Rückblicke und Ausblicke auf Jubiläen und Jahrestage

Das „Deutsche Jahrbuch für Rumänien 2018“ soeben erschienen

An dieser Stelle hätte Hans Liebhardt seine Besprechung des neuen Jahrbuchs damit eingeleitet, dass der nun vorliegende 17. Band bereits der zehnte in der redaktionellen Verantwortung der Chefredakteurin der ADZ, Rohtraut Wittstock, ist, in der Honterus-Druckerei in Hermannstadt/Sibiu gedruckt wurde und erfreulicherweise die Tradition des 40 Jahre lang erschienenen Kalenders des „Neuen Wegs“ fortführt. Hans Liebhardt ist im Herbst des vergangenen Jahres ganz plötzlich und unerwartet gestorben, nicht ohne vorher – pünktlich und arbeitsam wie immer – seine Beiträge eingereicht zu haben. So kann man u. a. seine humorvolle Erinnerung „Lustiger Teil der Literaturgeschichte – Vor 50 Jahren, am 1. April 1968, ist Schuster Dutz gestorben“ und seine „Geschichten aus dem Museum. Casa Filipescu-Cesianu zeigt die Bukarester Lebensalter“ fast als kleines Vermächtnis lesen. Denn gelacht hat Hans Liebhardt gerne, und die „Bukarester Geschichte(n)“ waren ihm immer ein besonderes Anliegen. Dies allein wäre nicht der geringste Grund, einen Blick in die neue Ausgabe zu werfen.
 

Jahrestage und Jubiläen

Als „ normales Jahr“ für die deutsche Minderheit bezeichnet Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, das Jahr 2017 in seinem Geleitwort. Angesichts der unruhigen Zeitläufe, wie sie allemal von ihm selbst wie auch von Cord Meier-Klodt, dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, in dessen Geleitwort oder vom Abgeordneten Ovidiu Gan] im Gespräch mit Hannelore Baier: „Es wird voraussichtlich kein ruhiges politisches Jahr“ thematisiert werden, eine zuversichtlich stimmende Äußerung. Denn auf der anderen Seite war dies auch ein Jahr der Jubiläen: 25 Jahre seit der Unterzeichnung des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages, bei dessen Zielsetzungen laut Botschafter die deutsche Minderheit ihre Brückenfunktion demonstrieren konnte.

Das 500-jährige Jubiläum der Reformation, dem viele Festivitäten und vor allem der Kirchentag in Kronstadt gewidmet waren, fand seinen Niederschlag in einer Reihe von Beiträgen des Jahrbuchs. Der Festvortrag von Thomas Şindilariu „500 Jahre Reformation – 475 Jahre Reformation in Siebenbürgen“ findet sich hier abgedruckt. Der glückliche Umstand der Rückkehr des 100 Jahre lang schmerzlich vermissten „Neuen Kelches“ in die Kirche St. Bartholomäus in Kronstadt gibt ihm Anlass, rund um die Bedeutung des Kelches und des „Abendmahls in beiderlei Gestalt“ über die Besonderheiten der Kronstädter Reformation zu referieren. Das Reformationsjubiläum bot auch Anlass, in Kronstadt eine Weltpremiere zu feiern. Die Messe von Kronstadt „Credo in unum Deum“ konnte am 30. September 2017 in der Schwarzen Kirche unter der Leitung von Steffen Schlandt uraufgeführt werden. Ganz im Zeichen der siebenbürgischen religiösen Toleranz vereinte das Stück Komponisten, Sänger und Instrumentalisten verschiedener Konfessionen und wurde fünfsprachig, neben Deutsch, Rumänisch und Ungarisch auch auf Latein und Englisch, gesungen. Christine Chiriac berichtet nicht nur über das Ereignis selbst, sondern lässt uns auch an der Entstehungsgeschichte teilhaben.

Einem weiteren Höhepunkt, dem überaus gut besuchten Sachsentreffen in Hermannstadt im August, sind die hier abgedruckten Ansprachen des Präsidenten Rumäniens, Klaus Johannis, „Siebenbürger Sachsen hier zu Hause“, und der Festvortrag von Paul-Jürgen Porr unter dem Titel: „Zu Hause und daheim“ gewidmet. Im Umfeld des Großen Sachsentreffens rücken natürlich die Heimatortsgemeinschaften in den Fokus. So ist dies auch ein Anlass für Dieter Drotleff, durch ein Interview, das er mit dem Vorsitzenden der Regionalgruppe Burzenland, Karl-Heinz Brenndörfer, führte, die Arbeitsweise der Regionalgruppen und der angeschlossenen Heimatortsgemeinschaften (HOG) sowie deren Verhältnis zum Verband der Siebenbürger Sachsen vorzustellen. Das größte Kulturerbe stellen zweifelsohne die Kirchenburgen in Siebenbürgen dar. Nina May widmet sich unter dem Titel „Ein’ feste Burg...“ ausführlich der Initiative zur Rettung der Kirchenburgen, den Menschen, die mit dieser Mammutaufgabe betraut sind und den verschiedenen Wegen und Ansätzen, die zum Erfolg führen sollen. Auch das diesmal im Anschluss an das Sachsentreffen jährlich stattfindende Haferlandtreffen bietet Nina May in dem Artikel „Sehnsucht nach Meschendorf“ Anlass, Kirchenburg, Landschaft und Dorf samt Bewohnern einst und jetzt vorzustellen.

Was wäre ein siebenbürgisch-sächsisches Treffen ohne Umzüge, und was wären Umzüge ohne die reichen Fest-Trachten? Dieses reizvolle Bildmotiv mit all seinen beeindruckenden Details, bestickten Bändern und Borten, den kostbaren Hefteln und Spangengürteln und natürlich den so typischen Bockelnadeln findet sich im Fototeil des Kalenders bzw. auf der Frontseite des Jahrbuchs, die wieder von dem Kunstfotografen George Dumitriu gestaltet wurden. Selbst in den Sagen und Märchen ist die Tracht, das besondere Brautkleid von Bedeutung, wie Hans Fink, der sich über den uralten und weit verbreiteten Hochzeitsbrauch der „Verhüllten Braut“ auslässt, anhand zahlreicher Beispiele erläutert. Trachtenumzüge und Trachten spielen aber nicht nur bei den Siebenbürger Sachsen und ihrer Brauchtumspflege eine herausragenden Rolle, auch im Banat fehlen sie auf keinem Kirchweihfest, wie Raluca Nelepcu vom „Trachtenfest von Golgowatz“ zu berichten weiß.
 

Brauchtum und Sprache

Auch ohne große Jubiläen wird der Brauchtumspflege im Banat in diesem Band vor allem sprachlich Referenz erwiesen, denn der mundartliche Teil wird diesmal von Texten im banat-schwäbischen Dialekt bestritten, u. a. von Helen Alba mit „Männerkerweih im Heidestädtchen Hatzfeld. Mit Lederstiwwle um de Maiebaam“. Aber auch die „Hochsprache“ ist z. B. durch das deutsche Theater im Banat vertreten, mit einem Interview, das Ştefana Ciortea Neamţiu mit dem langjährigen Intendanten Lucian Vărşădan führte – „65 Jahre seit der Gründung der deutschen Theaterabteilung und Blicke in die Zukunft“. Angesichts der jüngsten Verwicklungen rund um den Posten des DSTT-Intendanten liest man dies mit einer gewissen Wehmut.

Mit der deutschen Sprache, einem Kernthema für alle deutschen Minderheiten, beschäftigen sich mehrere Artikel: Aida Ivan befragte Sorin Giurumescu, den Vorsitzenden des Deutschlehrerverbandes in Rumänien, zu Perspektiven für diesen Berufszweig, aber auch zu den Herausforderungen, mit denen sich die Deutschlehrer hier konfrontiert sehen. Gabriela Rist beschäftigt sich mit dem Deutschunterricht in Großkarol und Ana und Werner Kremm feiern in ihrem Bericht ebenfalls ein Jubiläum: 25 Jahre seit die Initiative zur bilateralen Lehrerfortbildung zwischen der Steiermark und dem Banater Bergland gestartet wurde.
 

Vor hundert Jahren

Manche Jubiläen werfen ihre Schatten voraus. So sind unter der Kapitelüberschrift „1918-2018. Hundert Jahre seit Ende des Ersten Weltkriegs und der Gründung des modernen Rumänien“ mehrere Artikel gebündelt, die sich mit den Hintergründen für diese Großereignisse des angebrochenen Jahres beschäftigen. Hans Liebhardt steuert Anekdoten aus Großpold bei, so von den Glocken, die man damals requirierte. Von dem Zeitzeugen Dr. jur. Wilhelm Klein werden hier zwei Berichte: über das Ende des Krieges aus den „Erinnerungen an meine Militärzeit“ und über die „romänische Nationalversammlung in Karlsburg“ wiedergegeben, und Wolfgang Wittstock hat die Karlsburger Abschlusserklärung kommentiert und neu ins Deutsche übersetzt.

Die Zeit vor hundert Jahren spielt auch in weiteren Beiträgen eine wichtige Rolle, so gedenkt der Historiker Gernot Nussbächer durch Auszüge aus Dr. Eduard Gusbeths Tagebuchs des Kronstädter Organisten und Komponisten Rudolf Lassel, der auf tragische Weise vor 100 Jahren starb. Zusammen mit Johann Leopold Bella prägte er das Musikleben in Siebenbürgen laut dem Aufsatz über diese beiden Persönlichkeiten von Ursula Philippi nachdrücklich.

Mit dem Untergang des Kaiserreichs endete auch für den Archäologen Karl Schuchhardt der aktive Teil seiner langjährigen Beziehung zu Rumänien, von der Angelika Marks berichtet. Dr. Markus Fischer hingegen gewährt tiefe Einblicke in das Verhältnis von Königin Maria zu ihrem Verlobten und Gemahl König Ferdinand, die er anhand ihrer jüngst von Sorin Critescu herausgegebenen Korrespondenz zu belegen weiß.

Aber nicht nur schriftliche Zeugnisse zu längst vergangenen Epochen bietet der neue ADZ-Kalender. Zeitzeugen der jüngeren Geschichte kommen ebenfalls zu Wort. „Zwei Banater erzählen über die schwere Zeit der Russlanddeportation“ in dem Zeitzeugenbericht von Raluca Nelepcu, und Nina May hat einem ehemaligen Bewohner in Deutsch-Kreuz zugehört, der ihr seine tragische Familiengeschichte aus „den Nachwirren des Zweiten Weltkrieges“ erzählt hat.

Dies nur als kleiner Abriss der Beiträge, die das neue Jahrbuch zu bieten hat. Dabei sind die durchweg lesenswerten Beiträge unter der Rubrik „Lesespaß“, mit Vorabdrucken aus noch nicht publizierten Romanen von Balthasar Waitz und Carmen Elisabeth Puchianu, dem Fragment einer Erzählung von Joachim Wittstock, den Briefen von Karin Gündisch aus dem eher futuristisch als exotisch anmutenden Singapur oder den gedichteten Antworten von Michael Astner noch gar nicht erwähnt. Und natürlich endet das Jahrbuch nicht ohne die beliebten Reise- und Wandertipps u. a. von Elise Wilk über das feenhafte Szeklerland und von Wilfried Schreiber über die Tras²u-Senke und zu guter Letzt dem Rätselspaß mit Ovidiu Şperlea, der sich passend zum Reformationsjubiläum Honterus vorgeknöpft hat.
 

Das Jahrbuch 2018 wird an die treuen Leser der ADZ als Abo-Prämie versandt. Interessenten melden sich bitte in der Redaktion unter aboservice@adz.ro oder Tel. 021-217.89.18 (Mimi Enache), 021-317.89.16 (Philipp Hochbaum). Postabonnenten bitten wir um die elektronische oder postalische Zusendung einer Kopie des Einzahlungsbelegs.