Rosenau – Die Gesichter einer Stadt

Eine Ortschaft und ihre vielen Facetten

Die Bauernburg ist ein Symbol Rosenaus und wird von immer mehr Touristen besucht.

Eine Bummelbahn befördert Besucher zu der Bauernburg. In Zukunft wird diese „Aufgabe” von einer modernen Zahnradbahn übernommen werden.

Rosenau ist eine Stadt mit vielen Perspektiven. Die Behörden wollen sie in einen Touristen-Magneten verwandeln.
Fotos: Elise Wilk

„Schau mal das große Werk hier, dieses INA. Fast die Hälfte vom FSR (Fabrica de Scule Râşnov, Fabrik aus Rosenau – Anmerkung der Verfasserin) arbeitet jetzt hier. Habe vor Kurzem einen Bekannten getroffen, wollte ihm ein Bier ausgeben, er meinte nein, er müsse noch zur Arbeit. Hier ist es nicht wie bei FSR, dort gab es früher mal eine Bar, erinnerst du dich? Hier ist alles strikt, man muss arbeiten. Die guten Zeiten sind vorbei....“

Der Fahrkarten-Kontrolleur seufzt, als der Zug vor dem Industriegelände in Neustadt/Cristian vorbeifährt. Sowohl er als auch sein Kollege sind ohne Arbeitsplatz geblieben, in der Zeit als einige Fabriken im ehemaligen Industrie-Städtchen  Rosenau geschlossen wurden und die  anderen hunderte von Leute entlassen mussten, um weiter funktionieren zu können. Zum Glück hat er, wie viele andere, einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Im Zugabteil ist es warm und fast leer. Die Pendler sind längst zur Arbeit gefahren, und an einem Montag, um 9 Uhr morgens, nimmt keiner mehr den Zug in diese Richtung. Nach 20 Minuten hält der Zug im Bahnhof von Rosenau. Am Bahnsteig stehen ein paar ausländische Touristen mit ihren Rucksäcken. Sie wollen bis nach Zărneşti, und von dort auf den Königsstein. Die Sonne scheint, die Kälte ist aber ungewöhnlich für Ende Oktober.

Dakische Polis, Dorf der Rosen, mittelalterliche Festung, heilklimatischer Kurort, Industrie-Stadt, rumänisches Hollywood, ruhiges Städtchen im Burzenland, Touristen-Attraktion – alle diese Bezeichnungen und Etappen haben Rosenau im Laufe der Zeit stark geprägt und Merkmale hinterlassen. Die nur 16 km von Kronstadt entfernt liegende Kleinstadt hat ein wenig von allem – und ist eben deshalb interessant. Kommunistische Überbleibsel wie graue Beton-Wohnblöcke und Ruinen von verlassenen Fabrikgeländen, stehen gleich neben modern restaurierten Häusern und netten Gaststätten.

Die Stadt kämpft um ihr Image und verwandelt sich nach und nach in einen Touristen-Magneten. Zu den Plänen der Behörden gehören die Modernisierung der Infrastruktur, sowie Freizeitprojekte und neue kulturelle Events, die jedes Jahr neue Besucher anziehen sollen. Es gibt gute Voraussetzungen, um das touristische Potenzial der Stadt hundertprozentig auszunutzen. Darunter die optimale Lage: Kronstadt, Predeal, Törzburg, das Bucegi-Gebirge, der Königsstein und die Schulerau sind nur einige Kilometer entfernt - es gibt also zahlreiche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Noch ist Rosenau keine perfekte Touristen-Attraktion. Aber eben diese kleinen Schönheitsfehler machen den ganzen Charme der Stadt aus.

Alt und neu nebeneinander

Um vom Bahnhof ins Stadtzentrum zu gelangen, muss man die Hauptstraße überqueren, die nach Kronstadt bzw. Törzburg/Bran führt. Auf der verbesserungsbedürftigen Republicii-Straße, hier riecht die Luft nach frischen Brezeln , geht man vorbei an frisch restaurierten Häusern, einem Drei-Sterne-Hotel, Zeitungs-Kiosks, Wechselstuben, Friseur- und Kosmetik-Läden, einem Gemüsemarkt, mehreren Apotheken und der evangelischen Kirche. Oben sieht man auf einem Hügel die Burg, und daneben den mit großen Buchstaben geschriebenen Namen der Stadt, nach dem Beispiel von Kronstadt. Oder von Hollywood. Die Bar „Zum Holländer“ auf dem Marktplatz/Piaţa Unirii  hat geschlossen, scheinbar für immer.  Nur ein Aufkleber von TripAdvisor zeugt vom einstigen Ruhm.

Geschlossen hat auch der Second-Hand-Laden daneben. Über der verriegelten Tür hängt ein riesiger Werbebanner der einen Kandidaten der diesjährigen Wahlkampagne zeigt. Ein Haus weiter, im Cafe Reunion, lächelt Marilyn Monroe von etwa 40 verschiedenen Plakaten auf den Wänden. Es gibt rote samtbezogene Stühle, Radiomusik, W-Lan und einen Keks neben dem Cappucino. Bis auf einige Stammgäste ist das Cafe leer. „An Wochenenden und im Sommer ist natürlich mehr los, dann kommen die meisten Touristen. Auch am Halloween-Wochenende wird es etwas lebhafter zugehen. Das Schloss von Dracula ist ja nicht weit entfernt, und hübsche Pensionen gibt es auch hier“, meint die Kellnerin. Links vom Cafe folgt man der Straße, geht an anderen geschlossenen Läden vorbei und trifft auf zwei Plakate aus Metall, auf denen zwei EU-finanzierte Projekte angekündigt sind.

Die zwei Projekte sollen zu der Entwicklung des Fremdenverkehrs und der Ortschaft führen. Das erste, in Wert von 4,3 Millionen Euro, sieht die vollständige Erneuerung des Versorgungsnetzes mit Strom, Wasser, Gas und des Kanalnetzes im Stadtzentrum und in allen angrenzenden Straßen des Marktplatzes vor. Der 2012 unterzeichnete Finanzierungsvertrag sieht eine Beteiligung von zwei Prozent seitens des Bürgermeisteramtes vor, der Rest wird durch europäische Zuschüsse gedeckt. Die Bauarbeiten, die im Juni dieses Jahres anfangen hätten müssen, sollten bis Juni 2015 das Stadtzentrum zur Fußgängerzone umgestalten und einen unterirdischen Parkplatz mit 100 Plätzen schaffen. Es sollte auf einer Fläche von 2500 Quadratmetern gearbeitet und bis zu acht Metern in die Tiefe gegraben werden. Das Projekt wurde zum Teil von den Stadtbewohnern kritisiert, doch das Bürgermeisteramt konnte sämtliche notwendige Genehmigungen vorweisen.

Die spanische  Firma Emyplan SL, die die Auktion für die Bauarbeiten gewonnen hat, sollte Anfang des Sommers mit den Arbeiten beginnen. Es wurde aber kein Stein von der Stelle gerührt. Nach drei Monaten beschloss das Bürgermeisteramt, den Vertrag zu kündigen und Anzeige gegen die ausländische Firma zu erstatten. Der Schaden beläuft sich auf über eine Million Euro. Jetzt will man eine neue Ausschreibung  starten, das Projekt beginnt praktisch von Null. Das Bürgermeisteramt hofft, dass die Bauarbeiten bis Dezember 2015 beendet werden. Damit die Gegend nicht desolat aussieht, hat man vor, während der Wintermonate am Marktplatz eine künstliche Schlittschuhbahn anzulegen. Häuschen aus Holz und geschmückte Tannenbäume werden verhindern, dass das Zentrum nicht an eine verlassene Baustelle erinnert.

(Fortsetzung folgt)