Rückblick auf vier Jahre Zusammenarbeit

ADZ-Gespräch mit Dr. Josef Christoph Karl, bisheriger Leiter des Kultur- und Minderheitenreferates der Deutschen Botschaft, und dem DFDR-Abgeordneten, Ovidiu Ganţ

Seit dem 5. Mai ist der ehemalige Leiter des Kultur- und Minderheitenreferats der deutschen Botschaft, Josef Karl, (l.) – hier mit dem DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ – für einige Monate als Austauschbeamter der deutschen Bundesregierung beim rumänischen Premierminister angesiedelt.
Foto: Nina May

Am 4. Mai wurde der Leiter des Kultur- und Minderheitenreferates der Deutschen Botschaft in Bukarest, Dr. Josef Christoph Karl, aus seinem alten Amt verabschiedet. Mit ihm und dem Abgeordneten des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien im Bukarester Parlament, Ovidiu Ganţ, reflektiert ADZ-Redakteurin Nina May gemeinsam erreichte Meilensteine, Herausforderungen und Perspektiven für die Zukunft.

Herr Karl, Sie waren ja schon vor Ihrem Amtsantritt an der Deutschen Botschaft mit Rumänien recht gut vertraut. Trotzdem klaffen Erwartungen und Realität manchmal auseinander. Wie war das bei Ihnen? Wie lautet Ihr Resümee für die letzten vier Jahre in Bukarest?

Josef Karl: Ich kannte Land und Leute schon von persönlichen Besuchen aus meiner Zeit im Wirtschaftsministerium, wo ich auch für Rumänien zuständig war. Genau genommen habe ich mich aber schon im Studium mit Romanistik befasst, nebenbei die Sprache erlernt und später weitergepflegt. Rumänien war daher mein Wunschziel von Anfang an. Was ich allerdings vorgefunden habe und in diesem Job machen konnte, mit den hiesigen Partner und der deutschen Minderheit, war deutlich mehr, als ich mir vorgestellt hatte. Mein Resümee: Ich hatte viel Gutes erwartet – doch das wurde vom Erlebten übertroffen.

Herr Ganţ, welche Rolle spielt der Referent für Kultur und Minderheiten für die deutsche Minderheit und was prägte insbesondere Ihre Zusammenarbeit mit Herrn Karl?

Ovidiu Ganţ: Der Referent ist die Hauptperson in der Beziehung der deutschen Minderheit zur Deutschen Botschaft und unsere Schnittstelle zum Botschafter. Er ist für beide Seiten wichtig, denn keines der gemeinsamen Projekte ist nur für uns gedacht. Mit Herrn Karl war die Kooperation deshalb perfekt, weil er sich schon vorher mit Rumänien beschäftigt hatte und mit den Hintergründen bestens vertraut war. Er brauchte keine Anlaufzeit, musste nicht erst zur Orientierung durchs Land fahren. Angefangen vom Ehrenvorsitzenden des Forums, Prof. Philippi, bis zur Jugend kannte er alle politischen Vertreter des DFDR. Seine bereits mitgebrachten Sprachkenntnisse waren wichtig, denn er hatte ja auch mit rumänischen Kulturinstitutionen zu tun. Da kommt es gut an, wenn man nicht auf Englisch ausweichen muss.

Das Entscheidende ist aber, dass er stets mit Herz und Seele dabei war: Er ist einer von uns, sozusagen. Er hat hier nicht nur seinen Job abgesessen. Dieses Vertrauensverhältnis ist äußerst wichtig. Wir haben auch politische Angelegenheiten gemeinsam besprochen. Er hat vermittelt zu politischen Stellen in Deutschland und bilaterale Kooperationen initiiert. Es ging oft weit über das hinaus, was man als Kulturreferent erledigen muss. Die Tatsache, dass Herr Karl jetzt noch einige Monate als Austauschbeamter der deutschen Bundesregierung beim rumänischen Premierminister verbringt, ist sicher ein Zeichen der Anerkennung, aber auch der äußerst engen positiven Zusammenarbeit zwischen den beiden Regierungen.

Herr Karl, was waren die wichtigsten Projekte der letzten vier Jahre aus Ihrer Sicht?

Josef Karl: „Das Wichtigste steht noch bevor: eine Ausstellung über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der deutschen Minderheit, die zunächst in drei rumänischen Städten – Hermannstadt, Temeswar und Bukarest – gezeigt wird und dann in Deutschland – zuerst in Berlin, München und Wiesbaden. Das war die Idee von Herrn Ganţ und daran haben wir die letzten beiden Jahre intensiv gearbeitet, zusammen mit dem Landesforum unter Dr. Paul Jürgen Porr, dem Ehrenvorsitzenden Dr. Paul Philippi, aber auch mit der Mannschaft der Botschaft und dem Auswärtigen Amt. Darin soll die Zusammenarbeit mit dem rumänischen Staat und der deutschen Minderheit, basierend auf dem deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag, ausführlich dokumentiert werden.

Dies ist das größte Projekt der letzten Jahre. Zweitgrößtes war die Beteiligung als Ehrengast an der Bukarester Buchmesse mit dem Programm „Drei Länder, eine Sprache“ letztes Jahr, mit einem deutsch-österreichisch-schweizerischen Gemeinschaftsstand auf der Romexpo in Bukarest. Das dritte Projekt war die Ausstellung „Deutsch, Sprache der Ideen“, die mittlerweile über 20 Städte des Landes bereiste und derzeit in Oberwischau/Vişeu de Sus gastiert. Auch hierzu haben wir mit der deutschen Minderheit intensiv zusammengearbeitet, an 15 Orten gab es ein Forum an Unterstützern vor Ort. Es gab natürlich viele weitere Projekte, doch das waren die wichtigsten.“

Wie kann man sich die bevorstehende Ausstellung über die deutsche Minderheit vorstellen und ab wann wird sie zu sehen sein?

Josef Karl: In der Ausstellung werden moderne und klassische Elemente vereint. Neben Fotos wird es interaktive Karten mit den Siedlungsgebieten der Untergruppen der deutschen Minderheit geben, die sich einheitlich im Forum organisiert haben. Drückt man dann auf einen Knopf, leuchten zum Beispiel alle Orte auf, wo die Zipser leben. Es gibt aber auch interessante Tondokumente oder einen Film von der Michael Schmidt Stiftung über die Kirchenorgeln Siebenbürgens. Die Darstellungsform wird eine moderne sein, auf beleuchteten Stelen. Wir haben uns Mühe gegeben, auch den historischen Aspekt zeitgemäß darzustellen und hoffen, die Ausstellung im Juli in Hermannstadt eröffnen zu können. Der genaue Zeitpunkt steht aber noch nicht fest.

Herr Ganţ, welche Kernaussage soll die Ausstellung vermitteln?

Ovidiu Ganţ: Dass der am 21. April 1992 von den beiden Außenministern unterzeichnete Freundschaftsvertrag, in dem sich beide Staaten verpflichten, die deutsche Minderheit zu unterstützen, keine leere Formalie war, sondern – mit aus unserer Sicht großem Erfolg – konkret umgesetzt wurde und Früchte trägt. Und dass es eine Grundlage für die weitere Zusammenarbeit gibt. Gleichzeitig ist sie aber auch eine Rechtfertigung, was wir mit dieser Hilfe im Sinne der Gemeinschaft gemacht haben – also was aus den deutschen Steuergeldern geworden ist.
Wir wollen aber auch zeigen, dass sich die Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien nach dem 20. Jahrhundert positiv entwickelt hat, im Vergleich zu anderen EU-Staaten, wo es die deutsche Minderheit nicht so gut hat wie hier. Dieser Aspekt ist, politisch gesehen, äußerst wichtig.

Josef Karl: Die Ausstellung soll zudem Gelegenheit bieten, der deutschen und rumänischen Bevölkerung – zweisprachig – zu zeigen, wie vorbildlich die rumänische Minderheitenpolitik ist. Das gibt es kaum in einem anderen Land, dass Minderheiten eine so aktive Rolle spielen, dass sie vom Staat unterstützt werden. Im Bildungsbereich haben wir über 20.000 Schüler in Schulen mit deutscher Muttersprache und 150.000 lernen Deutsch als Fremdsprache. Es gibt Schulen in polnischer und kroatischer Sprache. Das Minderheitenschulsystem ist absolut großartig und einzigartig in Europa. Es wurde nicht wie in anderen Ländern gekappt, sondern weiterentwickelt, und dies unter sehr schwierigen finanziellen Bedingungen. Das, denke ich, ist es wert, sowohl in Deutschland als auch in Rumänien einem großen Publikum zu zeigen. Das ist ein Erfolg, den Rumänien hat, und den man auch so darstellen sollte.

Ovidiu Ganţ: Die privat getragenen Schulen der Sachsen und Schwaben wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in staatliche Institutionen übernommen, aber im Gegensatz zu anderen Ländern durfte der Unterricht in der Muttersprache hier beibehalten werden. Das ist in Deutschland oft auch auf politischer Ebene nicht bekannt. Man kann also nicht sagen, im Osten ist die deutsche Minderheit überall dasselbe. Wie sensibel das Thema ist, zeigt sich derzeit an der Ukraine. Dementsprechend stimme ich zu, dass Rumänien nach der Wende eine außergewöhnlich gute Lösung gefunden hat.

Herr Karl, auf welchen Teil der Zusammenarbeit muss man sich weiterhin konzentrieren? Gibt es aus Ihrer Sicht noch offene Baustellen?

Josef Karl: Offene Baustellen nicht unbedingt, doch Dinge, die weitere Bemühungen erfordern. In gemeinsamer Anstrengung und mit Unterstützung der deutschen Minderheit und deutschen Mittlern im Land haben wir versucht, uns für das deutschsprachige Bildungssystem zu engagieren. Im Universitätsbereich hat der DAAD alles getan, um deutsche Studiengänge zu stabilisieren – und einige laufen sehr gut. Offensiv und langfristig angehen muss man hingegen den Lehrermangel in deutscher Sprache. Die Botschaft und das Auswärtige Amt werden immer stärker in Bildungsbereiche investieren, denn Sprache, Kultur und deutsches Bildungswesen kann man nicht trennen, Bildung ist das Kernstück. Ich selbst habe mich mit dem Schulproblem intensiv beschäftigt, das wird auch weiterhin wichtig sein. Es lohnt sich, für jede deutsche Klasse zu kämpfen. Die bestehen ja zum Teil seit Jahrhunderten, doch wenn sie auf einmal nicht mehr bestehen, sind sie weg. Da ziehen wir alle an einem Strang: Herr Ganţ ist selbst studierter Lehrer und Botschafter Lauk war früher Leiter des Schulreferats im Auswärtigen Amt, das ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Ein Anliegen wird auch immer sein, Schulen zukunftsfit zu machen. Weiters wird das derzeit entstehende duale Ausbildungssystem in Rumänien sehr wichtig sein. Da hat Rumänien ja einen Standortvorteil, durch die deutsche Minderheit und die deutsche Sprache.

Zum Schluss eine persönliche Frage an Herrn Karl: Könnten Sie sich denn zu einem späteren Zeitpunkt einen erneuten Einsatz in Rumänien vorstellen? 

Josef Karl: Meine bisherige Vita zeigt, dass Rumänien nicht nur irgendein Einsatzland war. Von daher wird es auch künftig wieder mein Wunsch sein, hier zu arbeiten – eines Tages, immer wieder. Ich denke, der Kontakt zu einem Land, wenn er wirklich gut sein soll, bedeutet Investition an Zeit, Verständnis, Kenntnis – und wenn man das erreicht hat, zumindest zum Teil, ist es sinnvoll, dieses Know-how zu nutzen.

Ovidiu Ganţ: Wobei auch sein derzeitiger Einsatz beim Premierminister schließlich nicht gegen seinen Willen erfolgt ist – er könnte ja längst in Berlin sein. Wir schätzen das sehr, zumal wir als Minderheit auch ein gutes Verhältnis zum Premier haben. Es kann nur positive Folgen haben für alle Seiten.

Und was ist Ihnen in Rumänien als Mensch am meisten ans Herz gewachsen? Was werden Sie in Deutschland vermissen?

Josef Karl: Erstens die Offenheit und Warmherzigkeit der Leute. Zweitens den unglaublichen Humor, der das Leben hier so lebenswert macht. Es gibt kaum eine Situation, in der Rumänen ihren Humor verlieren. Das habe ich praktisch erlebt, als Kulturreferent, weil ich viel mit externen Partnern gearbeitet habe, mit der deutschen Minderheit auf der einen Seite und rumänischen Kulturpartnern auf der anderen. Es gab Situationen, in denen ich anfangs skeptisch war, ob wir ein Projekt zeitlich schaffen – wir haben immer alles geschafft, und immer sehr kreativ, flexibel und mit viel guter Stimmung. In diesem Bereich könnten sich manche Deutsche eine Scheibe herunterschneiden. Da nehme auch ich sehr viel Positives mit und habe gelernt, dass man Dinge auch anders und deshalb nicht weniger effizient umsetzen kann, aber mit humorvollerem Stil. Das schätzte ich persönlich immer mehr im Laufe der Zeit – und das wird mir sehr fehlen in Deutschland.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.