Radu Băncilă zieht Zwischenbilanz

Die Deutschsprachige Abteilung der Fakultät für Bauwesen an der TU Temeswar – „eine europäische Idee“

Der ehemalige deutsche Botschafter Andreas von Mettenheim heftet Univ.-Prof. Dr.-Ing. Radu Băncilă das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse an.
Foto: Zoltán Pázmány

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Radu Băncilă kann sich nicht nur mit seinen akademischen Leistungen  rühmen, u. a. mit der Gründung der Deutschsprachigen Abteilung der Fakultät für Bauwesen an der TU „Politehnica“ Temeswar, mit bisher 20 Absolventenjahrgängen und insgesamt über 300 Ingenieuren, sondern auch mit seinen Sportleistungen in sieben Jahrzehnten.

Zehn Jahre lang war Univ.-Prof. Dr.-Ing. Radu Băncilă Leistungsschwimmer und 12 Jahre spielte er Wasserball bei der Wollindustrie Temeswar. 1964 war er Vizemeister bei der Nationalen Schwimmmeisterschaft im 200 Meter Brustschwimmen. Auch heute noch beteiligt er sich an Masterwettbewerben in Rumänien und Ungarn. „Die Masterwettbewerbe sind Wettbewerbe für Senioren“, erklärt Radu Băncilă. „Ich war öfters dabei und habe auch schon einige Medaillen gewonnen“, fügt der Universitätsprofessor hinzu. „Tennis spiele ich auch gerne, weil ich mich dann mit Freunden und Kollegen treffen kann. Das hält mich jung“, so Băncilă und sein Rat an die junge Generation lautet: Wenigstens einmal in der Woche Sport treiben.

„Kurios, aber ich bin mit 70 Jahren optimistischer als vor zehn Jahren, ich weiß nur nicht, warum“, meint Băncilă lächelnd. „Wenn ich zurückschaue, sind schon einige positive Aspekte hervorzuheben.“ Einer davon sind die 45 Jahrgänge, die ihr Studium an der Fakultät für Bauwesen in rumänischer Sprache abgeschlossen haben. Seit 1970 war Radu Băncilă im Hochschulbereich tätig, wo er vorwiegend an der Abteilung für Straßen- und Brückenbau unterrichtete. „Es ist fast unmöglich, dass ich auf eine Baustelle gehe und dort keinen meiner Absolventen treffe“, sagt der Universitätsprofessor.

Deutsche Schule trotz rumänischer Abstammung

Die Familie mütterlicherseits stammt aus Großwardein/Oradea, wo Radu Băncilăs Großvater in der Zwischenkriegszeit Bürgermeister war. Die Familie seines Vaters kommt aus der Gegend Bran-Törzburg. Obwohl er nicht deutscher Abstammung ist, besuchte Băncilă auf Wunsch seines Vaters, auch schon ein Bauingenieur, deutsche Schulen: zuerst die damalige Elementarschule Nr. 16 in der Elisabethstadt, dann die Lenauschule. „Ich war der einzige Rumäne in der ersten Klasse und musste mich schnell anpassen und Deutsch lernen“, erzählt Băncilă. Anfangs war es nicht leicht, aber er hatte „hervorragende Klassenkameraden“ – die alle nach Deutschland ausgewandert sind.

Zwischen 1958-1962 erfolgte der Besuch der Lenauschule (8.-11. Klasse). „Die damalige Atmosphäre in der Lenauschule war sehr streng“, erinnert sich Băncilă. „Feichter war damals Direktor. Es gab eine Serie von älteren Professoren, und auch wenn die Lehrbücher damals nicht von so guter Qualität waren (einige wurden direkt aus dem Russischen übersetzt), konnten die Lehrer das Wesentliche und Positive hervorheben“, fügt der ehemalige Lenauschüler hinzu.

Ein Beweis der Unterrichts- und Lehrqualität in der damaligen Lenauschule war die Statistik bei der Aufnahmeprüfung an den Universitäten. „80 Prozent der Kollegen haben die strengen Aufnahmeprüfungen an der Universität bestanden, was viel vom hohem Niveau der damaligen Lenauschule sagt“, meint Băncilă dazu.

Bauwesen auf Deutsch – ein hürdenvoller Anfang
 
Als eine ganz gewöhnliche Karriere bezeichnet Băncilă seine Laufbahn als Hochschullehrer, „die vor der Wende mehr als stagniert hat. So waren die Bedingungen damals“, erzählt der Bauingenieur. Nach der Wende wurde er zum Universitätsprofessor befördert und konnte „im neuen Kontext“ einen alten Traum verwirklichen: eine Abteilung mit deutscher Unterrichtssprache an der Fakultät für Bauwesen.
„Es war in erster Linie eine europäische Idee, ein offenes Fenster in Richtung Europa“, so Băncilă. „Im Bauwesen haben die deutschsprachigen Länder – Deutschland, Österreich, die Schweiz – eine gute Tradition und unter den Gründern der Universität ´Politehnica` Temeswar waren sehr viele Absolventen deutscher Universitäten“, erinnert sich Băncilă.

Das Demokratische Forum der Deutschen im Banat hat damals den Vorschlag befürwortet und unterstützt und das Bildungsministerium erteilte die Genehmigung, sodass 1991 die ersten 20 Studenten ihr Studium an der Deutschsprachigen Abteilung für Bauwesen beginnen konnten. „Damals dachten wir nicht, dass wir so weit kommen werden“, sagt der Hochschullehrer.
Anfangs war der Gründer der Deutschsprachigen Abteilung auch innerhalb der Fakultät für Bauingenieurwesen mit Schwierigkeiten konfrontiert. Einige Jahre bis zum EU-Beitritt wurde die Abteilung oftmals aus verschiedenen Gründen „angegriffen“, da man den Unterricht in rumänischer Sprache bevorzugte. „Es waren die Traditionalisten, die einen Unterricht in einer anderen Sprache nicht gerne gesehen haben, die es als eine Bedrohung ihrer Lage aufnahmen und die gegen eine Öffnung in Richtung Ausland, gegen Europa waren“, so Băncilă. „Es gab sogar eine Art Misstrauensantrag im Professorenrat gegen unsere Abteilung.“ Erst nach EU-Beitritt glätteten sich die Wogen.

Ein offenes Fenster in Richtung Europa

„Bildung bringt Freiheit“ lautet ein Leitspruch, den Radu Băncilă immer wieder seinen Studenten wiederholt, denn nur wer sich ständig verändert, ständig lernt, kann sich den neuen Verhältnissen anpassen. Mittlerweile zählt die Deutschsprachige Abteilung für Bauwesen 20 Absolventenjahrgänge und über 300 Ingenieure wurden in deutscher Sprache ausgebildet. Die besten 3-4 Absolventen erhalten auch ein Doppeldiplom: ein Diplom seitens der TU „Politehnica“ Temeswar und ein Diplom der TU München – „eine Anerkennung de facto der Abteilung“.

Von den 300 Absolventen der Deutschsprachigen Abteilung an der Fakultät für Bauwesen arbeiten derzeit die meisten in Deutschland. Trotz dortiger sehr guter Angebote möchten aber alle zurückkommen, sagt Radu Băncilă. Wenn die Firma in Deutschland, bei der sie arbeiten, eine Niederlassung in Rumänien eröffnet – was nicht selten vorkommt – kehren diese Ingenieure zurück, denn sie verfügen dann hier über dieselbe Entlohnung wie in Deutschland.

Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen

Außer dem Partnerschaftsvertrag mit der TU München hat die Deutschsprachige Abteilung an der Fakultät für Bauwesen ähnliche Kooperationsverträge mit der Hochschule für Technik, Wissenschaft und Gestaltung – HTWG in Konstanz und einen Vertrag mit der Deutschen Bahn, wo bereits mehr als ein Dutzend Absolventen der Deutschsprachigen Abteilung beschäftigt sind. „Von der Deutschen Bahn gibt es immer wieder Anfragen hinsichtlich unserer Absolventen“, äußert sich Băncilă dazu.

Im Laufe seiner Karriere wurde Univ.-Prof. Dr.-Ing. Radu Băncilă mehrmals für seine Verdienste im Hochschulwesen ausgezeichnet. So erhielt er 2012 vom Bundespräsidenten Joachim Gauk das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für die Zusammenarbeit im Hochschulbereich. 2000 wurde ihm die goldene Ehrennadel der TU München anlässlich 10 Jahre seit Gründung der Deutschsprachigen Abteilung für Bauwesen verliehen.

Mit ISIM, dem Nationalen Institut für Forschung und Entwicklung im Bereich Schweißen und Materialuntersuchungen, arbeitet die Deutschsprachige Abteilung an der Fakultät für Bauwesen in Richtung Ausbildung europäischer Schweissfachingenieure zusammen. Es handelt sich dabei um eine spezialisierte „postuniversitäre Fachausbildung, die weltweit gefragt ist“. Temeswarer Absolventen der Schweissfachausbildung sind in Norwegen, Schweden, England und sogar in Alaska beschäftigt.
„Rückblickend kann ich schon sagen, dass ich sehr stolz auf alle Absolventen bin, die Absolventen der Deutschsprachigen Abteilung für Bauwesen, die Absolventen der rumänischen Abteilung und die Schweißfachingenieure“, schließt Radu Băncilă.