ich sage, es ist eine der schönsten Kirchenburgen Siebenbürgens, eine Burg, die Bauarbeiten nötig hatte und nun eröffnen sich durch diese Renovierung mehrere Chancen auch für die touristische Entwicklung der Kleinstadt.”

Eine Tendenz, die Szepesi als erfreulich betrachtet und die auch die Zukunft prägen werde, sei diejenige, dass Deutsche, die in der Vergangenheit nichts mit Siebenbürgen zu tun hatten, aber auch andere ausländische Staatsbürger, Siebenbürgen entdecken und sich sogar für eine kürzere oder längere Zeit dort aufhalten. „Daher weiß man nie, wie die Zukunft aussehen wird. Jedenfalls können solche Entwicklungen nur positive Auswirkungen auf die Region haben und das kulturelle Erbe der deutschen Minderheit in Rumänien bereichern”.

Wie in einem Brennglas

Der deutsche Konsul in Hermannstadt/Sibiu, Hans Erich Tischler, findet, Europa lebt von seiner enormen Vielfalt, seiner großen Geschichte und seiner unerschöpflichen Kultur. „In Siebenbürgen finden wir dies alles wieder, wie in einem Brennglas”, so der Konsul. Noch immer gebe es in Europa und insbesondere in der Balkanregion Konflikte und Meinungsverschiedenheiten über das Zusammenleben der Völker. Siebenbürgen könne deshalb in Europa eine Vorbildregion sein und zeigen, dass es gut möglich ist, dass verschiedene Ethnien auf engem Raum friedlich zusammenleben. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die in Rumänien lebenden Sachsen weiterhin ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft sind und eine bedeutende Rolle im Leben der Gemeinschaft spielen werden“, schlussfolgert der Konsul.

Länderübergreifende Kooperation

Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen und Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im Bundesministerium des Innern, erinnert an eine Tagung zum Thema „Getrennt und doch verbunden“. Eine wichtige Botschaft: Allein die grenzüberschreitende Kooperation wird eine „Zukunft für unsere Vergangenheit“ ermöglichen – um in der Diktion von Prof. Dr. Konrad Gündisch, des damaligen Vorsitzenden des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, zu bleiben, der über die Sicherung und Bewahrung siebenbürgisch-sächsischer Kulturgüter sprach. „Im Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat e.V. arbeiten viele Einrichtungen zusammen, um unsere Kultur zu bewahren, zu sichern und weiterzuführen”, so Fabritius. Sie kooperieren mit Ministerien, staatlichen Behörden, Stiftungen und anderen Förderern.

Anschließend bringt der Politiker den Rechts- und Werterahmen der Europäischen Union in die Diskussion, der einerseits die Rechte der Minderheiten in seinen Mitgliedsländern garantiert und andererseits Freizügigkeit über nationale Grenzen hinweg ermöglicht. Diese Kombination müsse die Grundlage für den Fortbestand der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen sein.

„Die Siebenbürger Sachsen als Gemeinschaft haben eine Zukunft, wenn ihre Verbände und Organisationen länderübergreifend uneingeschränkt kooperieren, und wenn – das erscheint mir enorm wichtig – das identitätsstiftende Bekenntnis zur siebenbürgisch-sächsischen Biographie eines jeden Einzelnen angeregt und bestärkt wird”, schließt Bernd Fabritius.

Eine komplexe Identität

Eine positive Perspektive bietet auch Robert Schwartz, Redaktionsleiter der rumänischen Redaktion bei der Deutschen Welle. Träger dieser Kultur und dieser Sprache und Identität werde es geben, „solange es Menschen gibt, die sich um das Erbe der Siebenbürger Sachsen kümmern, solange es die Kultur, die Sprache und die Identität der deutschen Minderheit in Rumänien gibt - das muss nicht der Siebenbürger Sachse vom Dorf sein, das muss nicht der Siebenbürger Sachse in einer Großstadt sein, es müssen Menschen sein, die nicht nur den Willen haben, dieses Erbe weiterzuführen, sondern auch die Lust, und die sich zum Teil auch mit diesem Erbe identifizieren können, durch die Zweisprachigkeit, durch den Unterricht an den deutschen Schulen“. Das heißt nicht, dass man sich das siebenbürgisch-sächsische Hemd oder die Tracht anzieht und zweimal im Jahr tanzen geht, sondern das heißt, man hat diese Identität verinnerlicht und lebt sie ein Stück weiter mit. Eine Bereicherung, sowohl für die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, aber auch für die rumänische Mehrheitsbevölkerung.

Kurzfristig keine großen Probleme

„Ich bin Mediziner, ich kann nicht wissen“, antwortet Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), auf die Frage bezüglich der Zukunft der Siebenbürger Sachsen. „Solange es eine deutsche Minderheit in Rumänien geben wird, wird es auch ein Forum geben. Ich sehe kurzfristig keine großen Probleme. Mittel- und langfristig müssen wir sehen, wie sich die Strukturen des Forums ändern. Die Anzahl der Forumsmitglieder ist die wichtigste Prämisse, dass die Tätigkeit im Forum weiter geht.“

Brückenbauer und Brückenpfleger

„Ich habe immer wieder unterstrichen, dass Minderheiten generell, nicht nur die deutsche Minderheit, eigentlich Brückenbauer und Brückenpfleger sind”, sagt Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen (DRI). Der Wichtigkeit der Minderheit in dem Gesamtwerk sollte man sich bewusst sein. Cosmatu glaubt, die Leute im Außenministerium sind sich am ehesten dieser Sache bewusst: Wenn sie einen Besuch vorbereiten, wenn eine gemischte Regierungskommission ansteht, in irgendwelcher Situation, wird die Minderheit befragt, auch wenn es Probleme gibt, könnte man so vielleicht noch etwas lösen. „Es gibt einen Dialog und das ist sehr, sehr wichtig“, so Cosmatu.

Minderheit bereichern einen Staat, meint Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Altreich. „Ich sehe die Zukunft der deutschen Minderheit gesichert in Rumänien. Und ich glaube, wir müssen uns um den Erhalt der deutschen Minderheit keine zu große Sorgen machen. So wie sie ist - sie ist natürlich viel, viel kleiner geworden - aber sie wird sich stabil halten. So lange wir unsere Schulen haben und unser Kulturerbe behalten können, ist keine Sorge da.”