Reelle Probleme angesprochen

Generalschulinspektor Benga konfrontiert Bildungsministerium mit echten Problemen

Der zu Recht oft ironisierte und als Analphabet dargestellte Bildungsminister Liviu Pop (PSD) – neben Landwirtschaftsminister Petre Daea und der Sozial- und Arbeitsministerin Lia Olguţa Vasilescu einer der vielen Minister der PSD-ALDE-Koalition, die ungewöhnlich häufig ins Fettnäpfchen eines korrekten Rumänisch oder der Fachkompetenzen treten, die das Ministeramt erfordern – berief Anfang Oktober eine Fernkonferenz ein, an der sich alle Leiter der Schulaufsichtsbehörden in den Verwaltungskreisen, Gewerkschafter aus dem Unterrichtswesen, Eltern- und Schülervertreter zu beteiligen hatten. Thema war: „Bildungsfragen“. Zur Sprache kam das Chaos mit den Schulbüchern und den Veröffentlichungen von Lehrhilfsmitteln, die anstehenden Unterrichtsgesetze bzw. beabsichtigte Novellierungen der existierenden Bildungsgesetze, echte Probleme, die das tagtägliche Lehrerdasein erschweren.

Als Erster sprach Ioan Benga, Physiklehrer, Onkel des Ex-Premiers Grindeanu, Ex-Abgeordneter und seit Kurzem Generalschulinspektor im Kreis Karasch-Severin, ein reelles Problem an: „Der Kreis Karasch-Severin ist sehr groß, sehr ausgedehnt und verkehrsmäßig schlecht erschlossen. Hier leben wenige Schüler, weil es hier auch eine geringe Bevölkerungsdichte gibt. Deshalb leidet das Bildungswesen unter dem Prinzip der Finanzierung pro Einzelschüler. Zudem haben wir hier sehr viele Minderheiten, ebenfalls mit ziemlich wenig Kindern. Aus diesen Gründen verschafft uns die Finanzierung pro Einzelschüler im Banater Bergland sehr hohe Kosten, für welche die Kommunen einspringen müssen, um die Differenz zwischen vom Ministerium Zugeteiltem und den Realkosten zu decken. Aber auch die Kommunen sind arm. Ich habe fast keine einzige Schule, die mit den von oben zugeteilten Kosten auskommt. Unser Wunsch: Künftig müssen solcherlei Sondersituationen als solche behandelt werden. Wir brauchen für diese Fälle eine andere Finanzierungsform.“

Ioan Benga hatte damit das Eis gebrochen. Denn sofort schlugen auch andere Verwaltungskreise in dieselbe Kerbe. Der Tenor: Die Finanzierung pro Einzelschüler erlaube gerade einmal ein Überleben des Unterrichtswesens von einem Tag auf den anderen, sichere jedoch auf keinen Fall auch die Finanzierung an den Schulen bei immer wieder nötigen Reparaturarbeiten oder gar Sanierungen. Das sei der wahre Grund für die hohe Zahl von Schulen, die landesweit ohne Sicherheitsbescheinigung und Genehmigungen vom Gesundheitsamt ins Schuljahr gestartet seien.

Das Ministerium reagierte mit der Stimme eines Staatssekretärs erst mal konziliant: „Dieses Problem haben wir uns vorgemerkt. Es ist ein allgemeines Problem vieler Kreise, also muss dafür auch eine Lösung gefunden werden.“ Darauf griff ein anderer Staatssekretär ein: „Der Aspekt, auf den Sie aufmerksam machen, ist vom Ministerium längst aufgegriffen worden. Wir wissen sehr wohl, dass, gemäß dem Bildungsgesetz, der Nationalrat zur Finanzierung des voruniversitären Unterrichts agieren müsste. Erst uns ist es gelungen, die Dinge in dieser Hinsicht loszueisen. Dieser Nationalrat hat im vergangenen Jahr zu handeln begonnen.“ – Damit schmückt sich das PSD-dominierte Bildungsministerium mit fremden Federn, denn diejenigen, die im vergangenen Jahr den Nationalrat zur Finanzierung des voruniversitären Unterrichts gegründet haben, waren die Mitglieder der viel geschmähten Regierung Ciolo{, der „Technokratenregierung“.

Doch weiter die Stimme aus Bukarest: „Leider steht uns noch ein langer Weg bevor, bis wir korrekte Standardkosten für das Funktionieren des Unterrichtswesens gefunden haben. Wir sind auf der Suche nach allgemeingültigen Korrektur-Koeffizienten. Dass momentan die Finanzierung des Grundschul- und allgemeinbildenden bzw. Lyzeumsunterrichts nicht in Ordnung ist, darüber haben wir einschließlich den Premierminister informiert. Gegenwärtig funktioniert die Finanzierung von oben nach unten statt umgekehrt: Die Standardkosten werden vom Finanzministerium bestimmt, also jene Summe, die ausgegeben werden kann. Über E-Mail wird das Bildungsministerium über die Höhe des Betrages informiert. Dort füttert die Direktion für Lohnfragen ihre Computer mit der mitgeteilten Summe: Welches ist das Geld, wie viele Schüler haben wir, wie viel entfällt auf einen Schüler? Dies ergibt eben jene Standardkosten. Und damit sägen wir jedes Mal am Ast, auf dem wir sitzen. Lange wird das nicht mehr so funktionieren. Solche Standardkosten müssen ausgeschaltet werden.“ Darauf kam neuerlich eine Stimme aus Bukarest: „Notiert!“

Ioan Benga, später, gegenüber den Medien: „Wir haben ziemlich offen geredet und in vielen Fragen Tacheles gesprochen: Schulbücher, Hilfsmittel für bestimmte Lehrbücher, viele Fragen, die letztendlich Finanzierungsfragen sind: was wir gern im neuen Gesetz der Nationalen Erziehung korrigiert sehen möchten, wie wir eine Finanzierung per Einzelschüler sehen usw. Letztendlich war man sich einig, dass für jeden Kreis, gemäß seinem Spezifikum, ein eigener Koeffizient und Verteilungsschlüssel gefunden werden müsse oder vollständig auf das Prinzip der Finanzierung per Einzelschüler verzichtet werden sollte. Ich selber habe verfügt, dass jede Schule der Schulaufsichtsbehörde fünf Stärken und fünf Schwächen der geltenden Bildungsgesetze aufzählt sowie eine Liste von Korrekturen präsentiert, die sie, an der Basis, bei diesem Gesetz für unumgänglich halten. Wir müssen endlich von unten nach oben das System aufrollen. Nur so kann die Realität vor Ort zum Zug kommen. Nicht zuletzt suchen wir ja auch nach Lösungen, um den enormen Druck zu mildern, den das Bildungswesen auf die Kommunalverwaltungen ausübt. Die haben auch ohne uns genug andere Probleme...“