Rumänien – ärmstes Land in der Europäischen Union

Lebensstandard und Kaufkraft der Rumänen analysiert

Temeswarer Journalisten wurden mit den Eurostat-Daten vertraut gemacht.
Foto: Constantin Duma

Rumänien ist das ärmste Land in der EU. Das geht aus den neuesten Angaben einer Eurostat-Statistik hervor. Die Statistik vergleicht diesmal nicht nur das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der inzwischen 28 Mitgliedsstaaten, sondern den Individuellen Konsumindex „Actual Individual Consum“ (AIC) und platziert somit Rumänien und Bulgarien auf die letzten Plätze des Rankings. Der neue Individuelle Konsumindex betrifft das Konsumvermögen eines Landes, den direkten Verbrauch von Nahrung und Kleidung wie auch die staatlichen Dienstleistungen, die der Bevölkerung zustehen, wie zum Beispiel die Bildung oder die medizinische Betreuung.

Die Kaufkraft der Rumänen ist somit, laut konkreten Daten, in den letzten Jahren extrem gesunken. „Das Ergebnis ist besorgniserregend“, sagt der Temeswarer Wirtschaftsanalytiker Nicolae Ţăran. Er nahm sich vor, diese Daten der Öffentlichkeit bekannt zu machen, sodass vor Kurzem in Temeswar/Timişoara ein Pressefrühstück mit dem Thema „Rumänien – Schlusslicht der Europäischen Union“ veranstaltet wurde. Obwohl die Daten der Statistik im Internet für jeden einsehbar sind, werden diese in den Medien nicht veröffentlicht. Grund dafür: „Rumänien hat nach der Wende viele sich bietende Gelegenheiten nicht genutzt und hat sich selbst im Bereich des Politikmanagements Probleme verursacht. Aber nicht nur da mangelt es an gutem Management, sondern auch in den wichtigsten Bereichen der Gesellschaft: Bildung, Gesundheitswesen und Arbeitsmarkt. Das fällt der Regierung schwer zuzugeben“, meint Nicolae Ţ'ăran. Den Temeswarer Journalisten wurden all diese Daten der Statistik bekannt gemacht und konkrete Fakten bezüglich des Lebensstandards und der Kaufkraft in Rumänien anhand einer Fallstudie von Delticom A.G. geboten. Eingeladen war Traian Pop, Osteuropa-Direktor des deutschen Online-Reifenhändlers Delticom. Dabei wurden auch die Ergebnisse der Dienstleistungsbranche in Rumänien vorgestellt.

Bei 48 Prozent des EU-Durchschnitts liegt der Konsum der Bürger Rumäniens nach AIC-Index. Mit rund 141 Prozent des Konsumindex (Vergleichsgröße ist 100), gefolgt von 121 Prozent, belegen Luxemburg den ersten und Deutschland den zweiten Platz in diesem Ranking. Die Statistik wurde aufgrund von konkreten Daten zusammengestellt. Es wurde der Konsum von Produkten und Dienstleistungen analysiert und die Preise der jeweiligen Produkte in den 27 EU-Staaten verglichen. Nach diesen Angaben belegt Rumänien den letzten Platz in der EU. Bulgarien ist knapp davor mit 49 Prozent/AIC per capita. 

Was die heikle Lage in Rumänien bisher abschwächen konnte, sind laut Wirtschaftsexperte Ţăran, die Investitionen der ausländischen Unternehmen, vor allem in Westrumänien. Der Verwaltungskreis Argeş zusammen mit der Stadt Piteşti ist der erste im Bereich des Exports pro Kopf/Einwohner landesweit. „In diesem Ranking folgen der Reihe nach die Kreise Temesch, Arad, Hermannstadt und Bukarest“, erklärt Ţăran. „Diese Kreise, zusammen mit den Kreishauptstädten, stellen eine andere Entwicklungsstufe in Rumänien dar – hier haben vor allem deutsche Investoren die Wirtschaft vorangebracht“, fügt der Wirtschaftsexperte hinzu. Ein solcher Investor ist auch der Reifenhändler Delticom. Die Automobilindustrie und deren verwandte Bereiche sind ein Barometer für die Wirtschaft. „Die Verkaufsstatistiken der Autoreifen in den letzten Jahren zeigen den Aufwärtstrend im Konsumverhalten von Billig-Marken zum Nachteil von Premium-Waren“, sagt Traian Pop.

Die Autoindustrie registrierte in den ersten Monaten des Jahres einen Einbruch von 18 Prozent im Vergleich zur gleichen Zeitspanne des Vorjahres. „Dies ist jedoch ein weltweites Phänomen und davon sind auch andere europäische Märkte betroffen. Der Automobilmarkt ist in Frankreich um elf Prozent und in Deutschland um 8,8 Prozent gesunken“, sagt Traian Pop. Das, was diesen Markt trotzdem am Leben erhält, ist in Rumänien das Abwrackprogramm „Rabla“. „Lei-der kann der Kauf neuer Autos in Rumänien nur mit Hilfe vom Staat existieren, denn die Bürger können sich anders nicht leisten, neue Automobile zu kaufen“, fügt Pop hinzu. Die verwandte Industrie, die der Reifen, ist von der wirtschaftlichen Lage nicht so sehr betroffen.  „Wir können auch vom Verkauf der Reifen für Gebrauchtwagen leben“, sagt der Delticom-Manager. „Die Automotive-Industrie und vor allem die deutschen Unternehmen halten Rumänien auf einem finanziell tragbaren Niveau. Diese Fakten platzieren die Kreise Argeş, Temesch, Arad und Hermannstadt – in dieser Reihenfolge – auf einer Rangliste der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“, sagt Nicolae Ţăran.

Rumänien hat jedoch in den letzten Jahren wichtige Investitionen verloren. Ein Beispiel davon ist eine Daimler-Fabrik, die in Westrumänien entstehen sollte und die sich letztendlich in Ungarn niedergelassen hat. Der Trend der großen Konzerne ist, weiter nach Osten zu wandern. Aber auch Polen, Slowenien, die Slowakei und Serbien sind derzeit für ausländische Investoren von sehr großem Interesse, hieß es beim Pressefrühstück. „Die Regierung hat nicht verstanden, dass die Beziehungen zu den ausländischen Investoren ständig gepflegt werden müssen und dass man ihnen nicht immer wieder nur unqualifizierte Arbeitskräfte anbieten kann, auch wenn die Arbeitskräfte hier billiger sind. Rumänien hat leider diese Investorenwelle verpasst“, erklärt Nicolae Ţăran. „Ein Land, das nur unqualifizierte Arbeitskräfte anbieten kann, geht unweigerlich in Richtung Unterentwicklung“, schließt Wirtschaftsexperte Nicolae Ţăran.