„Sagenhaftes“ Konzertprogramm in Michelsberg

Das „Wikingerduo Leutert“ stellt sich und seine Instrumente vor

Applaus und Küsschen am Ende

Harfenklänge

Moraharpe - Schlüsselgeige - schwedischen Ursprungs

Die „Michelsberger Spaziergänge“ versprechen auch in diesem Jahr ein besonderes Ereignis zu werden. Seit mehr als zehn Jahren versammeln sich in der schönen barocken Dorfkirche unweit Hermannstadt von Juni bis August an jedem Sonntag um 17 Uhr Musikliebhaber von nah und fern. Vorher kann man durch den alten Dorfkern und bis zur Burg hinauf spazieren, man wundert sich über die zahlreichen Neubauten, um sie bald darauf zu vergessen, weil die Natur ringsum noch immer ihren alten Reiz bewahrt hat. Der Höhepunkt ist dann ein Konzertprogramm voller Überraschungen. Und zum Abschluss freut man sich auf die Hanklich der Michelsberger Gastgeberinnen.

Das Einführungskonzert bestritt diesmal das „Wikingerduo Leutert“ mit einer Darbietung, der man gespannt entgegensah. Dass die berühmten Wikinger aus Norwegen wahrscheinlich bis ans Schwarze Meer gelangt sind, weiß man inzwischen. Doch das etwas von ihrer Musik noch vorhanden sein könnte, das hatte keiner geahnt. Brita Falk Leutert und Jürg Leutert, Organistin und Chorleiter in der evangelischen Stadtpfarrkirche zu Hermannstadt, machten es nun möglich, diese eigenartige Tonwelt zu entdecken. Die beiden haben jahrelang auf den Lofoten in Norwegen gelebt und gewirkt und haben alte Volksmusik, die in Norwegen sehr beliebt ist und sorgsam gepflegt wird, gesammelt und zu Gehör gebracht. Nun waren sie gespannt, wie das siebenbürgische Publikum darauf reagieren würde. Mitgebracht hatten sie traditionelle Instrumente, teils alt, teils nachgemacht, mit denen sie ihren Gesang begleiteten. Denn die beiden begnadeten Musiker verfügen nicht nur über schöne, einfühlsame Stimmen, sondern spielen auch die Instrumente mit viel Können. Dass einige Instrumente hierzulande Gegenstücke haben, erhöhte das Interesse. So gleicht das nordische Rindenhorn oder die Lur der Wikinger dem Alphorn, hat aber noch die ursprüngliche gerade Holzform. Man kann damit tiefe, melodische Töne hervorbringen, doch auch laute Signale erzeugen.

Das Horn signalisierte auch den Beginn eines einmaligen Konzerts, wie es in der evangelischen Kirche zu Michelsberg noch nicht gehört worden war. Das Willkommenslied stammte aus der älteren „Edda“. Diese altnordische Melodie könnte auch den Wikingern bekannt gewesen sein. Es folgte ein Musikstück von den Orkney-Inseln, zu Ehren des Hl. Magnus gesungen, das als ältestes überliefertes Musikstück der Musikgeschichte gilt. Uralt ist auch die einzige Melodie, die sich in Runenzeichen erhalten hat: es handelt sich um eine Liebesgeschichte „Ich träumte einen Traum“. Die nächsten Melodien waren dem Leben der Fischer gewidmet. Die älteste Ballade von den Lofoten berichtet vom Fang eines Riesenheilbutts und seines Verlustes; es folgte ein Heringstanz und der Song von der Heringssuppe, der alltäglichen Nahrung der armen Fischer. Über ihr Leben und Lieben ging es anschließend in einem Wiegenlied, im Dankpsalm an die zurückkehrende Sonne nach dem kalten Winter sowie in den Melodien über die Hochzeitsvorbereitungen und die Gefühle einer stolzen Brautmutter. Eine weitere Ballade berichtete vom Brautraub durch einen Troll. Und der Hochzeitsmarsch, der das Programm abschloss, wurde aufgespielt, wenn der traditionelle Hochzeitsbrei aufgetragen wurde.

Die Begleitung erfolgte auf  eigenartigen Musikinstrumenten, in Rohform oder nachgemacht, wie sie die Wikinger (zwischen dem 8. und 11. Jh.) teilweise schon gekannt haben. Dazu gehören das Trehorn, ein Holzhorn mit drei Grifflöchern, und das Bekkehorn; eine Geige und die eigenartige Schlüsselgeige, in Norwegen Moraharpe genannt. Ein Portativ oder tragbare Orgel, sowie eine Leier, eine Maultrommel, schon in der ganzen Welt verbreitet, und eine echte norwegische Trommel mit Ziegenfell. Ein Unikum war die Rebeq, eine arabische Form der Geige, die aus der Maurenzeit stammt. Jede Melodie hatte ihre Instrumente, ergänzt zeitweilig vom Orgelspiel, das sich harmonisch ins Ganze einfügte. Für Musikkenner und –liebhaber mag diese  Musik manchmal bekannt geklungen haben, denn Ähnlichkeiten mit der europäischen Musik sind nicht zu verkennen; durch Austausch bildete sich eine gleiche Tonsprache in ganz Europa. Vielleicht finden sich Paralellen auch hierzulande. Denn die Leuters hörten vor kurzem zwei mittelalterliche sächsische Lieder, deren Klangwelt ihnen bekannt vorkam. Reicher Applaus belohnte die beiden Künstler, die sich zum Abschluss noch Zeit nahmen, ihre Instrumente vorzustellen. Das Interesse war groß. Danach ließ sich jedoch keiner die Einladung ins Pfarrhaus entgehen, wo es, wie seit Jahren üblich, Kaffee und Kuchen gab. Wie diese rührigen Michelberger Frauen es schaffen, jedes Jahr mit einer immer schmackhafteren Hanklich aufzuwarten, das ist ein Geheimnis...