Sammlung bester Publizistik

Im ADZ-Jahrbuch 2014 geblättert

Das ADZ-Jahrbuch wird an die Abonnenten der Zeitung vergeben, die ein Jahresabonnement abschließen.

„Ländliches Siebenbügen“ heißen die Bilder im Kalenderteil, die George Dumitriu gemacht hat. Darunter auch dieser Sachse auf dem Motorrad mit selbstgebasteltem Anhänger vor dem Dorfladen in Deutsch-Weißkirch.

Bewegung in der Landschaft – das wurde auf vielen der Fotos festgehalten. Hier eine Fahrt mit dem Pferdeschlitten durch die verschneite Winterlandschaft in Măgura zwischen Königstein und Bucegi.
Fotos: George Dumitriu

In seinem Grußwort erinnert Paul Jürgen Porr, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen, an entscheidende Ereignisse in der Geschichte des „Neuen Wegs“ und der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ (ADZ). Die Zeitung wurde bekanntlich vor 65 Jahren gegründet, und zwar im März 1949. Bemerkenswert, dass der „Neue Weg“ von Anfang an auch seinen Kalender herausgegeben hat, davon sind 50 Jahrgänge erschienen. Es war das meistverbreitete und auflagenstärkste deutsche Buch in Rumänien. An diesen Erfolg hat man sich beim Forum erinnert, als vor zwölf Jahren beschlossen wurde, den Kalender wieder zu machen, und zwar als „Deutsches Jahrbuch für Rumänien“. Nun liegt also die Ausgabe für das Jahr 2014 vor, wobei Rohtraut Wittstock, die Chefredakteurin der ADZ, die Redaktion innehatte. Die Kollegin ist der Ausbildung und Erfahrung nach Kulturredakteurin, fest verwurzelt im Einheimischen, besonders im Siebenbürgischen. Diesen Stempel hat sie auch dem Kalender aufgeprägt. Dabei ist zu beachten, dass unser Spezifikum als deutsche Bevölkerung in Rumänien gerade in diesem Bereich am klarsten zum Ausdruck kommt.

Beim Durchlesen und Vergleichen mit anderen Publikationen kommt man zum erfreulichen Schluss, dass es sich immer noch um eine Publizistik handelt, die zum Besten gehört, was außerhalb des deutschen Sprachraums in deutscher Sprache geschrieben wird. Beim Durchlesen habe ich mir aus dem Teil Kultur und Kulturerbe anekdotische und besinnliche Stellen herausgeschrieben, die mir besonders gut gefallen haben. Im Aufsatz über das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch von Hannelore Baier wird u. a. angeführt, dass es in deutschen Dialektwörterbüchern gelegentlich den Hinweis gibt: „Lebt noch in Siebenbürgen weiter“. Aus der Geschichte erzählt Harald Roth eine Episode, die ich noch nicht kannte: An der amerikanischen Ostküste wurde 1774 das Land Transilvania gegründet, mit eigener Regierung, es stellte auch den Antrag, als 14. Kolonie anerkannt zu werden, leider ohne Erfolg. Sonst hätte es heute in den USA außer Pennsylvanien auch Transylvanien gegeben. Paul Philippi hält aus der Zeitgeschichte in seinem Weißkirch-Essay auch folgende erschütternde Beobachtung fest: Ein Freund von ihm hatte im Krieg ein Bein verloren, seine kleine Tochter zeichnete dann, wenn in der Schule das Thema Familie behandelt wurde, alle Väter nur mit einem Bein. Aus Dr. Markus Fischers Besprechung des Romans „Zweieinhalb Störche“, in dem Claudiu F. Florian von seiner Kindheit in Siebenbürgen ausgeht: In Reps hatte jeder, was er brauchte, aber das Außergewöhnliche, das Feine, das Erwünschte und Erträumte kam aus Deutschland.

Der bekannte Sammler und Erfinder des Hermannstädter Töpfermarkts Horst Klusch war in seiner Jugend Lehrer in Rätsch, das ist ein abgelegenes Dorf in der Nähe von Mühlbach, dort hat er alte Krüge zu sammeln begonnen. Er hat aber die Wissenschaft des Sammelns von Pfarrer Ludwig Klaster in Urwegen gelernt, der auch selber töpfern und sticken konnte. Nachzulesen im Bericht, den Christa Richter über Horst Klusch geschrieben hat. Walther Gottfried Seidner, langjährger Pfarrer in Stolzenburg, wo er auch heute noch lebt, und der mit den Stolzenburgern auch Kämpfe auszufechten hatte, weil er gegen die Auswanderung war, musste trotzdem 500 Ahnenpässe ausstellen. Er hat aber allen ins Gewissen geredet, fest im Glauben auszuharren, denn überall sei die Welt schlecht. Das erzählt er im Interview, das Gerda Ziegler aufgeschrieben hat. Nora Iuga, die große Dame der rumänischen Literatur, die auch viel aus dem Deutschen ins Rumänische übersetzt hat, darunter drei Nobelpreisträger, klagt im Gespräch, das Aida Ivan geführt hat, darüber, dass Undank der Welt Lohn ist. So habe Herta Müller über sie geschrieben, dass die Grande Dame der Poesie gegen die frühere Gesellschaftsordnung derart Widerstand geleistet habe, dass sie Hüte trug. Und dieser Artikel sei nicht nur auf Deutsch erschienen, sondern – was viel schlimmer ist – auch auf Rumänisch. Das ist unfair, denn Nora Iuga hat tatsächlich gelitten, bis sie Franz Storch gerettet und bei „Volk und Kultur“ angestellt hat, wo auch sie überleben konnte.

Verschiedene Nachlässe können noch im Nachhinein unsere Publizistik bereichern. Das zeigt die Rede, die die Historikerin Maja Philippi 1976 zur Einführung des damaligen Stadtpfarrers Mathias Pelger über zwei Vorgänger gehalten hat – Thomas Sander, der 1383 mit dem Bau der heutigen Schwarzen Kirche begonnen hat, und Johannes Reudel, der von 1464 bis 1499 dieses Amt bekleidete und seiner Gemeinde in vielfältiger Weise diente. Im Nachlass von Friedrich Kästner, einem Enkel des sächsischen Mundartdichters Viktor Kästner, hat Friedrich Schuster ein Manuskript entdeckt, in dem erzählt wird, wie der Ausbruch des Ersten Weltkriegs – es sind 100 Jahre vergangen – in Siebenbürgen erlebt wurde. Aus den Materialien des von ihm betreuten Siebenbürgisch-sächsischen Künstlerlexikons schöpft Manfred Wittstock, wenn er anlässlich des 50. Todestages an den aus Kronstadt stammenden Maler Walther Teutsch erinnert. Abgedruckt werden zwei Festvorträge, die 2013 gehalten wurden, das Jahrbuch ist ein ausgesprochen guter Platz dafür. Da wäre der Festvortrag von Frank-Thomas Ziegler auf dem Sachsentreffen in Schäßburg, in dem das Konzept der Denkmalpflege beachtenswert erweitert wird. Aus der Festrede von Thomas [indilariu am Bartholomäusfest kann auch der Uneingeweihte lernen, warum vor 150 Jahren die Schaffung der eigenständigen Kirchengemeinde Bartholomä ein Fortschritt war.

Überhaupt ist Kronstadt in diesem Jahr im Kalender gut vertreten. Ein Gespräch mit dem Kronstädter Stadtpfarrer Christian Plajer hat Christine Chiriac geführt, aus dem man auch einiges über viele weltliche Aspekte im Kirchenleben erfahren kann. Dieter Drotleff teilt in dem Gespräch mit dem Historiker Gernot Nussbächer Einzelheiten über dessen Werk und den Stand der Honterus-Forschung mit. Kronstadt ist seit mehr als 140 Jahren mit dem Eisenbahnnetz verbunden, davon erzählt Hans Butmaloiu in seinen Geschichten um den Kronstädter Bahnhof. Ralf Sudrigian hat den Petersberger Reithof von Barbara Müller entdeckt, es ist die ganz ungewöhnliche Erfahrung einer Schweizerin.
Aus Bukarest kann Lilo Millitz Stoica im Gespräch mit Professor Peter Derer, ehemaliger Leiter des Denkmalschutzamtes sowie zeitweilig Chefarchitekt von Bukarest, aufsehenerregende Fakten über die Zerstörung der historischen Bausubstanz mitteilen. Einem Thema, das immer wieder etwas Neues bereithält, hat sich Dagmar Schneider im Gespräch mit Stadtpfarrer und Bischofsvikar Daniel Zikeli zugewendet – der Bukarester evangelischen Kirchengemeinde, es ist heute die zweitgrößte Gemeinde der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien.
An Banater Attraktionen wurde mehreres aufgenommen, ich nenne stellvertretend zwei Beiträge von Raluca Nelepcu: Die älteste Eisenbahnlinie Rumäniens, die spektakuläre Strecke Orawitza – Steierdorf, die vor 150 Jahren eröffnet wurde und die vielleicht gerettet werden kann. Aus der gleichen Landschaft das Alte Theater in Orawitza, das seinerzeit dem Wiener Burgtheater nachgebaut wurde.

Obwohl das „Komm mit“ wieder erschienen ist, hat man auch im Kalender auf den Teil „Reisen und Wandern“ nicht verzichtet. Als wir uns zu Hause in der Küche das Jahrbuch angeschaut haben, waren meine Leute vor allem am Drachengarten interessiert, einem Landschaftsreservat im Kreis Sălaj, das Wilfried Schreiber aus Klausenburg dargestellt hat. Wir reagieren in solchen Fällen stark auf Dinge, die wir nicht kennen. Mir ist das mit einem Bericht von Siegfried Thiel so gegangen: In der Maroschau, unweit von Arad, stehen Kastell, Pension und Naturschutzgebiet, alles eine Privatinitiative, auch mit einem kleinen Heilbad. Nina May schildert im Gespäch mit Dr. Carmen Schuster das Kirchenburgenprojekt der evangelischen Landeskirche „Entdecke die Seele Siebenbürgens“.
Im Jahrbuch fehlen eingebürgerte Rubriken nicht: Lesespaß (mit Karin Gündisch, Joachim Wittstock, Balthasar Waitz u. a.), Brauchtum und Mundart (es fällt insbesondere das Schwäbische von Helen Alba auf), die Rubrik „Für Rätselfreunde“ bestreitet Ovidiu Şperlea. Das ADZ-Jahrbuch wird an die Abonnenten der Zeitung vergeben, die ein Jahresabonnement abschließen.